Das absehbare Scheitern ihrer Klimaschutz-Pläne beim G-8-Gipfel ist nicht die erste Pleite, die Kanzlerin Merkel in ihrer Eigenschaft als weltpolitische Visionärin erlebt. Auch von ihrer vor Monaten emphatisch eingeläuteten Nahost-Initiative ist nichts übrig geblieben. In Zukunft sollte sie die Fallstricke des deutschen Idealismus meiden.
Angela Merkels Versuch, die Teilnehmer des G-8-Gipfels auf das Klimaschutz-Ziel von nur zwei Grad Erderwärmung bis 2050 einzuschwören, ist offensichtlich schon im Vorfeld gescheitert. Der US- Klimachutzbeauftragte James Connaughton sprach deutlich aus, was keineswegs nur für die Bush-Regierung, sondern auch für die meisten anderen beteiligten Regierungen feststeht: „Das Zwei-Grad-Ziel ist eines, das die Europäische Union sich vorgenommen hat, aber es ist keines, das irgend ein anderes Land bereit ist zu übernehmen.“ [...]
Noch hat die offensichtliche Fallhöhe zwischen emphatischen Ansprüchen und bescheidenen Ergebnissen das außenpolitische Ansehen der Lichtgestalt Angela Merkel nicht beschädigt. Nach dem G-8-Gipfel und dem Platzen der klimapolitischen und manch anderer (vielleicht der afrikapolitischen?) idealistischen Seifenblase könnte das schon anders aussehen. Die Kanzlerin sollte daraus rechtzeitig ihre Lehren ziehen. Wir brauchen und schätzen Angela Merkel als umsichtige und pragmatische, gleichwohl von klaren Wertüberzeugungen geleitetete Realpolitikerin. Als Prophetin einer lichten Menschheitszukunft und Visionärin einer harmonisierten Welt made in Germany ist sie aber eine Fehlbesetzung.
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