Thomas Rietzschel / 04.01.2020 / 10:00 / 47 / Seite ausdrucken

Ein Volk, ein Sender, ein Intendant

Als Tom Buhrow vor Tagen so tat, als ob er etwas tun wolle, um die aus dem Stall des WDR ausgebüxte „Umweltsau“ wieder einzufangen, machte er nebenbei ein Geständnis, das aufhorchen lässt. „Ich habe“, verriet der Intendant, „mein Leben darum gekämpft, Menschen zu vereinen und nicht zu spalten.“ Hätte sich ein Politiker, ein Pastor oder Priester damit hervorgetan, Volker Bouffier, Robert Habeck, Sigmar Gabriel, Kardinal Marx oder Heinrich Bedford-Strohm, wäre das nichts als die Feststellung einer Selbstverständlichkeit gewesen. 

Für Bonzen, Gottesmänner und sonstige Gurus zählt es zu den beruflichen Obliegenheiten, die Massen unter einen Hut zu bringen: „Menschen zu vereinen“ mit dem Versprechen der sozialen sowie der geistlichen Fürsorge. Rühmt sich aber ein Journalist desselben Bemühens, dann hat er den Beruf verfehlt. Führung, die Nivellierung der Individuen, ihre Einbindung in eine gleich-denkende Gemeinschaft, die Propagierung von Friede, Freude, Eierkuchen sollten seine Sache nicht sein. Vielmehr hat er aufzudecken, was uns unterscheidet, unter Umständen zur Spaltung der Gesellschaft führt. 

Das ist seine vornehmste Chronistenpflicht. Wo er ihr nicht nachkommt, stellt sich der Journalist in den Dienst der Propaganda. Er opfert seine Unabhängigkeit diesen oder jenen Machtansprüchen, politischen, wirtschaftlichen und religiösen schlimmstenfalls. Als Opportunist verlässt er seinen Posten, jenen „Isolierschemel“, den schon Alfred Döblin als den angestammten Platz des Intellektuellen ausmachte. Kumpanei, mit wem und wofür immer, verträgt sich nicht dem Ethos des Journalismus.

Unbildung ist kein Schutzschild

Kurt Tucholsky, Karl Kraus, selbst Rudolf Augstein würden sich im Grabe umdrehen, bekämen sie zu hören, wie sich Tom Buhrow mit dem Bestreben „Menschen zu vereinen“ anbiedern wollte. Dass dem Intendanten des WDR nicht einmal bewusst gewesen sein mag, wie er mit dieser Aussage auf das Niveau gleichgeschalteter Medien früherer Diktaturen zurückfiel, macht die Sache nicht besser. Dummheit und Unbildung schützen nicht vor der Schande. Ganz im Gegenteil erhellen sie peinlich die fortgeschrittene Verkommenheit von Leitmedien.

Dabei geht es keineswegs darum, sie der Lüge zu bezichtigen. Das mag hin und wieder zutreffen. Auf das Ganze gesehen, vertuscht das Unwort von der „Lügenpresse“ jedoch mehr, als es erhellt. Nicht die gelegentlich verbreiteten Fake-News oder die Unterdrückung verstörender Nachrichten sind die Ursache des Übels, sondern die um sich greifende Fixierung der Journalisten auf einen politischen Auftrag. Allein damit blamiert sich der Berufsstand bis auf die Knochen. 

Weil sie sich selbst in der Rolle des Vormunds gefallen, selbst Politik machen wollen, statt sie als Außenstehende kritisch zum analysieren, Roten, Schwarzen wie Grünen gleichermaßen auf die Finger zu sehen, haben sie den Anspruch verwirkt, als Intellektuelle ernst genommen zu werden. 

Wohin der Zeigeist schielt

Was der Demokratie „not tut“, wären „Zeitungen“, „die offen und unabhängig und nur den Einschränkungen ihrer eigenen Irrtümer unterworfen“ sind, schrieb Rudolf Augstein noch 1951 in seinem „Spiegel“. Was wir bekommen haben, sind Medien, die derart nach dem Zeitgeist schielen, dass die Wirklichkeit zur Nebensache schrumpft. Lieber, als dass sie weiter auf dem „Isolierschemel“ des Kritikers Posten bezieht, will die nachgeborene Mehrheit der Journalisten dazugehören, mitmischen, wenn es gilt, Leser, Hörer und Zuschauer auf Linie zu bringen. 

Kein Gedanke mehr an den Stolz, mit dem die Besten unserer beruflichen Vorfahren einst abblitzen ließen, wer immer sie zu vereinnahmen suchte. Stattdessen das Bekenntnis Tom Buhrows, er habe ein „Leben darum gekämpft, Menschen vereinen“ zu wollen: Ein Volk, ein Sender, ein Intendant. 

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R. Heiler / 04.01.2020

Das sollte jedem Journalisten, ob im ÖR oder in den sog. "Leitmedien" als zwingende Lektüre gegeben werden.

Alexander Schilling / 04.01.2020

Aus der Antwort des WDR2 (vom 3.1.20) auf meine Email (vom 29.12.19): „Darüber hinaus distanzieren wir uns scharf von Form und Inhalt des Tweets, den der freie Mitarbeiter von seinem privaten Account abgesetzt hat. Mit ihm wurde bereits ein sehr deutliches Gespräch geführt, weitere werden folgen.“ -- Da ist es heraus: das privatim in die Irre gegangene Schaf Danny H. soll per 'Gesprächstherapie' auf den rechten Weg zurückgeführt und in die WDR-Schafherde wiedereingegliedert werden -- einer Kirche, deren Klerus sich (der Justiz vorgreifend) die Schlüsselgewalt in medias res gleich selbst übertragen hat! -- Man kann nur hoffen, dass das procedere, dem sich "der freie Mitarbeiter" unter den Augen einer gestrengen Öffentlichkeit im Gerichtssaal zu stellen haben sollte (wie gestreng der Richter sein wird, bleibt abzuwarten), zu dem Resultat führen wird, dass die Kirche der WDR-Festangestellten ihre Gesprächstherapie für die Dauer einer fälligen Besinnungszeit dieses verlorenen Schafs (hinter schwedischen Gardinen) unterbrechen muss.

Michael Müller / 04.01.2020

Also ich reg mich über die erst gar nicht mehr auf sondern bezahle sie nicht mehr. Das ist sinnvoller und geht auch ganz unkompliziert: abmelden.tv

Dolores Winter / 04.01.2020

Schlimm nur, dass seine Redakteure noch selbstgerechter und absolutistischer sind als Buhrow. Sie proben nun tatsächlich den Aufstand, weil er das Lied löschen ließ und sich entschuldigte.

Bechlenberg Archi W. / 04.01.2020

Bei "Menschen vereinen" habe ich Bilder von Sammellagern vor Augen. Nein, nicht als Nazikeule; so weit würde ich hier nicht gehen. Aber bezogen auf Passagen aus "1984" oder der auch nach 50 Jahren überaus aktuellen, britischen TV Serie "Nummer 6" (Originaltitel: The Prisoner), in der Oppositionelle in eine abgelegene, scheinbar idyllische Welt gesperrt werden, aus der es kein Entrinnen gibt. Dazu gehört auch, dass in jedem Haus und in jeder Wohnung ein Radiogerät steht, das nicht ausgeschaltet werden kann. Der WDR könnte die Folgen von Nummer 6 doch mal ins Programm aufnehmen... Kleiner Scherz.

Bernhard Freiling / 04.01.2020

@Armin Reichert: Kaum hatte ich Ihren Beitrag gelesen, meldete sich der kleine Verschwörungstheoretiker, der da ganz hinten in meinem Kopf sein Dasein fristet, zu Wort. Und der hat manches Mal ganz schön schräge Ideen. Eben meinte er zu mir: "Stell dir vor, bei den ÖR würden Hunderte,, vielleicht sogar tausend "Antifa-Angehörige" "arbeiten". Bei den rd. 30.000 Mitarbeitern bei ARD und ZDF würde das gar nicht auffallen. Die Antifa erhielte über diese Schiene eine sichere Finanzierung, ohne den Schatten eines Verdachts auf unsere uns umsorgende Regierung fallen zu lassen. Den als "Freiberufler Tätigen" könnte man Fantasie-Gagen zukommen lassen - das prüft doch Keiner. Gleichzeitig hätte die Antifa Zugang zu den neuesten Informationen und könnten sich über das Intranet der Sendeanstalten organisieren. Hätte doch was, oder?" +++ "Dummes Zeug", dachte ich mir und beim nächsten Atemzug fiel mir mein Lieblingsspruch des verstorbenen, von mir verehrten Börsengurus und Entertainers André Kostolany ein. Der meinte mal sinngemäß: "Alles ist möglich, auch das Gegenteil davon".

Peter Holschke / 04.01.2020

Tom Buhrow? Tom Buhrow? Tom wer? Noch so ein Mastgeschöpf mit einer Wirbelsäule aus Gummi. Klar das solche Leute Haltung fordern, weil sie selbst keine haben. Nur Interessen.Lächerlicher Figuren kann man nur dadurch begegnen, dass man über sie lacht. Erste Frage: Wie sieht der Mann aus? Ach so, alles klar!Und er ist sogar, laut aufrechten (gefühlt unterbezahlten) Kampfredakteuren, gegenüber der Kritik aus "rechten Kreisen" eingeknickt. Rechte Kreise? Ja, ja, diese Dunkelmänner, derart haben die DDR-Kommunisten auch immer fabuliert. Und vorher waren es die Weltjuden.Das kommt davon, weil man die Entnazifizierung nur halbherzig betrieben hat. Man muss es leider sagen, man hätte mehr hängen sollen. Von der Zeitschrift das "Reich" in "FAZ" und "Presserat" usw. Ja genau - Der Presserat. GIYF. Man kommt aus dem Staunen nicht mehr raus. Da konnte dann die Bonner Republik bei den DDR-Chargen auch nicht so kleinlich sein. Hach wie exotisch. So ist dann zusammengewachsen, was zusammengehört. Ex-Nazis, mit Ex-Kommunisten. Brüder im Geiste, Parteigenosse sowieso - Hauptsache das Gehalt stimmt.Wes Brot ich fress, des Lied ich sing. Was will man anders erwarten von gedungenen Schönsprecher und Schlechtschreibern? Die Berliner Republik geht krachen, weil es in der Zwischenzeit zu viele selbst ernannte Adlige von der schadhaften Sorte gibt. Was würde Dix heute wohl malen und Tucholsky wohl schreiben?

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