Donald Trump, ein Mann mit Elefantengedächtnis, zieht jetzt mit den Zöllen durch und alle sind erschrocken. Eine Überraschung ist das nicht, denn der US-Präsident hatte es schon lange angekündigt.
Aus Sicht von Donald Trump ist die Kette der europäischen Verfehlungen lang, sehr lang.
Jahrzehnte setzten die Europäer auf den US-Schutz und demonstrierten gleichzeitig eifrig wie dämlich gegen eben diesen Schutz. Irre, aber wahr.
2013 begann besonders in Deutschland eine Kampagne gegen den befreundeten US-Nachrichtendienst NSA, weil dieser nicht nur die Feinde, sondern auch die Freunde ausspioniert hat. Vergessen wurde allerdings, dass es die US-Amerikaner waren/sind, die vor allem die wichtigsten Hinweise auf terroristische Attacken lieferten bzw. hoffentlich noch liefern. Stattdessen gewann man den Eindruck, die NSA sei für Deutschland gefährlicher als FSB/KGB aus Russland. Der Antiamerikanismus feierte fröhliche Urstände, dem Putinismus wurde damit der Boden gedüngt.
Ab 2015 wurde Donald Trump von der EU und besonders von deutschen Mittelmäßlern, wie Heiko Maas, wie ein Idiot behandelt. Auch zum Gefallen der deutschen Kanzlerin. Nun ist Donald Trump erneut Präsident und er ist nicht nur wütender als in seiner ersten Präsidentschaft, inzwischen paarte er seinen Ärger mit Gnadenlosigkeit gegenüber den angeblichen Freunden. Das hätten diese Transformationseuropäer vorher wissen können, hätten sie wirklich nachgedacht. Was sie heute noch nicht tun.
Nun also seine Zölle. Der Hühnerhaufen EU bekommt Schnappatmung. Erinnert sich vielleicht noch jemand an das geplante Freihandelsabkommen TTIP, über das vor zehn Jahren die EU und die USA noch verhandelt wurde?
Trump erfüllte linke Träume
Die Verhandlungen über TTIP, was für Transatlantic Trade and Investment Partnership stand, begannen 2013 mit dem Ziel, Handel und Investitionen zwischen den beiden Wirtschaftsräumen zu erleichtern, Zölle abzubauen und regulatorische Standards zu harmonisieren. Die Verhandlungen wurden jedoch 2016 weitgehend eingestellt und unter der Trump-Administration 2017 offiziell auf Eis gelegt.
Als Donald Trump damals den Schlussstrich zog, waren vor allem viele sogenannte NGOs, Globalisierungsgegner, linke Politiker und viele Medienschaffende vollkommen schockiert, denn der US-Präsident tat genau das, was sie immer gefordert hatten. Jahrelang gab es Kampagnen und Demonstrationen gegen TTIP und jetzt erfüllte ausgerechnet dieser rechte Präsident die linke Forderung.
Danach war TTIP schnell vergessen und offenbar auch, wie Donald Trump schon in seiner ersten Amtszeit wirtschaftspolitisch auftrat. Sonst dürfte jetzt niemand so erkennbar ohne eigenes Konzept dastehen. Aber die EU kann auch schlecht den Verteidiger des Freihandels geben, denn sie arbeitet ja ebenfalls mit protektionistischen Mitteln.
All das, worüber so große Aufregung herrscht, konnte man doch vorher wissen, oder? Am 17. Juli 2018 schrieb ich in meinem Artikel „Festung Europa“:
„Da hilft aus Trumps Sicht nur „Rette sich wer kann!“ und die Suche nach scheinbar verlässlicheren Partnern und seien diese noch so krude. Zumal es die Europäer waren und sind, die den US-Schutz immer in ihrer Kalkulationsliste stehen hatten und gleichzeitig, wo es nur opportun schien, den US-Amerikanern anti-amerikanische Salmonellen ins tägliche Frühstücksei fallen ließen. Was allein der merkwürdige Umgang mit TTIP zu Obamas und jetzt zu Trumps Zeiten nachdrücklich unter Beweis stellt: Hauptsache gegen TTIP, nur weil es ein Vertragswerk mit den Vereinigten Staaten ist/war? Obwohl gerade die Umweltgesetze in Übersee viele europäische Bestimmungen in den Schatten stellen? Und jetzt, mit Trump an der US-Spitze? Der Mann wird für seine Gegnerschaft zu Verträgen wie TTIP ausgerechnet von Leuten gescholten, die vorgestern noch gegen TTIP auf die Straße gingen und Sigmar Gabriel (damals Wirtschaftsminister) wegen seiner TTIP-Bejahung symbolisch unter eine Guillotine legten.
Wer ist denn nun verrückter? Trump oder große Teile des europäischen Gut-Adels, der auf die Trumps dieser Welt wie ein hilfloser Hühnerhaufen wirkt?“
Ich fühle mich sieben Jahre später bestätigt.
Gunter Weißgerber (Jahrgang 1955) trat am 8. Oktober 1989 in das Neue Forum ein und war am 7. November 1989 Gründungsmitglied der Leipziger SDP. Für die SDP/SPD sprach er regelmäßige als Redner der Leipziger Montagsdemonstrationen 1989/90. Er war von 1990 bis 2009 Bundestagsabgeordneter und in dieser Zeit 15 Jahre Vorsitzender der sächsischen Landesgruppe der SPD-Bundestagsfraktion (1990 bis 2005). Den Deutschen Bundestag verließ er 2009 aus freier Entscheidung. 2019 trat er aus der SPD aus. Die Gründe dafür erläutert er hier. Er sieht sich, wie schon mal bis 1989, wieder als “Sozialdemokrat ohne Parteibuch”. Weißgerber ist studierter Ingenieur für Tiefbohr-Technologie. Er ist derzeit Unternehmensberater und Publizist.