Henryk M. Broder / 20.08.2020 / 10:00 / Foto: Acgut.com / 109 / Seite ausdrucken

Ein Testfall, den es noch nie gab

Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass ich einen solchen Satz je sagen, aufschreiben oder auch nur denken würde: „Ich habe Angst!“ Nicht, weil ich Angst für einen schlechten Ratgeber halte – im Gegenteil, die Lebenserwartung von Feiglingen dürfte wesentlich größer sein als die von Helden. Nun ist es aber passiert. Ich habe Angst. Ein Gefühl, das mich bis vor kurzem nur bei nächtlichen Autobahnfahrten überkam, wenn ich von Rasern überholt wurde, die mit 200 Stundenkilometern und mehr an mir vorbeirauschten.

Es gibt ein weites Angebot an Ängsten. Flugangst, Höhenangst, Angst vor dem Aufenthalt in geschlossenen Räumen (Klaustrophobie), Platzangst (Agoraphobie), Angst vor Spinnen (Arachnophobie), Angst vor Männern (Androphobie), Angst vor Frauen (Gynophobie), Angst vor feuchten Träumen (Oneirogmophobie), Angst vor Hunden (Kynophobie), Angst vor der Arbeit (Ergophobie), Angst vor der Zahl vier (Tetraphobie), Angst vor sich selbst (Autophobie), Angst vor alten Menschen (Gerontophobie), Angst vor Licht (Photophobie), Angst vor der Angst (Phobophobie). 

Meine Angst hat keinen Namen. Nennen wir sie einfach Coronaphobie.

Die Symptome sind eindeutig und weisen auf eine Zwangsstörung hin. Schlechter Schlaf, grausame Träume, allgemeine Unruhe, Gereiztheit im Umgang mit Menschen, Kontrollverlust in konfrontativen Situationen, Vergesslichkeit, Konzentrationsprobleme.

Jede neue Meldung, wie zum Beispiel die, „Maskenmuffel“ müssten demnächst, je nach Bundesland, „Bußgelder“ zwischen 20 und 500 Euro zahlen oder: Infolge der Corona-Krise könnte das Wasser in Deutschland knapp werden, treibt das Karussell der Angst weiter an. 

Ich könnte natürlich dem Beispiel einiger Freunde folgen und buchstäblich abschalten, keine Tagesthemen, kein Heute-Journal, kein Corona-Special. Was hilft es mir, zu wissen, wie viele Neuinfektionen es an einem Tag in Bayern oder NRW gegeben hat? Wie viele Menschen „an oder mit Corona“ gestern gestorben sind?

Eine Ausnahmesituation soll zum Normalfall werden?

Was soll ich tun, nachdem ich erfahren habe, dass sich die Zahl der Infizierten weltweit innerhalb von nur sechs Wochen von 10 auf 20 Millionen verdoppelt hat?

Noch mehr auf Abstand achten und die Hände öfter waschen?

Nur – ich kann nicht abschalten, die Angst will gefüttert werden, täglich aufs Neue, morgens, mittags, abends und auch zwischendurch. Ich habe schon überlegt, es mit Yoga oder autogenem Training zu versuchen, die Idee aber fallen lassen, weil ich sie doch zu albern fand; ich würde auch nicht Globuli nehmen, um eine Zahnwurzelentzündung zu behandeln. 

Dafür trage ich eine Maske – bei Aldi und Rossmann, beim Tanken und Geldabheben –, die neuerdings „Alltagsmaske“ heißt, was kein Zufall, sondern ein Hinweis darauf ist, dass sie auf unabsehbare Zeit zu unserem Alltag gehören wird. Der spanische König Felipe VI. und seine charmante Frau Letizia tragen bei einem Ausflug nach Mallorca Masken, die vollbärtigen Teilnehmer der Loja Dschirga, der Großen Versammlung in Kabul, ebenfalls. „Die Maske“ ist das Symbol der Globalisierung geworden, ein Grenzen überschreitendes, Kultur übergreifendes, Solidarität simulierendes Accessoire der Krise. 

„Je mehr Menschen in der Öffentlichkeit jetzt Masken tragen, desto normaler wird es für alle“, sagt der „Fernsehmoderator, Arzt, Kabarettist und Schriftsteller“ Eckart von Hirschhausen. „Wir brauchen eine neue Normalität in dieser Ausnahmesituation. Wir sind alle Teil eines großen Sozialexperiments, einer globalen Studie, eines Testfalls, den es so noch nicht gab.“

Wenn ich solche Sätze höre oder lese, bricht bei mir der Angstschweiß aus. Es ist, als würde mir jemand ein mit Chloroform getränktes Tuch ins Gesicht drücken und warten, bis ich umfalle. Eine Ausnahmesituation soll zum Normalfall werden? Dafür müssen alle mitmachen, keiner darf aus der Reihe tanzen. Not kennt kein Gebot. Ich weigere mich, Teil eines großen Sozialexperiments zu sein, einer globalen Studie, eines Testfalls, den es so noch nicht gab. Ich denke, es hat schon genug soziale Experimente gegeben, die Millionen von Menschen das Leben gekostet haben. 

Die „neue Normalität“, die derzeit mehrmals täglich ausgerufen wird, ist ein Euphemismus für etwas, das man früher „Volksgemeinschaft“ genannt hat, nur dass sie diesmal als ein globales Projekt deklariert wird. 

Das Sozialexperiment ist auf Dauer angelegt, es wird keine Rückkehr zu der „alten Normalität“ geben.    

Dieser Beitrag erschien zuerst in Die Weltwoche.

Foto: Achgut.com

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leo Hohensee / 20.08.2020

@S.Niemeyer - Sie schreiben: “Nein, es wird nicht Solidarität simuliert, sondern es wird in die Köpfe gehämmert, dass ein jeder des anderen Gefährder sei.” Genauso ist es! Das ist das was beabsichtigt ist und auch passiert. Das schlimme dabei ist, diese Gurkentruppe von Regierung muss das gar nicht mehr forcieren, die ganzen Herden-Volksbetreuer tun das aus freien Stücken und versuchen, sich in ihrer “Volksführsorge” noch gegenseitig zu übertreffen. Und genauso steht es in Merkels Stasi-Agitationsbuch, Schublade 3 überarbeite durch BRD-Organe fortlaufend durch Prof. xy, Prof ab, Prof. …….. beste Grüße

Robert Bauer / 20.08.2020

Bekanntlich wurde Hirschhausen über eine Therapie beim Schwein promoviert. So kann es gut sein, daß er mit dem grandiosen Sozialexperiment, dessen wir alle teilhaftig werden dürfen (oder müssen), nichts Anderes als die Animal Farm meint. Die Expertise hat er ja.

Thomas Taterka / 20.08.2020

” Alles, was kommen wird, ist unsicher : Lebe für den Augenblick. ” Seneca - Cent’anni !

Leo Hohensee / 20.08.2020

Ergänzung zu meinem Beitrag von vorhin: und dieser mathematische Analphabetismus stellt die Grundlage für diese ganze Zerstörung, dieses ganze angerichtete Unglück, diese Entrechtung der Staatsbürger !? Wie ist das bloß möglich mit einem Parlament, mit einem Bundesrat, mit den Länderparlamenten - wie geht das ??

Leo Hohensee / 20.08.2020

Lieber Herr Broder, ich habe das Gefühl - irgendwie müssen wir uns alle gegenseitig trösten. Das Getöse der Affen in diesem Land ist so laut und so verbreitet, dass es einen fröstelt. Paradoxe “Problemlösungen” werden dem Volk zur neuen Normalität verkündet, oder auch, ihm untergejubelt! Diese Affen funktionieren alle nach dem System wie es Herr von Löwenstern beschrieben hat so: - sind in der Tüte mit 100 Gummibären Inhalt 10 rote Tiere dabei und in der Tüte mit 1.000 Gummibären 20 rote Tiere dabei - dann ist, nach deren Mathematik, die Gefahr um 100% gewachsen, obwohl die Ausbreitung von roten in der großen Tüte um 80% gesunken ist. Derzeit erzähle ich dieses nette Beispiel für Volksverdummung jeden, der nicht wegläuft. Und ich hoffe doch, dass auch bei denen, bei denen der Groschen nicht gleich fällt, noch eine Langzeiterkenntnis eintritt. Außerdem zweifle ich mittlerweile daran, dass meine Forderung, “Merkel muss weg” überhaupt noch ausreicht? Nur die Dummheit, scheint mir, hat sich potenziell ausgebreitet - nicht das Virus. -Das gilt weltweit ….. -

Frances Johnson / 20.08.2020

Ich sehe gerade, Sie haben Geburtstag und schließe mich den Glückwünschen von Jessica Kubitza an! Bleiben Sie…...........................................................................NEIN! Bleiben Sie frech und klug und witzig!

Gottfried Meier / 20.08.2020

Ich habe auch Angst! Angst vor den ganzen Verrückten, die unser Land gekapert haben.

Max Maus / 20.08.2020

Und ein Latif macht weiterhin Angst vor dem bösen Klimanwandel…ja wirklich schlimm diese Hitzewelle in diesem Jahr!Das erste mal das es normale SOmmertemp. gibt und er spricht von Hitzewellen.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com