Claudio Casula / 14.04.2022 / 12:00 / Foto: Imago / 105 / Seite ausdrucken

Ein Tag im Leben der Ricarda L.

Eingedenk der anstehenden Interviews beschloss Ricarda, ihre Phrasendreschmaschine anzuwerfen, die ständig im Stand-by-Modus war und nach dem Zufallsprinzip immer neue grüne Themen generierte. „Einwanderungsfaire Gleichberechtigungsinklusion“, warum nicht?

Um sieben klingelte der Wecker. Ricarda seufzte. Irgendwie hatte sie sich noch immer nicht daran gewöhnt, dass der Tag so früh begann. Damals, als sie die sieben Jahre in Heidelberg und Berlin stud… – oder, naja, wenigstens eingeschrieben war, musste es schon was Verlockendes in der Mensa geben, dann stand sie manchmal sogar schon mittags auf. Jetzt war der Terminkalender voll, wenn sie nicht aufpasste. Die vielen Sitzungen und Presseauftritte zwischen den TikTok-Aufnahmen konnten ganz schön nerven. Vielleicht sollte ich doch mittelfristig eine Karriere als Influencerin anstreben, dachte Ricarda.

Nicht, dass sie glaubte, es könnte sie bald erwischen. Inkompetenz war nie der Grund, der einen Abstieg einleitete. Aber der Politikbetrieb war ein Haifischbecken, das war ihr klar. Bei den Grünen so wie bei allen anderen. Wenn sie einen richtigen Bock schießen sollte, könnten ihr vielleicht auch die Attribute jung, weiblich und – theoretisch ­– bisexuell nicht mehr helfen. Außerdem hatte die Identitätspolitik auch ihre Tücken. Sollte eines Tages eine Leptosomenquote beschlossen werden, ist keiner mehr sicher, dachte Ricarda, irgendeine Minderheit wird sich immer finden, der die Grünen etwas Gutes tun wollen. Hatte sie nicht selbst mal gefordert, Bewohnern pazifischer Inselstaaten, deren Heimat vom steigenden Meeresspiegel bedroht sei, die EU-Staatsbürgerschaft anzubieten?

Eigentlich wär’ da doch mal eine Dienstreise fällig, dachte Ricarda, während sie den Kühlschrank inspizierte, in der Südsee war sie noch nie gewesen. Möglicherweise ließ sich auch in Brasilien ein indigener Stamm finden, dem die Abholzung des Regenwaldes den Lebensraum zu nehmen droht. Möglichst viel mitnehmen, dachte Ricarda, man macht ja nicht ewig Politik, und leider hatte sie ja nichts Richtiges gelernt. Nicht mal Kochen, weshalb sie wieder einmal zu den YumYum-Nudeln aus dem Späti griff.

Der Phrasengenerator glühte

„Krass lecker“, dachte Ricarda, während sie das asiatische Fertigfutter löffelte, und sah sich zum fünften Mal hintereinander das TikTok-Reel an, in dem sie sich in 30 verschiedenen Outfits präsentierte. 103.000-mal aufgerufen. Ricarda kicherte. Das war ihre Rache an den Spackos, die sie in der Schule immer gehänselt hatten. Har, har! Vorsitzende einer Regierungspartei, Bundestagsabgeordnete. Und Ihr so?

Noch eine Viertelstunde, bis das Lastenfahrrad eintraf. Ricarda beschloss, eingedenk der anstehenden drei Interviews heute ihre Phrasendreschmaschine anzuwerfen, die rund um die Uhr im Stand-by-Modus war und nach dem Zufallsprinzip immer neue grüne Themen generierte. Vorgestern die „queerfeministische Klimagerechtigkeit“, gestern die „ökosoziale Friedensdiversität“. Tastendruck. „Digitalnachhaltige Transgenderumwelt“. Na ja. Nochmal. „Einwanderungsfaire Gleichberechtigungsinklusion“. Schon besser. Gleich noch welche für morgen und übermorgen. „Demokratieverträgliche Reformpositivity“, „Basisfundierte Grundlagenplattform“. Ja, das war gut! Ricarda übte ein paarmal. Damit ließ sich jeder Journo entweder zur Verzweiflung bringen oder narkotisieren, das hatte sie neulich ja eindrucksvoll bewiesen.

„Einwanderungsfaire Gleichberechtigungsinklussion. Einwanderungsfaire Gleichberechtigungsinkluss- ssion“. Das mit dem weichen S kriegte sie einfach nicht hin. War aber auch notfalls nützlich, dann konnte sie Kritiker abmeiern, indem sie ihnen Hass auf Menschen mit Sprachstörung unterstellte. Der Hass ist ja allgegenwärtig, dachte Ricarda. Die arme Anne! Zum Rücktritt gedrängt, nur weil sie eine Frau war! So jedenfalls sah sie das.

Auswendiglernen, das konnte sie wie ein Papagei

Die Sitzung in der Parteizentrale verlief glimpflich, zum Glück. Das fehlte mir noch, dass jetzt die Flügelkämpfe ausbrechen, dachte Ricarda. Die Annalena war zurzeit unangreifbar, der Robert auch. So ein Krieg hat ja manchmal auch was Gutes, huschte ein ketzerischer Gedanke durch ihren Kopf. Und eine Nachfolgerin für die Anne würde sich schon finden lassen, Kompetenz war ja keine Voraussetzung. Der menschenverachtende Leistungsgedanke war Ricarda, wie der ganzen Partei, ohnehin zuwider.

Dann trat sie vor die Presse. Man werde jetzt, wenn die großen Themen erst mal abgearbeitet seien, verstärkt grüne Positionen in den Vordergrund rücken: „Ssehen Ssie, unssere Possition ist klar: Wir wollen die einwanderungsfaire Gleichberechtigungsinklussion vorantreiben, und wir wollen, dass diesse einwanderungsfaire Gleichberechtigungsinklussion ins Grundgessetz aufgenommen wird. Und ich denke, dass es das ist, was unssere Wählerinnen und Wähler berechtigterweisse von uns erwarten.“ Keine Nachfragen, was man unter diesem Begriff eigentlich verstehen soll. Das war noch mal gutgegangen.

Das mit der einwanderungsfairen Gleichberechtigungsinklusion würde sie heute Abend in der Schalte zur tagesschau wiederholen, und dann noch mal bei Maybrit Illner. Auswendiglernen, das konnte sie wie ein Papagei, dachte Ricarda nicht ohne Stolz. Wichtig war, das einfach stur durchzuziehen, bis zum Exzess, bloß nicht so hilflos aufzutreten wie die Anne neulich. Dazu noch ein paar Allgemeinplätze zu Russland und Corona, ein bisschen Gestik, das müsste reichen.

Ricarda griff zum Smartphone. Es war mal wieder Zeit, ihrer hedonistischen Ader zu frönen. Sie hob das Weinglas, machte eine Reihe von Selfies und lud zwei davon auf den diversen Social-Media-Kanälen hoch. Das sollte die Hater triggern, dachte Ricarda, und warf den Mantel über. Vor dem Talkshow-Termin machte sie noch Halt beim Bäcker. „Drei Zimtschnecken, bitte!“, sagte sie. „Wussten Ssie übrigens, dass ich bei einer alleinerziehenden Mutter aufwuchs, die ihren Tschopp verlor? Das schärfte mein Bewusstsein für die ssoziale Frage.“ „Ääh … warum erzählen Sie mir das?“, fragte die Bäckereifachangestellte irritiert. Ricarda strahlte. „Ich erzähle es JEDEM!“

 

Ein Tag im Leben des Karl L. finden Sie hier.

Ein Tag im Leben des Robert H. finden Sie hier.

Ein Tag im Leben des Olaf S. finden Sie hier.

Foto: Imago

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

L. Bauer / 14.04.2022

Da kriegt doch endlich mal der Spruch von den fetten Diäten ein Gesicht!

Stefan Riedel / 14.04.2022

@ Gerd Körner / 14.04.2022,  genau!  Was bedeutet, bringt , … sie allemal mit? Nichts, gar Nichts und überhaupt Nichts! Intellektuell ein schwarzes Loch! Sehr zerstörerisch. Gegenhalten, agonal!

Daniel Oehler / 14.04.2022

Bitte künftig keine Schockbilder grüner PolitikerDrinnen vor hohen kirchlichen Feiertagen veröffentlichen. Das stört die besinnliche Andacht!

Karla Kuhn / 14.04.2022

“Nicht, dass sie glaubte, es könnte sie bald erwischen. Inkompetenz war nie der Grund, der einen Abstieg einleitete.”  Jedenfalls bei den Grünen nicht. Diese Lang, 28, abgebrochenes Studium, paßt genau zu den Grünen. Es wird ja jetzt über ein soziales Jahr für ALLE diskutiert. Bin absolut dafür, daß ALLE POLITTYPEN, die noch NIE etwas zum BIP beigetragen haben, MEHRERE “soziale Jahre” ableisten müssen. Da wir ja offenbar in eine DIKTATUR abgleiten, ist es ein MUß!! Das wäre für die “volkseigene Wirtschaft” ein Gewinn. Sieht man ja jetzt schon, bei den vielen Koryphäen, die am Ruder sind, vor allem bei den Grünen und Roten. Offenbar lauter helle Kerzen auf der Torte. Für die LANG würde ich einen Einsatz in der Landwittschaft vorschlagen, gerade jetzt , wo es ENGPÄSSE bei den Spargelbauern und bald auch bei den Erdbeerbauern gibt. Frau Lang, “JUNG ,DYNAMISCH, FLOTT, BEWEGLICH, SYMPATHISCH, INTELLIGENT,” würde wahrscheinlich in kurzer Zeit kiloweise den Spargel, bzw. die Erdbeeren pflücken. Wenn die Saison zu Ende geht, dann gibts genug andere Aufgaben zu erledigen, z. B. die Ställe ausmisten, Kartoffelnachlese, etc.  Das mindestens FÜNF Jahre lang. Dann kann diese Person sagen, ok., ich habe zwar keine Ausbildung aber immerhin 5 Jahre Erfahrung in der Landwirtschaft. WER stellt mich ein, z. B. als KÜCHENHILFE ?  Frank Stricker, “Stelle mir gerade die Parteivorsitzende beim Praxistest auf dem Lastenfahrrad vor, bei wieviel Atü platzt ein gewöhnlicher Reifen ?” Keine Ahnung aber es gibt doch die “Unkapputbaren”. LR müssen viel aushalten, darum die geeigneten Reifen. M. Wolff, “Ich frage mich inzwischen, wo die GRUENEN dieses ganze unfähige Personal eigentlich immer her bekommt…und die nächste steht auch schon in den Startlöchern”  ICH NICHT, Mark FRIEDRICH hat es doch auf den Punkt gebracht: “INKOMPETENZ ZIEHT INKOMPETENZ AN!

Julia Dornburg / 14.04.2022

Wir brauchen dringend eine Wahlrechtsreform um einererseits die Quantität des dt. Bundestags zu reduzieren und zu deckeln und um andererseits die Qualität des Personals zu erhöhen. Das wäre eine nachhaltige und dauerhafte Form der Steuerentlastung, zumal an jedem Abgeordneten noch weiteres Personal wie Staatssekretäre u.ä. hängt !!! Alles was jetzt geplant und umgesetzt werden soll ist nur auf Pump finanziert, was früher oder später über neue Steuern wieder reingeholt werden wird. QUALITÄT: - Einführung Mindestalter von 45 Jahren für den Bundestag, 35 Jahre für Landtage, Nachwuchs kann sich schließlich auf Kommunal- und Kreisebene profilieren. Das ist der Schaden noch nicht ganz so tiefgreifend wie auf Landes- oder gar Bundesebene. - Abgeschlossene Ausbildung mit Meister- oder Technikerprüfung für jeden der in Führungspositionen möchte wie Ministerämter oder Parteivorsitze, alternativ auch Studium an Uni oder FH mit Abschluss - mehrjährige Berufserfahrung Diese Mindestvorraussetzungen stellen sicher, dass uns so Totalausfälle wie Emilia Fester ( Was hat eine 23jährige Göre ohne Abschluss-, Berufs- und Lebenserfahrung im BT zu suchen ??? ), Ricarda Lang und ihr Vize oder Anne Spiegel in Zukunft erspart bleiben. Dies stellt zudem sicher, dass jeder auch in den bisher ausgeübten Beruf zurückkehren kann, wenn sich die Politikerkarriere als zu stressig erweist und nicht mit der Familie vereinbar ist.

Ulla Schneider / 14.04.2022

@Franz Klar, hallo.  Da muss ich widersprechen! Es gibt kein dreifach sss im schwäbischen - sodele! Das kann nur passieren, wenn man krampfhaft Hochdeutsch schwätze will. Mdame “Durchtrainiert"sollte den Dialekt pflegen.MfG

S. Wietzke / 14.04.2022

@Marcel Seiler Das Problem sind auch nicht die Parteien sondern die Bewohner dieses Landstrichs. Genetisch kommt es halt immer wieder zu Regressionen die ein Ausmendeln entsprechender Populationen erfordern. Ich verlasse mich da ganz auf die Evolution.

Gert Köppe / 14.04.2022

Jetzt weiß ich wieder warum ich absolut keine Lust mehr habe noch weiterhin auf Arbeit zu gehen.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Claudio Casula / 08.12.2023 / 14:00 / 16

Corona-Ticker: Wie das Narrativ crasht (12)

Das Corona-Narrativ zerfällt wie ein Soufflé, wenn man zu früh die Backofentür öffnet. Kaum eine Behauptung, die nicht früher oder später widerlegt wäre. Die Aufarbeitung ist…/ mehr

Claudio Casula / 05.12.2023 / 08:10 / 0

Morgenlage: Gaza-Krieg und Grenzkontrollen

Guten Morgen, es ist Dienstag, der 5. Dezember, und Zeit für die Morgenlage. Deutschland verlängert seine Grenzkontrollen bis zur Monatsmitte, israelische Truppen kommen bei ihrer…/ mehr

Claudio Casula / 04.12.2023 / 13:00 / 90

Vorsicht, gefährliche Mitesser!

Schon wieder hat ein scheinbar harmloses Dinner die deutsche Demokratie erschüttert: Ein Unternehmer hat in Cannes mit der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel gespeist. Und sich mit…/ mehr

Claudio Casula / 30.11.2023 / 06:00 / 58

Die Chronik des Irrsinns – der November 2023

Der elfte Monat des Jahres 2023 geht zu Ende, also das elfte Zwölftel eines Irrsinns. Die mit dem Klammerbeutel Gepuderten erhöhen die Schlagzahl, der Chronist…/ mehr

Claudio Casula / 29.11.2023 / 10:00 / 37

Fragen an die evangelische Inquisition

Wegen erheblicher Bedenken gegen den Inhalt hat das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) das Buch „Angst, Politik, Zivilcourage“, das sich vor allem kritisch mit der Rolle von Staat, Medien…/ mehr

Claudio Casula / 27.11.2023 / 14:00 / 110

Die 10 dümmsten Zitate vom Grünen-Parteitag

Was für ein Parteitag war das in Karlsruhe! Vier Tage, 825 Delegierte – und jede Menge Sätze für die Tonne. Warum sollten wir uns mit dem Marathon auseinandersetzen, wenn die dümmsten…/ mehr

Claudio Casula / 25.11.2023 / 10:00 / 31

Kein Halt für Rechtsabbieger in Europa

Während man sich in Deutschland verbissen in der „Brandmauer“ verkeilt hat, werden im übrigen Europa fröhlich allerlei Bündnisse unter Beteiligung von Bürgerlichen, Konservativen und Patrioten…/ mehr

Claudio Casula / 23.11.2023 / 08:20 / 0

Morgenlage: Mossad und Mitgliederbefragung

Guten Morgen, es ist Donnerstag, der 23.11., und Zeit für die Morgenlage. Geert Wilders gelingt bei der niederländischen Parlamentswahl ein fulminanter Sieg, Israels Geheimdienst jagt…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com