Vor Gericht, so sagt man, und auf hoher See ist man in der Hand Gottes. Ich möchte diesen schönen und wahren Satz heute ergänzen und dem Bunde einen Dritten hinzuzufügen: Vor Gericht, auf hoher See und mit dem Euro ist man in Gottes Hand.
Ich bin weder Stammkunde vor Gericht, noch begeisterter Kreuzfahrer. Aber vom Euro verstehe ich ein bisschen. Im Prinzip mag ich ihn und freue mich immer wieder, dass ich in Italien, Frankreich und Spanien nichts mehr mit diesen beschwerlichen Lire, Franken und Peseten zu tun habe. Vor allem die Lire haben seinerzeit meine rechnerischen Fähigkeiten derart überfordert, dass ich mir an den italienischen Tankstellen wie ein Analphabet vorkam.
In England, wohin ich auch gerne fahre, gibt es keinen Euro sondern das Pfund. Das reißt dieser Tage allerdings auch keine Bäume aus. Dafür bietet England die Überfahrt mit der Fähre. Und die ersetzt für mich die jede Kreuzfahrt auf hoher See. Auf dem Englischen Kanal kann es stürmen wie wild und man wird umeinander geworfen, dass man um sein Leben bangen möchte. Man fühlt sich in Gottes Hand. Aber auf wen baut man? Auf die solide Konstruktion der Fähre und die ruhige Kompetenz des Kapitäns und seiner Offiziere.
Doch auf wen soll man sich in der gegenwärtigen Schuldenkrise der Euro-Länder verlassen? Ich fühle mich, wenn ich auf meine paar Ersparnisse schaue, wie ein Reisender im Sturm. Kaum hat man die eine Welle überstanden, da taucht schon der nächste Brecher auf. Die Finanzwelt schaukelt auf den Wogen wie ein alter Fischerkahn. Und man wünscht sich einen Kapitän, dem man so vertrauen kann wie den erfahrenen Seebären auf den Kanalfähren.
Aber gibt es in ganz Europa auch nur einen, der in dieser Krise wirklich weiß, was er tut? Man speist uns mit Floskeln ab: „Keine Sorge. Das Euro-Schiff hält. Es sind nur ein paar Motoren ausgefallen, weil man beim Sonnenbaden vergessen hat, sie zu warten. Aber wir kriegen das schon hin, wenn jeder kräftig rudert.“ Ich werde den Verdacht nicht los, dass die Euro-Kapitäne gar keine Kapitäne sind sondern auch nur Passagiere wie wir alle.
Ich bin immer noch zuversichtlich, dass wir heil im Hafen ankommen werden. Aber wenn ich die Wahl hätte, ich wäre jetzt lieber auf einer echten Kanalfähre bei echtem Sturm als auf diesem imaginären Eurodampfer bei diesem finanzpolitischen Wellengang und mit dieser hilflosen Offiziers-Truppe.
Ich finde die meisten ja ganz nett, aber Vertrauen flößen sie mir in diesen stürmischen Tagen nicht ein.