Prominente sächsische CDU-Politiker, darunter der ehemalige stellvertretende Vorsitzende der CDU-CSU-Bundestagsfraktion Arnold Vaatz, sprechen sich in einem Brief vehement gegen einen Pakt mit der "Neobolschewistin" Sahra Wagenknecht aus. Eine Koalition in Sachsen wäre "ein Schlag ins Gesicht der friedlichen Revolution und vieler ihrer noch lebenden Repräsentanten".
Dieser offene Brief wurde heute um 11:00 Uhr an den Landesvorstand der sächsischen CDU und die Presse abgeschickt. Achgut.com dokumentiert ihn hier:
Sehr geehrte Parteifreunde,
die Meldungen verdichten sich, wonach die CDU Sachsens eine Koalition mit dem „Bündnis Sahra Wagenknecht“ eingehen will. Eine solche Koalition lehnen wir ab und fordern Sie auf, nach den Regularien der sächsischen Verfassung eine CDU-Minderheitsregierung anzustreben.
In den Augen der Vorsitzenden und Namengeberin des „Bündnisses Sahra Wagenknecht“ war die friedliche Revolution von 1989 eine Konterrevolution. Die Verteidigung von Mauer und Stacheldraht ist aus ihren Äußerungen in den neunziger Jahren als Sprecherin der Kommunistischen Plattform stets herauszuhören. Honecker war ihr zu liberal. Ihre Idole waren Ulbricht und Stalin. In den „Weißenseer Blättern“ unter dem Titel „Marxismus und Opportunismus – Kämpfe in der Sozialistischen Bewegung gestern und heute“ schrieb sie 1992: „Die Geschehnisse jenes Zeitabschnitts gaben Lenin und den Bolschewiki das unzweifelhafte historische Recht, ihr politisches Konzept als das einzig gangbare zu betrachten“. Und: „Nicht zu leugnen ist, daß Stalins Politik – … wohl auch in ihrer Herangehensweise – als prinzipientreue Fortführung der Leninschen gelten kann“. Ferner: „Was immer man … gegen die Stalin-Zeit vorbringen mag, ihre Ergebnisse waren jedenfalls nicht Niedergang und Verwesung, sondern die Entwicklung eines über Jahrhunderte zurückgebliebenen Landes in eine moderne Gesellschaft“. Frau Wagenknecht argumentierte so als mündige Frau. Wir hielten dies nicht für erwähnenswert, wenn dies eine gedankliche Verirrung aus ihrer Schulzeit gewesen wäre, wie dies nichtlinken Politikern schon vorgeworfen wurde. Auch wenn sie diese Positionen in letzter Zeit nicht wiederholt hat, so ist sie deren Geist jedoch stets treu geblieben. Mit dem „Bündnis Sahra Wagenknecht“ und einer Neobolschewistin als Galionsfigur fängt sich die sächsische CDU den Betonflügel der früheren SED ein, dem die verbliebene Linkspartei zu westlich und zu demokratisch geworden ist. Die heute vertretene Programmatik der Wagenknecht-Partei ist ein Anschlag auf die Westintegration und die Soziale Marktwirtschaft und damit auf die politischen Fundamente der Bundesrepublik Deutschland.
Eine Koalition mit ihr wäre insbesondere der Bruch der sächsischen CDU mit ihrer eigenen Geschichte seit 1989 und ein Schlag ins Gesicht der friedlichen Revolution und vieler ihrer noch lebenden Repräsentanten. Die Prinzipien und Werte, die in der CDU Deutschlands gegolten haben, als wir ihr beitraten, würden aufgegeben. Der Weg in den sogenannten „Demokratischen Block“, in dem die CDU mehr als 35 Jahre gefangen war, würde wieder eingeschlagen – aber diesmal freiwillig aus reinem Opportunismus und ohne den Druck von Sowjetpanzern, KGB-Kerkern und Genickschüssen.
Während viele Linkspartei-Wähler zum BSW überliefen, wählte ein großer Teil unserer früheren Wähler die AfD. Mit einer vergleichenden Analyse, aus der hervorgeht, was die AfD so viel gefährlicher macht als das BSW, so dass sich ihr gegenüber eine Brandmauer der Ausgrenzung erforderlich macht, während andererseits Pilgerfahrten an den Hof von Frau Wagenknecht stattfinden, ist die CDU bisher nicht hervorgetreten. Eine Mauer gebaut und 17 Millionen Menschen darin fast dreißig Jahre lang eingesperrt hat die AfD jedenfalls nicht. Und mit Brandmauern wird man deren Wähler gewiss nicht zurückbringen.
Im Gegenteil: Wer Wählern, die sich seit Jahren von Wahl zu Wahl immer stärker gegen eine allgegenwärtige linke Bevormundung aufbäumen, als Konsequenz eine immer linkere Regierung präsentiert, der verhöhnt deren politischen Willen und untergräbt deren Vertrauen in die Demokratie.
Selbstverständlich sind Sie in Ihren Entscheidungen frei. Wenn Sie die angestrebte Koalition mit dem BSW tatsächlich eingehen, sollen Sie jedoch Eines wissen:
Sie tun es nicht in unserem Namen.
Dr. Matthias Rößler
MdL 1990–2024, Staatsminister a.D.
Präsident 5., 6 und 7. Sächsischen Landtags
Arnold Vaatz
MdL 1990-1998, Staatsminister a.D., MdB 1998–2021
stv. Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion 2002–2021
Dr. Herbert Wagner
Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Dresden 1990–2001,
Manfred Kolbe
MdB 1990-2013, Staatsminister a.D.
Gerhard Gey
Landrat des Landkreises Grimma 1990–1994,
Landrat des Landkreises Muldental 1994–2008 ,
Landrat des Landkreises Leipzig 2008–15
Volker Schimpff
MdL 1990–2004, Vorsitzender des Rechtsauschusses,
stellv. Landesvorsitzender der CDU 1991–97
Volker Bandmann
MdL 1990–2014
innenpolitischer Sprecher der Fraktion
Frank Kupfer
MdL 1994–2019, Staatsminister a.D.,
Generalsekretär der sächs. CDU 1999–2001,
Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion 2014–19