Ich habe ja noch nie einen Preis gewonnen. Mir ist das persönlich auch überhaupt nicht wichtig. Natürlich sagen das all die, die nicht in den Genuss einer solchen Ehrung kamen. Logisch. „Titel sind nur Nummern“, sagte Pep Guardiola, nachdem er zum 12. Mal im Halbfinale scheiterte. Genauso übrigens reden die, die eine solche Trophäe erhalten haben. „Das ist doch nur ein Titel“, sagen die anderen. Gespielte Bescheidenheit, vielleicht noch mit einem charmanten Flaubert-Zitat auf den Lippen, während die Dollarzeichen in den Augen blinken und das Ego in ganz andere Sphären schwebt.
Nein, im Ernst. Ich würde so ziemlich jeden Preis annehmen. Warum auch nicht? Immerhin gibt es Geld, wenigstens manchmal. Mindestens aber Häppchen und Sekt. Wenn das mal keine Freude bereitet! Ich nehme sie alle. Friedensnobelpreis, Tor des Jahres, Unstatistik des Monats, den Oswalt-Kolle-Gedächtnispreis, egal. Her damit.
Zu einer Ehrung würde ich aber nein sagen (es ist nicht der Deutsche Filmpreis) und zwar aus gegebenem Anlass. Und das ist der Pulitzer-Preis. Ja. Denn diese „Auszeichnung“ ist in diesem Jahr auf immer und ewig besudelt worden.
„Nimm es auf, vielleicht stirbt jemand!“
In diesem Jahr verleiht die Jury einen Sonderpreis. Darnella Frazier, damals 17 Jahre jung, filmte den Tod von George Floyd. Laut SPIEGEL „schaffte (sie) damit Aufklärung“. Mutig habe sie gehandelt, so die Juroren, die Preisträgerin habe die „entscheidende Rolle von Bürgern beim Streben von Journalisten nach Wahrheit und Gerechtigkeit“ gespielt.
Wir halten fest: Man bekommt einen Preis und 15.000 Dollar, weil man einen Menschen beim Sterben filmt? Wirklich? Die Kernbotschaft heißt: „Du bist 17 und hast ein Handy? Prima! Stell dich an den Straßenrand und filme einen Unfall. Vielleicht stirbt jemand. Greife nicht ein, wenn es brennt, eventuell verbrennt jemand, sondern mach‘ daraus ein Video! Stell‘ es online, denn dann kommt eine völlig degenerierte Jury und schenkt dir 15.000 Dollar und den bedeutendsten Journalistenpreis der Welt!“ Als hätten wir nicht genug Probleme mit Voyeuren, die Rettungskräfte beim Helfen behindern.
Sogar den Aktenzeichen-XY-Preis für Zivilcourage würde ich annehmen, nicht zuletzt, damit ich mich vergewissern kann, dass der Innenminister Horst Seehofer, genannt „das Phantom“, noch existiert. Immerhin wird man bei diesem Preis für etwas ausgezeichnet, was einen positiven Effekt hatte. Man rettete die Handtasche und das Leben von Oma Siggi. Vielleicht rettete man auch Katzenbabys nebst Kleinkind aus dem brennenden Baumhaus. Wie auch immer, man tat etwas Gutes.
Der Pulitzer-Preis ist entehrt
Darnella Frazier hingegen tat das, was jeder Teenie, der nicht mehr alle ethischen Latten beisammen hat, gemacht hätte. Sie filmte für eine geile Social-Media Story. Ob sie ein TikTok-Video daraus gemacht hat, ist nicht bekannt. Was man aber weiß: Sie hat in den Minuten von George Floyds Tod lieber gefilmt, als Hilfe zu holen. Die Story war ihr wichtiger als das Leben des gerade erstickenden Verhafteten. Für geistig-moralisch intakte Menschen ist unterlassene Hilfeleistung eine Straftat, mindestens das Filmen aber eine Ordnungswidrigkeit. Für die Pulitzer-Jury scheint Darnellas Tat jedoch ehrwürdig zu sein.
Wächst da eine ganz neue Journalisten-Form heran? Der Voyeur-Journo, der live dabei ist, wenn mal wieder jemand stirbt? Wobei, das gab es schon mal. Früher wurde man dafür vom Presserat gerügt. Nun also doch Flaubert: „Ehren entehren, Titel werten ab, ein Amt verblödet“. Und mit dieser Auszeichnung ist der Pulitzer-Preis auf alle Zeiten entehrt, abgewertet und verblödet. Bisherige Preisträger können sich überlegen, ob sie davon Teil sein wollen.
Ihren Fehler hatte die inzwischen 18-jährige Neujournalistin im Prozess um den Tod von George Floyd im Übrigen eingesehen: „Es ist nicht das, was ich hätte tun sollen“, sagte sie im Bezug auf das Video. Sie bedauere, dass sie Floyds Leben nicht habe retten können. Gut, letzteres ist wahrscheinlich zu viel verlangt. Mit dem ersten Punkt aber hat sie recht. Respekt dafür. Doch diese Erkenntnis interessierte die verantwortlichen Juroren nicht. Pulitzer wollte auf Teufel-komm-raus etwas abbekommen vom riesengroßen Zeitgeistkuchen, der auf den Namen Black Lives Matter hört.
Und wenn ich dann endlich einmal ausgezeichnet werde, vielleicht mit dem George-Floyd-Abzeichen in Schwarz, werde ich den Preis auch nicht annehmen. Manches tut man einfach nicht. Häppchen und Sekt gibt es auch woanders – zum Beispiel zu Hause.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Julian Marius Plutz Blog Neomarius.