Susanne Baumstark / 24.03.2017 / 12:38 / Foto: P4b" / 1 / Seite ausdrucken

Außen Schoko, innen Maas: Das Schaumschlägergesetz

Nachdem es bereits Kritik von verschiedenen Seiten am Entwurf des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes hagelte, äußerten sich nun auch Medien- und Rechtsexperten zur geplanten staatlichen Regulierung von Fake News und Hate Speech im Internet „zurückhaltend bis skeptisch“. Das berichtet „Heute im Bundestag“ nach einem Fachgespräch des Kultur- und Medienausschusses. Wenn die Frage, welche Inhalte veröffentlicht werden dürfen, Betreibern von Plattformen überlassen wird, dann käme dies laut Markus Reuter von netzpolitik.org einer Privatisierung von Rechtsfragen gleich.

Zusammen mit Tobias Keber von der Hochschule der Medien Stuttgart warb der Journalist für verstärkte Vermittlung von Medienkompetenz an Schulen im Sinne von „digitaler Kompetenz“. Der Rechts- und Medienwissenschaftler Wolfgang Schulz vom Hans-Bredow-Institut Hamburg erinnerte an das Recht auf freie Meinungsäußerung und argumentierte, der vorgelegte Gesetzentwurf beziehe sich deshalb ausschließlich auf strafrechtlich relevante Sachverhalte. Das war auch die Sicht von Anja Zimmer, Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg: „Straftaten wie Volksverhetzung seien in jedem Fall Sache der Strafverfolgungsbehörden. Denen mangele es aber meist an ausreichend Personal und Fachwissen.“ Da stellt sich die Frage, warum nicht anstelle der „Netzwerkdurchsetzung“ ein „Gesetz zur personellen und fachlichen Sicherstellung bei Strafverfolgungsbehörden“ entworfen wurde und was Facebook et al. mit der Sache überhaupt zu schaffen haben.

Susanne Baumstark, Jahrgang 1967, ist freie Redakteurin und Diplom-Sozialpädagogin. Ihren Blog Luftwurzel finden Sie hier.

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Leserpost

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Hans-Peter Hammer / 24.03.2017

Es ist sogar richtig! Der Gesetzentwurf bezieht sich nur auf strafbare Inhalte und erfüllt damit formal die Bedingungen! Aber: Wer so kurze Fristen setzt (und dann derartig hohe Bußgelder androht (1)) zielt in Wahrheit nicht auf strafbare Inhalte, sondern will den Rechtsweg unterlaufen, versucht die Flucht ins Privatrecht (was der Staat lt. BVerfG nicht darf, bzw. unterliegen die Privatfirmen die er beauftragt den gleichen Anforderungen wie der Staat, der auch für die Einhaltung verantwortlich ist) und setzt somit die grundgesetzliche öffentlich-rechtliche Grundordnung außer Kraft! (1) für die Ordnungswidrigkeit (!)  kein ordentliches (?) Beschwerdemanagment eingerichtet zu haben (2), nicht für die unterlassenen Löschungen!  (2) allerdings werden als Beleg für das korrekte Beschwerdemanagment dann die Löschzahlen verwendet! “Betreiber sozialer Netzwerke, die ein wirksames Beschwerdemanagement gar nicht oder nicht richtig einrichten – insbesondere weil sie strafbare Inhalte nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig löschen – begehen eine Ordnungswidrigkeit.” Quelle: Webseite des Bundesjustizministeriums [https://www.bmjv.de/SharedDocs/Artikel/DE/2017/03142017_GE_Rechtsdurchsetzung_Soziale_Netzwerke.html] Die Katze beißt sich in den Schwanz! Und da es als Ordnungswidrigkeit eingestuft wird, kann (hier) das Bundesjustizministerium die Bußgelder verhängen!  Gerichte werden erst im Widerspruch tätig! “Will das Bundesamt für Justiz als zuständige Behörde für die Bußgeldverfahren seinen Bußgeldbescheid allerdings darauf stützen, dass ein nicht entfernter oder nicht gelöschter Inhalt rechtswidrig gem. § 1 Abs. 3 NetzDG-E ist und ist diese Rechtswidrigkeit zugleich streitig, so muss über die Frage der Rechtswidrigkeit vorab ein Gericht entscheiden (§ 5 Abs. 5 NetzDG-E). Das Gericht setzt sich ausschließlich mit der objektiven Strafbarkeit des Inhalts auseinander, Schuldgesichtspunkte werden nicht berücksichtigt.” Quelle: s.o. Die Gerichte kommen erst ins Spiel wenn das BMJ Bußgelder wegen einzelner Inhalte verhängen will und die Rechtswidrigkeit dieser strittig ist. Ergo wird das BMJ sich wohl nie auf einzelne Inhalte stützen, sondern immer auf ein (angeblich) unzureichendes Beschwerdemanagement! Interessant auch, daß das Gericht ausschließlich die Strafbarkeit des zugrundeliegenden Inhalts bewerten darf! Schuldgesichtspunkte (also wie kommt es zu dem Inhalt, hat ihn der Betreiber zu verantworten, etc.) werden (!) nicht berücksichtigt, darf das Gericht nicht beurteilen, spielen keine Rolle! Ob das mit den Grundsätzen der Rechtsprechung zu vereinbaren ist?

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