Rainer Bonhorst / 12.01.2025 / 16:00 / Foto: Imago / 3 / Seite ausdrucken

Ein sprachliches Schnellgericht über Wolfram Siebeck

Wolfgang Siebeck hat es mir leicht gemacht, weil er etwas konnte, was bei einem schreibenden Menschen nicht ganz unwichtig ist: Er konnte schreiben. Lecker, locker, leicht und intelligent.

Hier mal eben ein sprachliches Schnellgericht. Gerade habe ich – mit Vergnügen – die posthum erschienene Autobiografie von Wolfram Siebeck gelesen. Gleich danach habe ich eine Dosensuppe von Rewe geschlürft. Das hätte mir möglicherweise auch der „Fresspapst“ gestattet. Denn er hat selber mal geschrieben, dass er nach Stunden feinster Kochschulung mit Heißhunger über eine Portion Bratkartoffeln hergefallen ist. Die Bratkartoffeln, bei denen er Hand angelegt hat, waren sicher besser als mein industrielles Bihun-Süppchen. Aber was soll's. Es geht ums Prinzip, das auch Siebeck, wie er in seinem Buch schreibt, gelten ließ: Man kann nicht tagaus, tagein, von morgens bis abends haute cuisine zu sich nehmen.

Wolfram Siebeck hat viele Freunde und viele Feinde, weil er als Genuss-Pionier uns Deutschen die feine Küche unter die Nase gerieben hat. Die einen rümpfen dieselbe, weil sie ihn für einen Küchen-Snob halten. Die anderen mögen ihn, weil sie dank seiner Texte gutes Speisen mit guten Weinen für sich entdeckt haben. Ihnen – wie mir – hat Siebeck es leicht gemacht, weil er etwas konnte, was bei einem schreibenden Menschen nicht ganz unwichtig ist: Er konnte schreiben. Lecker, locker, leicht und intelligent. So machte er einem das Genießen schmackhaft. Auch mir, obwohl ich über die leicht angehobene Küche und mittlere Weinkenntnisse nicht hinausgekommen bin. Aber als Nichtpuritaner gönne ich allen, die dank Siebeck die Stufe des Hochgenusses erklommen haben, ihr Vergnügen.

Anders als seinerzeit der Schriftsteller Günter Herburger, der in einem linksstrengen Gedicht geschrieben hat: „Einfach Wolfram Siebeck verbieten.“ Und dann hat er die Bahnhofsgaststätte von Würzburg empfohlen. Siebeck erinnert in seinen Buch daran, wie er daraufhin das Bahnhofslokal besucht und wie einen kulinarischen Tempel getestet hat. Eine von vielen köstlichen Geschichten, die er zu Lebzeiten in Büchern und viele Jahre lang in seinen Kolumnen in der Zeit und im Stern veröffentlicht hat. Lange gar nicht als Kulinar sondern als Satiriker im Stile des amerikanischen Kolumnisten Art Buchwald.

Er wechselte das Fach vom Zeichner zum Schreiber

Kulinarisch hat er ganz klein angefangen. Als Flakhelfer (Jahrgang 1928) begleitet von Gulaschkanonen und weitgehend verlassen von seinem nationalsozialistisch gesonnen Vater. Sein spannendes Leben, das jetzt unter dem Titel Ohne Reue und Rezept nachzulesen ist, verdankt er seinem Talent. Anfangs als Zeichner bei der Westdeutschen Allgemeinen (WAZ) im Ruhrgebiet, wo er geboren wurde und bei der auch ich lange tätig war, ohne dass wir uns begegnet sind. Begegnet sind wir uns in Augsburg, wo er mit Günter Holland, meinen Chef und Herausgeber der Augsburger Allgemeinen befreundet war. Verstorben sind sie beide, kongeniale Freunde des feinen Geistes und des feinen Weines. 

Siebeck wechselte das Fach vom Zeichner zum Schreiber und dann nochmal zum spezialisierten Schreiber über gutes Essen und Trinken. Seine Erinnerungen leben von den vielen Begegnungen mit Prominenten aller, vor allem kultureller Art, die ihm Freunde oder auch Gegner wurden. Oder auch, wie Herburger, von Gegnern zu Freunden. Oder wie Loriot von Freunden zu Entfreundeten, weil Siebeck dem genialen Humoristen den Titel Satiriker verweigert hat, den Vico von Bülow für sich in Anspruch nahm. Ein Kritiker des Siebeck-Buchs schrieb von name dropping. Stimmt. Aber Namen – eine alte Journalisten-Regel – sorgen für die Würze in der Suppe.

Den Text hat Jahre nach Siebecks Tod seine Frau Barbara in einer Archiv-Kiste entdeckt. Er war nicht zur Veröffentlichung überarbeitet, was man trotz einer gewissen Nachbereitung merkt. Aber man muss ja – wie in vielen Büchern - nicht jede Zeile lesen. Auch nicht die politischen, in denen er sich gehoben links gibt, oder, wie er es mal beschrieben hat, als genießender Linker. Man nennt das auch links reden und rechts leben, eine unter Schreibern weit verbreitete, der Lebensfreude zuträgliche Haltung. Und schreiben konnte er. Genussvoll, also auch genussvoll für den Leser. Und darauf kommt es, finde ich, beim Schreiben und Lesen nun mal an. 

Wolfram Siebeck: Ohne Reue und Rezept. Mein Leben für den guten Geschmack. 240 Seiten. Schöffling & Co. 26 Euro 

 

Rainer Bonhorst, geboren 1942 in Nürnberg, arbeitete als Korrespondent der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in London und Washington. Von 1994 bis 2009 war er Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen-Zeitung.

Foto: Imago

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Leserpost

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Horst Kruse / 12.01.2025

Siebeck war ein arroganter Pinsel , aber sehr stilsicher .

Sam Lowry / 12.01.2025

Bei mir gibts heute selbstgemachte holländische Frikandel aus Wagyu mit fett Mayo und Zwiebeln. Dazu werden Pommes gereicht. Man gönnt sich sonst nix…

Nico Schmidt / 12.01.2025

Sehr geehrter Herr Bonhorst, seine Rezepte begleiten mich, dem Spätberufenen, immer in der Küche. Ob nun links oder rechts, es schmeckt. Mfg Nico Schmidt

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