Roger Letsch / 10.04.2022 / 12:00 / Foto: Pixabay / 47 / Seite ausdrucken

Ein Sieg für die Freiheit – Analyse der Impf-Abstimmung

Die Abstimmung über die Lauterbachsche Impfpflicht belegt meiner Meinung nach die These, dass der politische Graben längst nicht mehr so deutlich zwischen Links und Rechts verläuft, sondern zwischen Etatismus und Freiheit.

Der Pulverdampf der Bundestagsabstimmung über die Impfpflicht ist noch nicht verflogen, da irrlichtern deren Apologeten schon wieder mit Horrorprognosen durch die Medien und stoßen wüste Drohungen aus. Dann müsse man eben wieder mit der Maske leben, das habt ihr jetzt davon! Die Drohung mit neuen Lockdowns wird von den verzweifelten Fans der Zwangsimpfung geradezu als Naturgesetz hingestellt, als wären es nicht vielmehr politische Kräfte, die uns solche Maßnahmen einbrocken und als Begründung dafür auf jene mit dem Finger zu zeigen, die Kritik äußern. Das Entsetzen über die krachende Ablehnung des Ampelpapiers mit dem verharmlosenden Namen Antrag der „Gruppe Baehrens/Janecek u.a.“ stand nicht nur dem Strippenzieher Lauterbach und Emilia „kollektive Freiheit“ Fester im Gesicht geschrieben – letztere glaubt nun weiter, wegen der Ungeimpften keine Unbekannten abknutschen zu dürfen – nein, auch beim live übertragenden ZDF und der ergebnisverlesenden Sitzungsleiterin Özoğuz lagen die Nerven blank. Die zu jedem Beifall bereite AfD-Fraktion handelte sich ob ihrer ausgelassenen Stimmung gleich mal einen bitteren Kommentar ein. Mehr Ernsthaftigkeit, bitte!

Ein Tag zum Feiern war es und ein seltener noch dazu. Denn wann findet sich unsereins schon mal auf der Seite einer deutlichen Mehrheitsmeinung im Bundestag wieder? Zwar bin ich nur gebremst optimistisch, dass wir der staatlichen Kontrolle unserer Körpersäfte auch langfristig entrinnen können, aber man muss die Feste feiern, wie sie fallen, und wenn sich diese „Koalition der Unwilligen“ über das gesamte parlamentarische Spektrum erstreckt, umso besser. Doch nach dem Feiern lohnt sich ein genauerer Blick in diese Abstimmung. Und zwar nicht in den verhandelten Vorschlag, dazu ist alles gesagt. Sondern auf die Parlamentarier selbst und hier wiederum besonders auf die Abweichler der jeweiligen Parteilinien. Denn auch wenn es für die Abstimmung eine Lockerung des sogenannten „Fraktionszwangs“ gab, kann man doch davon ausgehen, dass im Hintergrund sehr viele Gespräche und Proben durchgeführt wurden, um mögliche Abweichler auf Linie zu bringen. Und da die Abstimmung namentlich war, muss immer damit gerechnet werden, dass Renitenz nicht vergessen wird.

Es war ein Vorschlag der SPD-Fraktion und der Grünen, die FDP hatte sich schon im Vorfeld gegen eine Impfpflicht in dieser Form erklärt. Ebenso klar waren Linke und AfD dagegen. Alle Impffreunde, die auch Anhänger der sogenannten Hufeisentheorie sind, hatten also einen guten Tag.

Abwesend

Insgesamt waren 51 Abgeordnete bei der Stimmabgabe abwesend. Die jeweiligen Gründe dafür konnte ich nicht in Erfahrung bringen. (Mindestens zwei Parlamentarier fehlten, weil sie wegen eines positiven Corona-Tests in Quarantäne waren, die Red.) Ein Blick auf die jeweilige Parteizugehörigkeit der Abwesenden lässt aber Vermutungen zu. Es fehlten SPD:13, Grüne:7, FDP:6, AfD:4, Linke:2, fraktionslos:1. Das entspricht ziemlich genau dem Größenverhältnis der Fraktionen, mit einer Ausnahme. Bei der Union fehlten 18 Abgeordnete, also mindestens sechs mehr, als es der Fraktionsproporz nahelegen würde. Doch warum? War man sich so sicher, dass da nichts anbrennen konnte? War das Thema am Ende doch nicht ganz so wichtig? Wir können nur spekulieren. Natürlich kann es reiner Zufall sein, dass die fehlenden Abgeordneten im Verhältnis sehr gut der Größe der Fraktionen entsprechen, doch daran mag ich nicht glauben. Dass die AfD zumindest auf dieser molekularen Ebene in das parlamentarische Spiel eingebettet zu sein scheint, ist offensichtlich. Vermutlich hält sich die Empörung der Ampelparteien und der Union darüber in Grenzen.

Die Abweichler

Der Zufall wollte es, dass es jeweils 16 Abgeordnete waren, die von der jeweiligen Linie ihrer Partei abweichend abstimmten. Neun Abgeordnete der SPD und sechs bei den Grünen stimmten mit NEIN, zwei von der CDU, fünf von der FDP und sieben von den Linken gegen ihre Fraktionen mit JA. Weder aus der Herkunft, dem Bundesland noch dem Beruf ließen sich Schlüsse darauf ziehen, was dazu geführt haben könnte. Eine reine Gewissensentscheidung, so sah es aus. Und so sollte es ja auch sein, oder? 

Aber es gab Auffälligkeiten bei der Frage, ob die Abweichung in Richtung JA oder NEIN in Sachen Impfpflicht ausging. Hier verlasse ich den Bereich gesicherter Fakten und begebe mich in den Raum der statistischen Spekulation. Nehmen Sie meine Aussagen also mit der nötigen Skepsis. Die Ja-Abweichler sind im Durchschnitt älter (54 Jahre) als die Nein-Abweichler (47 Jahre) und haben mit einem Mittelwert von 1,1 auch weniger Kinder als die die Impfpflicht ablehnenden Abweichler (1,5). Sollte die Vermutung etwa doch eine Rolle gespielt haben, dass dieses Gesetz nur der Toröffner für immer weiterreichende Impfpflichten letztlich auch für Kinder gewesen sein soll? Wer Kinder hat, entscheidet ja nie für sich allein.

Noch deutlicher und nicht auf den ersten Blick zu verstehen ist die Verteilung der Direktmandate in den Gruppen. Unter den Nein-Sagern in dieser kleinen Stichprobe waren es 56 Prozent (bei der SPD sogar acht von neun), während nur ein einziger Ja-Abweichler ein Direktmandat hat: Kai Whittaker von der CDU. 

Bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass der Fraktionsdruck auf Abgeordnete, die über Landeslisten ins Parlament kamen, eine hohe Konformität erzeugt. Bei den Merkel-Abstimmungen vergangener Jahre konnte man das gut beobachten. Ohne Hausmacht bleibt dir nur die Partei und wer möchte schon für die nächste Wahl seinen Listenplatz gefährden? Doch in diesem Fall muss noch etwas anderes wirken, was der Fraktionsdisziplin im Weg steht. Was härtet ab gegen die Kritik aus der eigenen Partei, was macht unangreifbar? Gerade bei den Grünen Nein-Sagern ist mir das nicht ganz klar, von denen hat nur Canan Bayram ein Direktmandat und nicht jeder kann wie Tessa Ganserer im Konfliktfall beweisen, wirklich Eier zu haben. Ganserer hat begriffen und perfekt instrumentalisiert, dass sich innerparteiliche Kritik mühelos ins transphobe Gleis schieben lässt, und hat damit gewissermaßen das Kryptonit der egalitätsbesoffenen Grünen in der Hand. Glückwunsch dazu!

Im Durchschnitt jedenfalls scheint der Kontakt zu einem Wahlkreis, in dem man verwurzelt und bekannt ist, die Skepsis gegenüber der ideologisch durchseuchten Luft im Berliner Regierungsviertel zu fördern. Geht man in der Betrachtung der gescheiterten Impfpflicht eher vom Menschen aus, landet man unter den gegebenen Umständen (Selbstbestimmung, Wirksamkeit der „Impfstoffe“, Gefährlichkeit des Virus, Belastung des Gesundheitssystems) zwangsläufig beim Nein. 

Und so verwundert es nicht, dass sich auf der Seite des „JA“, wo jedes Problem von der Seite eines eifersüchtig nach Bedeutung und Selbstvergewisserung suchenden Staates her betrachtet wird, Leute wie Anke Domscheit-Berg, Bernd Riexinger, Susanne Hennig-Wellsow (alle von der Linken) und Marco Wanderwitz (CDU) in trauter Hufeisengemeinschaft wiederfinden. Kolben müssen gedrückt werden für den Sieg. Sie können einfach nicht anders, als vom Standpunkt des allmächtigen und allzuständigen Staates aus zu denken.

Die Abstimmung über die Lauterbachsche Impfpflicht belegt meiner Meinung nach die These, dass der politische Graben längst nicht mehr so deutlich zwischen Links und Rechts verläuft, sondern zwischen Etatismus und Freiheit. Diesmal hat die Freiheit gewonnen und mir ist gerade herzlich egal, welche Farben sie trägt.

 

Foto: Pixabay

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Heike Olmnes / 10.04.2022

So gerne ich auch Ihre Texte lese, Herr Letsch, die “zu jedem Beifall bereite AfD” ist eine verbale Entgleisung. Nicht zuletzt dieser Partei verdanken wir, dass uns die lebensgefährliche Impfpflicht erspart bleibt. Angesichts der unverschämten Diffamierungen dieser demokratisch gewählten Partei ist es verständlich, dass sie ihrer Freunde freien Lauf lässt. Auch ich hätte Standing Ovation gegeben. Oder ist Ihnen das theatralische Haare raufen der unterirdischen politischen Zumutung Emilia Fester lieber?

Steffen Huebner / 10.04.2022

Etwas Wasser in den Wein: Eindeutig gegen ein Impfpflicht sprachen sich nur die Anträge der AfD und der Gruppe um Kubicki aus, keiner bekam aber keine Mehrheit. Eine Mehrheit im Bundestag erzielten dagegen die Impfbefürworter, konnten sich aber zum Glück nicht auf einen Vorschlag einigen. Inzwischen arbeitet man an der verbindlichen Impfpflicht via EU - Lauterbach hat die Giftbrühe mal schon bis 2029 bestellt. +++ Übrigens ist der russische Rechtsaußen Wladimir Schirinowski an einer Lungenembolie gestorben. Er war achtfach (!) geimpft (RT). - Dumm gelaufen…

Michael Lorenz / 10.04.2022

Man sollte gut in acht behalten, dass das angeblich “beste Deutschland, dass es je gab”, ganz kurz davor war, uns allen das elementarste Menschenrecht abzusprechen, das es gibt: das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Das ist für mich auf ewig durch absolut nichts zu entschuldigen! Insbesondere, wenn man noch hinzunimmt, dass man dabei zu einer neueren Gentherapie verpflichtet werden sollte, und nicht zu einer Impfung mit unwirksam gemachten Erregern, so wie bei der jährlichen Grippe-Impfung. (Interessanterweise gibt es sehr wohl einen solchen Impfstoff, der aber innerhalb Europas nur in der Türkei verimpft wird! Wie das wohl kommt?) - Nein, hier wurde versucht, Menschheitsverbrechen vorzubereiten, und das gehört vor einem internationalen Gericht aufgearbeitet!

Andreas Müller / 10.04.2022

Bei SPD, Grünen und Linken stimmten 44 Abgeordnete gegen die Impfpflicht.  Bei CDU, FDP und AFD waren es 331 Abgeordnete. Erstaunlich, daß Sie angesichts dieser Zahlenverhältnisse zu dem Ergebnis kommen, der Graben verlaufe nicht mehr so sehr zwischen Links und Rechts, auch wenn die Haltung der CDU eine Impfpflicht nur aktuell ausschließt.

A. Norden / 10.04.2022

Die Ergebnisse lassen sich auch noch filtern nach Geschlecht bzw. Alter. Frauen waren überwiegend für die Impfpflicht (144 ja, 90 nein), Männer überwiegend dagegen (152 ja, 288 nein). Die Altersgruppen 18-29 und 30-39 überwiegend dafür, über 40 Jahre dagegen.

Thomas Kache / 10.04.2022

Keine Angst, Herr Letsch. Mit dem aktuellen „Infektionsschutzgesetz“ haben die mit dem Klammersack gepuderten noch ausreichend Folterwerkzeuge in der Hand, um dem steuerzahlenden Trottel da draußen gehörig das Leben zu vermiesen. Die Ablehnung der Impfpflicht durch das Parlament gauckelt dem „Pack“ nur so etwas wie „Demokratie“ vor. Was ein richtiger Klabauterbach ist, der gibt nicht so schnell auf. Oder denken Sie wirklich, das der bevorstehende Lockdown im kommenden Herbst die dann einsetzende Hexenverfolgung auf die „Ungeimpften“ nicht von der Propaganda aus dem Bundeskabinett angeheizt werden wird? Gebe Gott, das ich Unrecht haben möge.

Siegfried Schwarzl / 10.04.2022

Zum groß Feiern finde ich das Ergebnis leider nicht. Beide Anträge gegen die Impfpflicht (Kubicki und AfD) fanden nur wenige Befürworter. Das heißt im Klartext: der Bundestag ist mehrheitlich für eine Impfpflicht. Man konnte sich jetzt bloß aus rein parteitaktischen Gründen nicht einigen. Solange Karlchen noch das Maul aufreißen darf, wird es in diesem Land keine Normalität geben.

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