Claudio Casula / 23.12.2021 / 06:15 / Foto: Olaf Kosinsky / 48 / Seite ausdrucken

Ein Tag im Leben des Robert H.

Frisch geduscht, aber natürlich weder rasiert noch gekämmt – der Tag konnte beginnen! Robert öffnete den Kühlschrank, griff nach dem Tetra-Pak Milch. Sie flockte aus. Scheiße. Robert knüllte die quaderförmige Verpackung zusammen und warf sie in den Plastikmüll. Musste er sein Müsli also wieder mit Wasser essen. Immerhin ist mein Frühstück jetzt vegan, dachte Robert, und verzog das Gesicht. Heute würden wieder einige Aufgaben auf ihn warten. Schließlich war er Vizekanzler. Geil. Obwohl natürlich mehr drin gewesen wäre. Wenn Annalena ihm nicht dank ihrer XX-Chromosomen den gebührenden Platz als Kanzlerkandidat weggenommen hätte.

Es tat immer noch weh. Im Gegensatz zu ihr hatte er richtig erfolgreich studiert, sogar seinen Doktor gemacht, hatte seine Bücher selbst geschrieben – gut, manche zusammen mit seiner Frau, aber das stand dann auch auf dem Cover – und schon Regierungserfahrung in Schläfrig-Holzbein gesammelt. Und er sprach fließend Dänisch, während Plapperlena schon mit ihrer Muttersprache haderte… Aber ihn musste sie coram publico runterputzen. Was haste? Hühner, Schweine, Kühemelken. Diese hohle Fritte. Natürlich hatte sie es vergeigt, war ja klar. Aber als Nummer eins den prestigeträchtigen Posten als Außenministerin abgesahnt. Jetzt flog sie in der Weltgeschichte herum und er musste sich mit der Wirtschaft abplagen. „Würtschaft“, würde sie sagen. Ihn schauderte. Andererseits: Sein Vorgänger im Amt hatte die Latte so niedrig gehängt, dass auch ein adipöses Murmeltier locker drüberhüpfen konnte. Danke, Peter!

Kurz überlegte er, heute mal eine Krawatte anzulegen, verwarf die verwegene Idee dann aber wieder. I am what I am, dachte Robert. Cool. Hatte er nicht mal gefragt, was denn der Unterschied zwischen dem Kuhschwanz und einem Schlips sei? Und gleich selbst die Antwort gegeben: „Der eine bedeckt das ganze Arschloch." Aber ein Oberhemd unterm Sakko musste schon sein, das T-Shirt kam nur auf Parteitagen zum Einsatz. Der Robert, ein lässiger Typ. Warum hieß er eigentlich Robert? Seine Parteifreundinnen Theresa und Franziska, die sich seit Jahren in Brüssel einen lauen Lenz machten, nannten sich Terry und Ska, warum war er nicht Bob? Bob Habeck, das wär‘ doch cool. Würde zu ihm passen. Stattdessen riefen sie Roooooobäääächt! Wie Carmen Geiss.

Lieber heiße Luft absondern. Mehr Scholz wagen.

Aber er würde es ihnen schon zeigen, war ambitioniert. Hochmotiviert. Noch lieber würde er natürlich von ganz oben etwas bewegen. Manche trauten ihm nicht über den Weg, sein „Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht.“ hing ihm immer noch an. Aber, he: Heute zählte nicht einmal mehr, was man gestern von sich gab, und es war immerhin elf Jahre her, seit er das geschrieben hatte. Verjährt, praktisch. Jetzt hatte er richtig Bock auf Gestaltung. Also Umgestaltung. „Wir haben heute 0,5 Prozent der Landesfläche mit Windkraftanlagen voll, es müssen zwei Prozent werden, also eine Vervierfachung der Menge an Windstrom in acht Jahren“, hatte er verkündet.

Das war schon ein Brett, klar. 120.000 Windräder statt 30.000, das war den meisten Leuten sicher nicht bewusst. Mal sehen, wie viele Störche übrigbleiben würden und wie viel Wald. Proteste würde es mit Sicherheit geben. Aber diesmal waren es die Bösen, die sie anzettelten, dachte Robert grimmig. Windkraftleugner. Demokratiefeinde und Nazis, gewissermaßen. Von denen würde es keiner in eine Talk-Runde schaffen.

Sollte er nun das Fahrrad nehmen, wie Cem? Ich sollte mit gutem Beispiel vorangehen, dachte Robert. Eigentlich. Dann kletterte er doch in den Dienstwagen. Neuerdings war jeder Tag ein Drahtseilakt. Er musste höllisch aufpassen, durfte sich nicht aufs Glatteis locken lassen wie kürzlich, als er erst verunsichert „ein faires Verfahren“ für Julian Assange gefordert hatte und eine Minute später, weichgeklopft, die Freilassung. Oder die Sache mit der Pendlerpauschale, als er nur noch herumgestottert hatte. „Oder wird die dann... das weiß ich jetzt gar nicht.“ Schlimm. Dann lieber im Ungefähren bleiben und heiße Luft absondern. Mehr Scholz wagen.

Abschied von der Kohle, wie doppeldeutig

So, die Kabinettssitzung, die Konferenz im Ministerium und eine PK hatte er hinter sich. Unfallfrei, schließlich hieß er nicht Habock. Er hatte etwas von „einer anderen Form von Mobilität“ erzählt, vom „Umbau der Industrie“, was den Menschen aber „eben auch etwas abverlange“. Zum Glück hatten die Journos nicht weiter nachgefragt. Wohlstand war gestern, dachte Robert, nur leicht betrübt. Es würde eh alles den Bach runtergehen, da machte er sich keine Illusionen. Klimaschutz lag ja auch in seinem Beritt, so hieß schließlich sein Ministerium, und das nicht umsonst. Stichwort Transformation, da können die Leute sich schon mal warm anziehen. Von der Kohle müssen sie sich bis 2030 definitiv verabschieden. Robert kicherte ob der doppeldeutigen Formulierung.

Apropos anziehen: Hatte er eigentlich die Socken mit den Löchern angezogen, die diese ZEIT-Redakteurin mal so wuschig gemacht hatten? Hatte er. Vielleicht ergab sich beim Exklusivinterview nochmal eine Gelegenheit, das Schuhwerk abzulegen. Ich bin ja schon ein verdammt cooler Typ, dachte Robert, als er überpünktlich im Borchardt saß und auf die ZEIT-Tante wartete. Dass er als Erster raus sein könnte aus dem Bums, wie er es neulich im Interview mit Feldenkirchen angedeutet hatte, war natürlich nur Attitüde, Amtsmüdigkeit nach ein paar Wochen kein Thema. Er hatte ja nur andeuten wollen, wie sehr er sich aufrieb in seinem Job. Und er hatte schon Bock, etwas zu verändern. Bzw. zu verenden, wie Annalena sagen würde. Vielleicht eines Tages Superminister der Vereinigten Staaten von Europa, wenn Deutschland nur noch eine ferne Erinnerung war. Wär‘ cool, keine Frage. Millionen von majestätisch sich drehenden Windrädern auf dem Kontinent. Geil.

Oh, er hatte schon wieder keine Zeit gehabt, Milch zu kaufen. Und morgen gleich zwei Termine außer der Reihe, einmal Quantentechnologieforschung und einmal Überbrückungshilfen für Schweinebauern wegen der Pandemie. Schweinebauern, ausgerechnet. Während Annalena in Abu Dhabi über rote Teppiche schritt und sich die Sonne auf den Bauch scheinen ließ. Undank war der Welten Lohn. Aber früher oder später würde sie sich um Kopf und Kragen reden. Und er, Bob Habeck, der eigentliche Chef sein. The special one. Schon um die fleischgewordene Doppelspitze zu verhindern, die sich gerade im Bundestag breitgemacht hatte und tatsächlich schon auf den Parteivorsitz jieperte. Ich weiß auch nicht, warum, dachte Robert, aber jetzt habe ich auf einmal einen Riesenappetit.

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Leserpost

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Sabine Schönfelder / 23.12.2021

Alex@Müller, ich hoffe für Sie, daß Sie sich jedes seiner „nachdenklichen“ Worte aufschrieben. Viel Papier werden Sie dazu nicht brauchen. Andererseits ist es der Rezipient, der in Ihrem Fall die Nachdenklichkeit verspürt. Ein grünes Gehirn, könnte ich mir vorstellen, ist mit den Aussagen von Herrn Habeck den ganzen Tag beschäftigt. Auch mich faszinieren seine pathogen- infantilen Realitäts-VERMUTUNGEN. Kein Wind für 25 000 Windräder? Kein Problem, bauen wir 4x MEHR, dann haben wir unser 100% -Ziel erreicht. 100% NENNLEISTUNG. Der gute Robert. Kinderbücher und Märchen. Er ist ein Philosoph, @Alex Müller, im grünen Bereich eines jeden Betrachte n d e n d e n d e n…. Sind Sie der Bruder von @Albrecht Müller? Ich frage nur für einen Freund…..

René Günter / 23.12.2021

So einen wie Habeck kennen wir doch alle von den Studentenparties. Er saß als einziger bei den Mädels und machte sich mit seinen semi-philosophischen Weltbetrachtungen dort beliebt, stets um Abgrenzung zu den “Jungs” bemüht, spiegelte er Tiefgründigkeit vor und stand vor jeder Party eine Dreiviertelstunde vor dem Spiegel, damit auch ja jedes Haar so verwuschelt sitzt, dass jeder und jede glaubten, er sei gerade erst aufgestanden. Dazu übte er den Schmachtblick ein und zog bewusst das obligatorische leicht verschossene schwarze T-Shirt unter sein ebenfalls schwarzes Jackett an. Allerdings war das tiefschwarz, damit der Effekt des herrlich Unperfekten noch jedem weniger aufmerksamen Betrachter ins Auge sprang. Nichts ist geplanter als zur Schau getragene Lässigkeit. Übrigens: Was macht die Familie Habeck eigentlich mit ihrem großen umgebauten Bauernhof, wenn der Dämmzwang kommt? Gilt das alles überhaupt für Grüne?

Michael Hofmann / 23.12.2021

Danke- Sie haben mir den Tag gerettet mit ihrer Zusammenfassung unser Gurkentruppe Ampel*männchen

Volker Kleinophorst / 23.12.2021

Leute, die den Menschen so gerne etwas “abverlangen”, verlangen sich selber meist nichts ab.

Carlo Mayer / 23.12.2021

@Alex Müller, ich bin kein Freund von Habeck, aber Sie haben schon Recht, er ist der einzige, dem man ansieht, dass er sich der Aufgabe, die er hat, nicht gewachsen fühlt und ihm dabei überhaupt nicht wohl ist. Er ist der einzige in dem Deppenhaufen, der nicht dumm genug ist, seinen Job geil zu finden.

Lutz Herzer / 23.12.2021

Was blieb der Milch denn schon anderes übrig, als auszuflocken? Jeder wehrt sich, wie er kann. Blöd nur, wenn demnächst auch noch das Volk ausflockt und selbst vom Austausch nichts anderes zu erwarten ist.

rolf schwarz / 23.12.2021

Brilliant! Zum Glück gibt es immer noch Leute, die dafür sorgen, dass uns das Lachen nicht vergeht.

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