Ulrike Putz schreibt aus Gaza-Stadt für SPON (tatsächlich unter genau dieser Überschrift):
“So schön ist Hamastan
Am Strand tobt das Leben, auf den Märkten drängen sich die Menschen - Gaza wirkt nach der Hamas-Eroberung fast wie ein idyllischer Ort. Plötzlich scheint in der Krisenzone Frieden einzukehren. Doch die Idylle trügt.
Gaza-Stadt - Ein elektrisches Knacken, dann dröhnt der Lautsprecher: “Ihr Jungs da rechts, kommt sofort zurück”, bellt eine Männerstimme. “Die Strömung ist gefährlich!” Es folgt noch etwas entnervtes Gebrummel, dann fiept das Mikro und ist tot. Rettungsschwimmer in Gaza zu sein ist in diesen Tagen ein anstrengender Job. Der Wind steht schlecht, auf den Ausguckhäuschen der Bademeister weht die rote Fahne des Badeverbots. Aber das kümmert niemanden: Die Strände des Gaza-Streifens sind knackvoll. Vom Kleinkind bis zum Teenager toben Tausende Jungs und Mädchen im Mittelmeer, ihre Väter surfen auf Bodyboards durch die Brandung. Frauen in bodenlangen Gewändern stehen nabeltief im Wasser und halten ein Schwätzchen.
Unter den Sonnenschirmen, die Gaza-Stadt wie eine kilometerlange bunte Borte säumen, sitzen Oma und Opa und rauchen Wasserpfeife. Die fliegenden Händler machen beste Geschäfte, der Jüngling, der Kamelreiten für die Kleinen anbietet, hebt ein Kind nach dem nächsten auf den Rücken seines Tieres: Gaza in Woche eins nach der Machtübernahme der Hamas.
Als Israel am Mittwoch zum ersten Mal seit einer Woche wieder ausländische Journalisten nach Gaza ließ, wusste niemand so recht, was ihn erwartet. Nicht das: Gaza, wie es die allermeisten von uns noch nie erlebt haben. Lebhaft, fast schon lebenslustig. Wo früher an den Straßenkreuzungen Uniformierte mit Kalaschnikows standen, regeln jetzt Männer in neongelben Schutzwesten den Verkehr. Dass sie dazu von der Hamas abgestellt sind, zeigen die grünen Schirmmützen mit dem Logo der islamistischen Partei.
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Sicherheit ist auch seine Antwort darauf, was der Machtwechsel in Gaza für die Menschen bedeutet. Sicherheit nicht nur vor Gewalt: ‘Als die ersten Supermärkte angefangen haben, die Lebensmittelpreise zu erhöhen, haben Kämpfer der Kassam-Milizen der Hamas bei den Besitzern vorgesprochen’, sagt Abu Bashar. Am nächsten Tag seien die Preise wieder normal gewesen.
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Dass aus Fürsorge schnell Überwachung werden kann, und dass es doch etwas seltsam ist, dass die Hamas anscheinend über alles und jeden im Gaza-Streifen Bescheid weiß, haben die Menschen nicht im Blick. Die Einwohner Gazas sind entschlossen, das Heute zu genießen. Wer weiß, was morgen ist.
Die Illusion vom befriedeten Gazastreifen wird anhalten, so lang noch Geld aus den EC-Automaten in der Haupteinkaufsstraße kommt, in Dollar oder Schekel. Ein Großteil der Bevölkerung Gazas ist bitter arm, 80 Prozent leben von Auslandshilfe. Sollte die nun, wo die Hamas am Ruder ist, noch weiter zurückgehen, wird es eng für Gaza. Die Menschen wissen das, sie wissen auch, dass sie daran vorerst nichts ändern können. Wir liegen in Gottes Hand, Gott wird es richten, ist die ewig gleich lautende Antwort auf die Frage nach Gazas Zukunft.
‘Unter der Fatah gab es viel Geld, aber kaum Sicherheit. Jetzt ist es halt andersrum’, sagt ein Student.”
Insgesamt scheint Frau Putz da ja ein touristisches Kleinod entdeckt zu haben - wie schön.
Ich hatte bereits das Vergnügen, sowohl den libanesischen wie auch den israelischen Küstenabschnitt der Levante zu bereisen. Und hier wie dort waren die Menschen am Strand irgendwie lässiger drauf als auf den SPON-Fotos.