Roger Letsch / 18.09.2020 / 16:00 / Foto: Tomaschoff / 30 / Seite ausdrucken

Ein Strohhalm ist kein Kindergeburtstag!

Woher haben Journalisten nur diese Obsession für Plastikmüll in Verbindung mit der Grillsaison? „Die nächste Grillsaison soll ohne Einwegplastik stattfinden“, titelt die FAZ und erinnert an das im nächsten Jahr in Kraft tretende Verbot von Einweg-Plastik. „Ob Plastikgabeln für das Picknick oder Plastikstrohhalme für den Kindergeburtstag: Wegwerfprodukte wie diese sollen vom 3. Juli 2021 an nicht mehr verkauft werden dürfen.“ 

Ich weiß, an den Ufern von Main oder Isar mag das ein Problem sein, aber das liegt einerseits an den Menschen, die den Müll dort hinterlassen und andererseits an den großstädtischen Umständen. Vierter Stock, Altbau, kein Fahrstuhl (aber soo schöne, hohe Stuckdecken!), „Auto brauchen und wollen wir nicht“, „Wir machen alles mit dem Fahrrad und Öffis, wir sind schließlich umweltbewusst“ – logisch, dass man da nicht mit Tante Liesels gutem Goldrand-KPM und dem 100 kW Gasgrill „Krakatoa“ anrollen kann, Pappe und Plastik sind fahrradfreundlicher.

Der Müll bleibt am Isarstrand liegen und zurück in der Wohnung spült man für den nächsten Arbeitstag dann wieder den Mehrweg-Coffee-to-go-Becher lauwarm aus, weil man selbstverständlich auf Energieverbrauch und Umweltfreundlichkeit achtet! Es sei denn, man lebt eben nicht in München oder Frankfurt, sondern auf dem Land.

Unser Grillgeschirr war nie aus Pappe, sondern aus Porzellan. Unser Besteck besteht niemals aus Plastik, sondern aus Edelstahl und der Kartoffelsalat kommt nicht von Homann und aus Wegwerf-Plastikdosen, sondern in einer Glasschüssel aus der Küche. So geht Grillsaison! Ganz Wegwerfplastikfrei, immer schon. Sucht euch doch bitte mal ein anderes, allgemeiner zutreffendes Feindbild, liebe FAZ-Redakteure.

Einwegplastik-Strohhalme auf Kindergeburtstagen?

Ich gebe außerdem zu bedenken, dass man schwerlich von „Single Use“ sprechen kann, wenn jeder Strohhalm nach seiner Erstverwendung zum Schlürfen von Himbeerbrause zur zweiten Nutzung den Rhein hinab in die Nordsee schwimmt, um dort eine Robbe zu töten. Das sind ja dann immerhin schon zwei Anwendungsfälle. So dramatisch stellen es uns die Panikverbreiter von der Verbotsfront ja gern dar, obwohl der überwältigende Anteil des Plastikmülls in den Weltmeeren gerade nicht aus europäischen, sondern aus chinesischen und indischen Flüssen kommt. Ja ja, ich weiß schon, was jetzt kommt: „Jeder einzelne Strohhalm im Rhein ist einer zu viel!“ – aber genau diese kompromisslose Form von kategorischem Imperativ, die jedem politischen Aktionismus und jeder Ideologie innewohnt, hat uns auch in die aktuelle Corona-Zwangslage gebracht.

Aber lassen wir das für den Moment, denn folgendes ist noch klarzustellen: Was die Reinhaltung der Meere angeht, hake ich mich (zwar zähneknirschend, aber freiwillig) sogar bei Hofreiter und Baerbock unter und verfolge begeistert jede Idee, das Plastik, das in den Ozeanen nichts verloren hat, zu entfernen oder gleich ganz zu vermeiden.

Das bevorstehende Plastikverbot in der EU erinnert mich jedoch in seiner Sinnlosigkeit an den Mann, der nachts unter einer Laterne am Boden kniet und seine Schlüssel sucht. Ein anderer Mann kommt hinzu und fragt: „Sind Sie sicher, dass Sie die hier verloren haben?“ – „Nein, da drüben. Aber da ist es zu dunkel zum Suchen!“ Das Verbot von Einwegplastik in Europa ist genauso nutzlos. Dort, wo es hingegen tatsächlich in gewaltigen Mengen anfällt, schaut die EU weg.

Und noch was, liebe FAZ … glaubt ihr ernsthaft, dass deutsche Kinder, die in der Schule lernen, dass CO2 ein Gift ist, die Plastik für Teufelszeug halten und die zwar kaum etwas über Energieerhaltungssätze, Energieeffizienz oder Photosynthese lernen, aber bereits die zweite Klasse mit einem Diplom „richtig lüften, Müll trennen und Energie sparen“ verlassen, heute noch Plastikstrohhalme auf ihren Geburtstagspartys dulden? Die saugen ihre Himbeerbrause doch längst aus ökologisch katastrophal schlechteren Bambusröhrchen, auch wenn sie so nach Zimt oder Gras oder sonstwas schmeckt oder sie schlagen sich an „Glasstrohhalmen“ die Zähne aus. Plastikstrohhalme würde Generation „Kindergeburtstag 2020“ nur noch verwenden, um ihren unbelehrbaren Eltern die Augen auszustechen – was sie natürlich am Ende doch nicht tun, denn wer soll sie denn sonst freitags im SUV zur F4F-Demo fahren.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.

Foto: Tomaschoff

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B. Ollo / 18.09.2020

@John Spartan, um auf die Idee zu kommen, das Vermüllen der Meere durch das Verbot von Plastik-Strohhalmen zu verhindern, muss man wohl seit vielen Jahren sehr durstiger Stammkunde in Cocktail-Bars oder bei McDonalds sein. Zugegeben: In dem Fall würde es sich auch wirklich lohnen, sich einen Mehrweg-Strohhalm zu besorgen. Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal einen Strohhalm benutzt habe. So weit reicht meine Erinnerung gar nicht.

B. Ollo / 18.09.2020

Sowas von zutreffend, der Artikel! Man muss sich nur anschauen, wer in Deutschland zu dieser ominösen Party- und Eventszene gehört, die in den Städten nachts “feiern” und am nächsten Morgen vermüllte Parks und Plätze zurücklassen. Das sind ausschließlich diese jungen Leute, von denen es heißt, die würden ja alle Grüne wählen. Aber Grünen-Wähler und Mitglieder sind ja sowieso sehr speziell, wie der eine z.B., der öffentlich meinte, er bräuchte Verbote, damit er sein Verhalten ändert. Dabei ist es längst verboten, seinen Müll einfach auf den Boden zu werden, teilweise richtig teuer. Es wird nur nicht flächendeckend verfolgt und kontrolliert. Warum? Weil die selben Grünen, die Verbote wollen in den selben Parks auch die Polizei an Kontrollen hindern.

Wolfgang Nirada / 18.09.2020

Es kommt noch soweit dass den Deutschen der Verzehr von Fledermäusen verboten wird damit nicht alle Länder rund um den Erdball in den Ruin getrieben werden wenn da völlig unerwartet ein kleiner Virus von der Grillplatte hüpft… Übrigens falls jemand Wattestäbchen oder Strohhalme braucht - ich habe die ganze Garage voll… Keine Abgabe an linksgrüne Polidioten…

Claudius Pappe / 18.09.2020

Schaue momentan die Tour de France. Die Kommentatoren ( Eurosport+ ARD+ ONE) überbieten sich darin über den Umweltschutz zu reden. Bei fast jeder Flasche, Umhängebeutel oder Verpackungspapier, den ein Fahrer außerhalb der ” Müllentsorgungszonen” wegwirft, gibt es mahnende Kommentare. ( bitte nicht nachmachen-schützt die Wale-vor 2 Jahren)  Die ARD ist besonders mit mahnenden Kommentaren unterwegs. Umweltverschmutzung durch die Menschen, Auto- und Motorradkaravane. Frage zur Gleichberechtigung, weil es keine Frauen Tour de France gibt. Zuschauerfrage : Aus der Ökostadt Freiburg fragt ein Zuschauer; Warum werden keine Batteriefahrzeuge statt Verbrennermotoren verwendet ? Kleinlaute Antwort: Weil die Reichweite zu gering ist…....PS Fahrer, die als Umweltsünder erwischt werden, zahlen 200-500 Franken Strafe.

Walter Ernestus / 18.09.2020

Herr Letsch nur eine Frage, ich weiß es wirklich nicht: Wenn alles Plastik verboten wird, kommt dann das waschbare Kondom aus Naturdarm? (ich glaube sowas gab es schonmal) Wer in Berlin an bestimmten Orten sich umschaut, sieht dort keine Plastikröhrchen,-Teller etc. nein sondern gebrauchte Kondome. Auch Robben werden diese nicht nutzen wollen. Also los in die Plastikfreie Zeit!

beat schaller / 18.09.2020

Corona lässt grüssen mit all den Platic-Trennwänden und Abschrankungen, mit Schutzmasken,  den Spuckschilden an jeder Kasse, an jeder Theke, in jedem Restaurant, in jedem Konferenzzimmer, in jedem Büro. Die Unmengen an Lebensmittel, die aus hygienischen Gründen abgepackt und eingeschweisst, und teilweise wegen Haltbarkeit begast sind und vieles mehr. Das ist aber alles längst vorgeschrieben, darum stört es nicht. Man muss sich wieder mal auf eine kleine Gruppe konzentrieren, damit der Druck der Umerziehung sichtbar ist, es aber nur eine kleine Gruppe trifft. Jeder Snack der in den Städten, in der Nähe von Unis oder Schulen sind oder dort wo es viele Arbeitsplätze gibt,  verpackt all die Fertiggerichte, Selbstverständlich Bio, in Plasticschalen. Entsorgt wird das jeweils von der Stadtreinigung. Die Zeiten vom Pausenbrot und dem Apfel sind längst vorbei. Übrigens, wenn ich gerade mal keine Maske dabei habe, dann muss ich mich nur bücken und schon hab ich eine. Locker bleiben sag ich. b.schaller

Michael Sondermann / 18.09.2020

Tja, ist eine traurige Sache. 44 Jahre war ich begeisterter Abonnement der FAZ. Hielt sie für die beste Zeitung, die es gibt. Seit ein paar Jahren hat sich das völlig verändert. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, nur noch purer Mainstream. Habe sie zum Ende dieses Monats abbestellt. Ein Lebensabschnitt ist zu Ende. Oh, quae mutatio rerum.

Ilona Grimm / 18.09.2020

@John Spartan: Haargenau so kenne ich das auch – von Kindesbeinen an bis heute! Noch nie habe ich mit Plastikbesteck von Plastikgeschirr gegessen; das erachte ich als unwürdig. Bratwurst in der Semmel, das geht; aber Plastik beim Essen ging noch nie. Die grünlinke Brut setzt sich (von Ausnahmen abgesehen) aus Umweltsäuen zusammen: Weltmeister bei Flugreisen, dicke SUVs, Kaminöfen im Haus, offene Brennstellen im Garten, bei FFF-Demos tonnenweise Dreck hinterlassen u.s.w. Wenn alle hinsehen, wird mit dem Fahrrad zum Briefkasten gefahren. Aber zum Einkaufen im Bioladen muss dann wieder der SUV her. Gern wird auch mal schräg über zwei Plätze hinweg geparkt oder so, dass kein Fußgänger mehr zur Ladentür durch kommt. Pharisäer, wohin das Auge schaut.

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