Claudio Casula / 17.04.2022 / 14:00 / Foto: StopWatchingUs / 66 / Seite ausdrucken

Ein Tag im Leben der Angela M.

Die Sonne ging über Berlin auf, als Angela ihre neue Kommandozentrale betrat. In Margot Honeckers Büro fühlte sie sich pudelwohl. Beschwingt warf sie ihre Handtasche auf den Besucherstuhl und nahm hinter dem großen Schreibtisch Platz.

Gleich würde sie, wie jeden Morgen, dem Genossen Scholz ein paar Dinge auftragen, damit er über den Tag kam. Düdelüt-düdelüt. Knapp zehn Minuten, dann wusste Olaf, was er zu tun hatte. Auf keinen Fall dem Genossen Putin in den Arm fallen! Den NATO-Beitritt der Ukraine hatte sie doch 2008 nicht verhindert, nur damit man ihr jetzt Waffen lieferte. Und kremlfeindliche Aktionen duldete sie ohnehin nicht. Das musste sie auch noch mal der Annalena klarmachen, die gerade mächtig die Backen aufblies. Angela schaltete den Fernseher ein. Nachrichten aus der Ukraine. Es sah irgendwie nicht gut aus, die russischen Truppen kamen nicht recht voran.

Frank-Walters gespielte Zerknirschung ob der Russland-Politik der letzten zwei Jahrzehnte hatte sie eher amüsiert. „In Putins imperialem Wahn habe ich mich geirrt“. Ha! Dieser Beipackzettelleser, Elektrogriller und Sitzpinkler klebte so an seinem Amt als Grüßaugust, dass er ihr Lebenswerk verleugnete. Das wäre ihr nicht passiert, niemals. Da war sie aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Dass er jetzt trotz seines Einknickens herzlich ausgeladen wurde, ließ sie unwillkürlich schmunzeln.

Gedankenverloren streichelte Angela die Walter-Ulbricht-Büste auf ihrem Schreibtisch. Eigentlich war es unglaublich, was sie erreicht hatte. Der 9. November 1989 war der schmerzhafteste Tag in ihrem Leben gewesen. Sie hatte in der Sauna gesessen und erst später vom Fall des Antifaschistischen Schutzwalls erfahren. In diesen Stunden wuchs in ihr der Hass auf die Urheber dieser Tat, und sie beschloss, Politikerin zu werden.

Den selektiven Rückbau der BRD vorangetrieben

Ihr Plan war von geradezu diabolischer Dimension gewesen: den Klassenfeind von innen heraus zu zerstören, Schritt für Schritt. Zuerst musste der Dicke abgesägt werden, der aus dem 9. November umgehend Kapital schlug und die „Wiedervereinigung“ ins Werk setzte. Als das geschafft war, arbeitete sie achtzehneinhalb lange Jahre daran, die verhasste Bonzenpartei programmatisch zu entkernen und personell auszudünnen. Nach allen Regeln der Kunst auf links zu ziehen. Diese Schwächlinge hatten kaum Widerstand geleistet, ihr stattdessen auf den Parteitagen zehnminütige stehende Ovationen dargebracht. Angelas Geringschätzung für sie hätte nicht größer sein können. Kein Wunder, dass sie den Ehrenvorsitz rundheraus abgelehnt hatte. So zynisch bin ich nun wirklich nicht, dachte Angela.

Während sie erfolgreich das Image der nüchternen, unprätentiösen Physikerin kultivierte, hatte sie die sechzehn Jahre im Kanzleramt genutzt, um Entkernung und selektiven Rückbau der BRD voranzutreiben. Politische Gegner hatten sie zuweilen als „Erichs Rache“ bezeichnet, und sie wussten gar nicht, wie recht sie damit hatten. Ein Lächeln umspielte Angelas schmale Lippen. Zunächst hatte sie sich mit politischen Zwergen umgeben, die dankbar für ihre Posten waren und auf der eigenen Schleimspur ausrutschten. Dann hatte sie mit ihrer Einschläferungstaktik der asymmetrischen Demobilisierung dafür gesorgt, dass die Parteien kaum noch voneinander zu unterscheiden waren und sich die letzten Rechten in eine neue Partei flüchteten – womit sie endgültig in der Falle saßen.

Die Presse hatte bald ihre Rolle als „vierte Gewalt“ abgeschenkt. Kichernd dachte Angela an die Privataudienzen zurück, die sie dieser Journalistendarstellerin im Ersten hin und wieder gewährt hatte. Ach ja, die Medien. Viel fehlte nicht, und man hätte sie mit ihrem Hang zu bunten Blazern und sackartigen Beinkleidern noch zur Stilikone ausgerufen. Privat hatte sie ja nie viel preisgegeben, gerade mal ihr Kartoffelsuppenrezept und ein paar öde Fotos aus dem Urlaub mit dem Eherochen.

Und damit ihr nicht noch die Justiz in die Quere kam, hatte Angela ihren Spezi an der Spitze des Bundesverfassungsgerichts installiert, der winkte nun alles durch, was ihr in den Sinn kam. 

Die Konterrevolution verhindert

Sie konnte immer noch nicht glauben, wie leicht es gewesen war. Sie hatte die BRD vom Ende her gedacht, hatte die Grünen ihre albernen Orchideenthemen beackern lassen, während sie selbst an den großen Stellschrauben drehte. Wie konnte man ein funktionierendes und wohlhabendes 80-Millionen-Land in die Knie gehen lassen? Indem man ihm zuallererst seine Verteidigungsfähigkeit nahm. Den öligen Grafen ließ sie die Wehrpflicht aussetzen, danach hatte sie nur noch ungediente Tanten in den Bendlerbock berufen, die mit der Bundeswehr so viel am Hut hatten wie der Genosse Scholz mit dem Kölschen Karneval. Ein Seebeben am anderen Ende des Planeten hatte sie genutzt, um den Kernkraftwerken den Stecker zu ziehen, die Energiewende und die Abhängigkeit von Russland würden dafür sorgen, dass die Deutschen früher oder später nur noch Zappelstrom zugeteilt bekämen. „Angebotsorientierte Energieversorgung", har har. Mit der Euro-Rettung hatte sie den Anfang vom Ende des Wohlstands eingeläutet, und nicht zuletzt an den Folgen von 2015 ff. ginge das Land sowieso über die Wupper. Am Ende würden sie darum betteln, in den Vereinigten Staaten von Europa aufzugehen, dann war ihr Lebenswerk vollbracht. Vorwärts immer, rückwärts nimmer!

Eine ihrer neun Mitarbeiterinnen, die ihr immer noch zustanden, brachte ihr einen Kaffee. Angela grinste in sich hinein. Konnte es besser laufen? Wobei: Manchmal war ihr das Ganze auch zu viel geworden, sie hatte im Affekt gehandelt, etwa als dieser Schwachmat sein Deutschlandfähnchen schwenken wollte. Das hatte sie auf der Stelle unterbunden, ihm das elende Fähnchen ohne Hammer und Zirkel entwunden und ihm mimisch zu verstehen gegeben: Das geht gar nicht, Freundchen! Und der Blödmann lachte auch noch vor lauter Verlegenheit.

Zum Schluss hatte sie das Deutschlandlied nur noch im Sitzen ertragen. Von wegen „Sauer macht lustig“, den Missmut sah man ihr auf hundert Meter an, da brauchte sie sich keine Bleigewichte in die Mundwinkel implantieren zu lassen. Am Ende war sie doch erleichtert gewesen, endlich aus der Nummer raus zu sein. Nun musste nur noch die Konterrevolution verhindert werden. Zweimal konnte Angela hintertreiben, dass die „ihr nahestehende Partei“ einen Typen wählte, den sie höchstpersönlich beizeiten kaltgestellt hatte. Am Ende war er zwar doch noch ans Ruder gelangt, aber eben zu spät. Er würde kein „Back to the Roots“ wagen, damit wäre er als ewiggestrig erledigt, für dieses politische Klima hatte sie erfolgreich gesorgt.

Auf ganzer Linie gesiegt

Außerdem hatte sie ihren Laden so geschwächt, dass der Genosse Scholz leichtes Spiel hatte. Jetzt würde er ihr Langzeitprojekt vollenden. Notfalls könnten Corona und der Krieg dafür verantwortlich gemacht werden, dass die BRD nunmehr aus dem letzten Loch pfiff. Industrien, die das Land einst starkgemacht hatten, gingen vor die Hunde. Fachkräfte wanderten in Scharen aus und dafür Millionen ein, die vom einst vorbildlichen Sozialsystem nichts mehr übriglassen würden. Ende, aus, Mickymaus.

Angela schenkte sich ein Gläschen Rotkäppchen-Sekt ein. Tja, sie hatte auf ganzer Linie gesiegt. Selbst ihr Erzfeind Fiete sah sich nicht mehr in der Lage, den Leuten noch irgendetwas zu versprechen.

Mit den Maßnahmen zur Eindämmung der Jahrtausendseuche waren die Grundrechte zu „Privilegien“ geschrumpft, war sichergestellt worden, dass Annehmlichkeiten wie die Reisefreiheit jetzt vom Wohlwollen des Staates abhingen. Na und? Gab`s bei uns damals auch nicht, dachte Angela. Es sei denn, man stand auf der richtigen Seite. Ach, es war doch schön gewesen, damals in Moskau. „Aaaah…“ Angela nahm ein Schlückchen vom Zonenschaumwein. Eigentlich könnte sie doch mal wieder den Genossen Wladimir anrufen.

 

Ein Tag im Leben des Karl L. finden Sie hier.

Ein Tag im Leben des Robert H. finden Sie hier.

Ein Tag im Leben des Olaf S. finden Sie hier.

Ein Tag im Leben der Ricarda L. finden Sie hier.

Foto: StopWatchingUs CC0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

netiquette:

Fred Burig / 17.04.2022

@Harald Unger:”.. Fortan wurde das pyknische Trampel als “Mächtigste Frau der Welt” gebauchpinselt.” Genial formuliert! Da müsste einer schon ganz schön was aufbieten, um das anders aussehen zu lassen! MfG

Regina Lange / 17.04.2022

Ich fürchte, da steckt viel Wahrheit drin! Die Frau hatte ein Ziel und das hat sie erreicht, davon bin ich “zutiefst” überzeugt! Wenn man ihre Regierungsjahre und die merkwürdigen “Entscheidungen”, die sie getroffen hat, intensiv Revue passieren lässt,  kann man nur zu dem Schlus kommen, dass Merkel diesem Land nichts Gutes wollte. Ihr übertrieben “freundliches Gesicht” 2015 war nur eines ihrer Meisterstücke! Peu a peu hat sie dem Land immensen Schaden zugefügt.

Gerhard Schmidt / 17.04.2022

Als Kohl die Dame zur Umweltministerin machte, hatte ich schon schwere Bedenken. “Die hat noch Großes vor”, sagte ich und alle hielten mich für bescheuert, so ein tumbes Osthuhn doch nicht…

Karl Dreher / 17.04.2022

So ohne Ende schrecklich böse Satire - und zugleich nicht völlig unrealistisch! Ein ganz hervorragender satirischer Beitrag ... Kompliment!

Christoph Ernst / 17.04.2022

Alles zutreffend. Es fehlt nur Peter D. Sutherland und der Global Compact on Migration…

Esther Braun / 17.04.2022

Leider keine Satire, sondern realistische Bestandsaufnahme. Geschrieben über ein Land, in dem die Realität jede Satire locker aus der Hüfte toppt.

Tobias Kramer / 17.04.2022

Es gab sehr viele kluge Menschen, vorallem aus Ostdeutschland, die frühzeitig vor dieser Frau gewarnt hatten. Ihre Stimmen wurden nicht erhört. Und wie sagte Merkels ideologische Ziehmutter im Geiste, Margot Honecker, kurz vor ihrem Tode: “Ihr werdet euch alle noch wundern.” Naja, wer das “Leichentuch Deutschlands” kannte und ihren politischen Weg über die vielen Jahre verfolgte, wird sich über nichts mehr wundern. Dem Rest wird es wohl erst in vielen Jahren dämmern.

Martin-Michael Kunkies / 17.04.2022

Das das Merkel die Zerstörern der Aufklärung sein wird, habe ich schon Dr. Riesenhuber (CDU MTK) geschrieben,ein aufrichtiger Parteisoldat mit dem mein Papa befreundet war.

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