Redaktion / 18.10.2024 / 16:00 / Foto: Imago / 56 / Seite ausdrucken

„Ein Schlag in Gesicht der friedlichen Revolution“

Prominente sächsische CDU-Politiker, darunter der ehemalige stellvertretende Vorsitzende der CDU-CSU-Bundestagsfraktion Arnold Vaatz, sprechen sich in einem Brief vehement gegen einen Pakt mit der "Neobolschewistin" Sahra Wagenknecht aus. Eine Koalition in Sachsen wäre "ein Schlag ins Gesicht der friedlichen Revolution und vieler ihrer noch lebenden Repräsentanten".

Dieser offene Brief wurde heute um 11:00 Uhr an den Landesvorstand der sächsischen CDU und die Presse abgeschickt. Achgut.com dokumentiert ihn hier:

Sehr geehrte Parteifreunde,

die Meldungen verdichten sich, wonach die CDU Sachsens eine Koalition mit dem „Bündnis Sahra Wagenknecht“ eingehen will. Eine solche Koalition lehnen wir ab und fordern Sie auf, nach den Regularien der sächsischen Verfassung eine CDU-Minderheitsregierung anzustreben.

In den Augen der Vorsitzenden und Namengeberin des „Bündnisses Sahra Wagenknecht“ war die friedliche Revolution von 1989 eine Konterrevolution. Die Verteidigung von Mauer und Stacheldraht ist aus ihren Äußerungen in den neunziger Jahren als Sprecherin der Kommunistischen Plattform stets herauszuhören. Honecker war ihr zu liberal. Ihre Idole waren Ulbricht und Stalin. In den „Weißenseer Blättern“ unter dem Titel „Marxismus und Opportunismus – Kämpfe in der Sozialistischen Bewegung gestern und heute“ schrieb sie 1992: „Die Geschehnisse jenes Zeitabschnitts gaben Lenin und den Bolschewiki das unzweifelhafte historische Recht, ihr politisches Konzept als das einzig gangbare zu betrachten“. Und: „Nicht zu leugnen ist, daß Stalins Politik – … wohl auch in ihrer Herangehensweise – als prinzipientreue Fortführung der Leninschen gelten kann“. Ferner: „Was immer man … gegen die Stalin-Zeit vorbringen mag, ihre Ergebnisse waren jedenfalls nicht Niedergang und Verwesung, sondern die Entwicklung eines über Jahrhunderte zurückgebliebenen Landes in eine moderne Gesellschaft“. Frau Wagenknecht argumentierte so als mündige Frau. Wir hielten dies nicht für erwähnenswert, wenn dies eine gedankliche Verirrung aus ihrer Schulzeit gewesen wäre, wie dies nichtlinken Politikern schon vorgeworfen wurde. Auch wenn sie diese Positionen in letzter Zeit nicht wiederholt hat, so ist sie deren Geist jedoch stets treu geblieben. Mit dem „Bündnis Sahra Wagenknecht“ und einer Neobolschewistin als Galionsfigur fängt sich die sächsische CDU den Betonflügel der früheren SED ein, dem die verbliebene Linkspartei zu westlich und zu demokratisch geworden ist. Die heute vertretene Programmatik der Wagenknecht-Partei ist ein Anschlag auf die Westintegration und die Soziale Marktwirtschaft und damit auf die politischen Fundamente der Bundesrepublik Deutschland.

Eine Koalition mit ihr wäre insbesondere der Bruch der sächsischen CDU mit ihrer eigenen Geschichte seit 1989 und ein Schlag ins Gesicht der friedlichen Revolution und vieler ihrer noch lebenden Repräsentanten. Die Prinzipien und Werte, die in der CDU Deutschlands gegolten haben, als wir ihr beitraten, würden aufgegeben. Der Weg in den sogenannten „Demokratischen Block“, in dem die CDU mehr als 35 Jahre gefangen war, würde wieder eingeschlagen – aber diesmal freiwillig aus reinem Opportunismus und ohne den Druck von Sowjetpanzern, KGB-Kerkern und Genickschüssen.

Während viele Linkspartei-Wähler zum BSW überliefen, wählte ein großer Teil unserer früheren Wähler die AfD. Mit einer vergleichenden Analyse, aus der hervorgeht, was die AfD so viel gefährlicher macht als das BSW, so dass sich ihr gegenüber eine Brandmauer der Ausgrenzung erforderlich macht, während andererseits Pilgerfahrten an den Hof von Frau Wagenknecht stattfinden, ist die CDU bisher nicht hervorgetreten. Eine Mauer gebaut und 17 Millionen Menschen darin fast dreißig Jahre lang eingesperrt hat die AfD jedenfalls nicht. Und mit Brandmauern wird man deren Wähler gewiss nicht zurückbringen.

Im Gegenteil: Wer Wählern, die sich seit Jahren von Wahl zu Wahl immer stärker gegen eine allgegenwärtige linke Bevormundung aufbäumen, als Konsequenz eine immer linkere Regierung präsentiert, der verhöhnt deren politischen Willen und untergräbt deren Vertrauen in die Demokratie.

Selbstverständlich sind Sie in Ihren Entscheidungen frei. Wenn Sie die angestrebte Koalition mit dem BSW tatsächlich eingehen, sollen Sie jedoch Eines wissen:

Sie tun es nicht in unserem Namen.

Dr. Matthias Rößler
MdL 1990–2024, Staatsminister a.D.
Präsident 5., 6 und 7. Sächsischen Landtags

Arnold Vaatz
MdL 1990-1998, Staatsminister a.D., MdB 1998–2021
stv. Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion 2002–2021

Dr. Herbert Wagner
Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Dresden 1990–2001,

Manfred Kolbe
MdB 1990-2013,
Staatsminister a.D.

Gerhard Gey
Landrat des Landkreises Grimma 1990–1994,
Landrat des Landkreises Muldental 1994–2008 ,
Landrat des Landkreises Leipzig 2008–15

Volker Schimpff
MdL 1990–2004, Vorsitzender des Rechtsauschusses,
stellv. Landesvorsitzender der CDU 1991–97

Volker Bandmann
MdL 1990–2014
innenpolitischer Sprecher der Fraktion

Frank Kupfer
MdL 1994–2019, Staatsminister a.D.
,
Generalsekretär der sächs. CDU 1999–2001,
Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion 2014–19

Foto: Imago

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Stefan Riedel / 18.10.2024

Ja!  So ein Ministerpräsident muss auch sehen, wo er bleibt. Blockflötenkonzert in Thüringen und Sachsen! Wer hat die Bürgerlichen in D verraten? Anschauungsunterricht gefällig? Genau! Danke Sybille Eden.

W. Renner / 18.10.2024

Acht Good Guys gegen wie viele Bad Guys? Das sächsischen Einheitsparteien haben hinter der Brandmauer, im Sinne des Politbüros doch längst entschieden.

Dirk Jungnickel / 18.10.2024

Was die Wagenknechte ( plus Lafontaines ) betrifft fällt mir nur Liebermann ein: “Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte.”

Dr. med. Jesko Matthes / 18.10.2024

Gerald Götting und Paul Verner: „Christen und Marxisten in gemeinsamer Verantwortung“, Union Verlag, Berlin 1971. - Rückwärts immer, vorwärts nimmer!

Jörg Themlitz / 18.10.2024

Ein bisschen viel a. D. Die Gewesenen revoltieren. Nach ! 16 Jahren sozialisticher Allüren der Frau Merkel. Von wem fühle ich mich jetzt mehr verarscht? Von denen die vor der Wahl schon angedeutet haben, mit BSW. Oder von denen die sich nach ! der Wahl darüber aufregen. Liebe CDUler die 16 Jahre bekommt Ihr nicht mehr aus dem Gewand geschüttelt. Warum nicht? Weil Ihr das schon 16 Jahre nicht gewollt habt! Ich hatte von Erich Honecker Nachrücker Egon Krenz nichts erwartet und ich erwartet nichts von Merkel Nachrücker Merz. semper idem

Gerd Maar / 18.10.2024

“Eine Mauer gebaut hat die AfD jedenfalls nicht”… dafür will sie aber die Ossifizierung Deutschlands gegen den “Wertewesten” betreiben. Den Blauen ist das BSW allemal lieber als jede Altpartei der Bundesrepublik.

Peter Thomas / 18.10.2024

Hallo Stefan Hemlich, hallo Günter H. Probst, hallo Holger Kammel: besten Dank für Ihre erfrischenden Kommentare!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Redaktion / 07.12.2024 / 14:00 / 0

Leserkommentar der Woche: Unterwegs mit dem rollenden Computer

Besonders erfreulich sind Leserkommentare, die eigentlich selbst eigene kleine Texte sind. Und damit sie nicht alle in der Menge untergehen, veröffentlichen wir an dieser Stelle…/ mehr

Redaktion / 30.11.2024 / 13:00 / 5

Leserkommentar der Woche: Trügerisch wie vor einem Tsunami

Besonders erfreulich sind Leserkommentare, die eigentlich selbst eigene kleine Texte sind. Und damit sie nicht alle in der Menge untergehen, veröffentlichen wir an dieser Stelle…/ mehr

Redaktion / 30.11.2024 / 06:01 / 102

Merkels Fluch und Ausflucht

Deutschland im November 2024: Das Land befindet sich im Niedergang. Die Krise ist ganz wesentlich auf das politische Wirken Angela Merkels zurückzuführen. Dennoch konnte die…/ mehr

Redaktion / 26.11.2024 / 12:00 / 51

Energieexperten und Volkswirtschaftler an Union: SOS

Ein Expertenkreis fordert die CDU auf, der zerstörerischen Energiewende umgehend Einhalt zu gebieten. Die ungebremste Fortsetzung der Energiepolitik münde in einem beispiellosen Niedergang. Mit einem…/ mehr

Redaktion / 21.11.2024 / 13:56 / 0

Steinhöfel mahnt Habeck und Wüst ab

Anwalt Joachim Steinhöfel mahnt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst ab, weil diese für eine „Spitzel-GmbH“ namens "So Done" werben.  So Done ist eine…/ mehr

Redaktion / 16.11.2024 / 11:00 / 7

Vorschau Indubio: Merkel for ever?

Es deutet sich an, dass die Bundesbürger zwar Ende Februar neu wählen dürfen, aber letztendlich wieder das Gleiche bekommen wie bislang. Was sollen die tun,…/ mehr

Redaktion / 09.11.2024 / 11:30 / 3

Vorschau Indubio morgen: Trump, Ampel, Amsterdam

In der nächsten Folge von Indubio sprich Gerd Buurmann mit seinen Gästen über den Neubeginn mit Trump, das Ende der Ampel und den alten Hass in…/ mehr

Redaktion / 06.11.2024 / 10:15 / 0

Achgut-Aktuell zur US-Wahl: Trump kehrt zurück

Die neuesten Meldungen und Berichte über die US-Wahlen – ständig aktualisiert.   10:20 Uhr Trump führt auch beim GesamtergebnisIn dem sogenannten popular vote, also der Stimmen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com