Reinhard Mohr, Gastautor / 02.11.2023 / 06:00 / 64 / Seite ausdrucken

Ein Platz für Juden

Jüdisches Leben hat in Deutschland Hochkonjunktur. Da trifft es sich vielleicht gut, dass ein ehemaliges Herrenvolk mit Erfahrung in Sachen Völkerkunde für Betreuung und sichere Aufzucht sorgt.

Jetzt muss es wieder geschützt und beschworen, gelobt und bewundert werden: das „jüdische Leben“ in Deutschland, das nach Holocaust und Weltkrieg geradezu als „ein Wunder“ zu betrachten sei und in Sonntagsreden zwischen Buchsbäumen gar nicht oft genug gepriesen werden kann, besonders inbrünstig von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. 

Geradezu stolz blickt man auf die „Wiederkehr des jüdischen Lebens“, das auch kulturell eine „phantastische Bereicherung“ ist, nicht zuletzt ein kolossaler „Vertrauensbeweis in die deutsche Demokratie“, deren „Staatsräson“ bekanntlich die „bedingungslose Verteidigung“ Israels ist, wie man zuletzt am mutigen Abstimmungsverhalten Annalena Baerbocks in der UN-Vollversammlung sehen konnte, die sich für eine taktisch konsequente Enthaltung entschied.

So stehen in diesen Tagen, da „jüdisches Leben“, wie schon 1933, mit hohem Rechercheaufwand ausfindig gemacht und mit Davidsternen an Wänden und Haustüren markiert wird, noch mehr deutsche Polizisten vor Schulen und Synagogen. „Es geht schließlich um Menschen!“, hört man Katrin Göring-Eckardt aus dem Hintergrund flehen, und ja, wir erinnern uns noch an ihren Ausruf des Entzückens nach der ersten großen Flüchtlingswelle 2015, nun bekämen wir jede Menge „Menschen geschenkt“ – die meisten damals aus arabisch-muslimischen Ländern, von denen einige nun auf der Neuköllner Sonnenallee Süßigkeiten verteilen und „Yallah Yallah Intifada!“ statt „Nie wieder!“ skandieren. So schließt sich ganz zwanglos der nachhaltige Kreis der Menschlichkeit im „globalen Süden“, von Afghanistan bis Somalia. Inschallah.

Ein Platz für Tiere oder Brehms Tierleben?

Aber geht es hier wirklich um Menschen? Klingt die Rede vom kostbaren, schützenswerten „jüdischen Leben“ nicht eher nach einem vom Aussterben bedrohten Bienenvolk oder einer seltenen Ameisenkolonie, deren zarten Aufwuchs man nachhaltig begleiten, hegen und pflegen muss? Da trifft es sich vielleicht ganz gut, dass ein ehemaliges Herrenvolk mit Erfahrung in Sachen Völkerkunde für Betreuung und sichere Aufzucht sorgt.

Ältere Zeitgenossen erinnern sich bei dieser Formulierung, die inzwischen zum sprachlichen Allgemeingut geworden ist wie „Wärmewende“, „Gelber Sack“ und „Zusammenhalt“, womöglich an „Brehms Tierleben“ oder an Professor Dr. Bernhard Grzimek, den ehemaligen Frankfurter Zoodirektor, dessen Weste zwar nicht ganz frei von braunen Flecken war, der es aber mit seiner legendären Sendung „Ein Platz für Tiere“ ein kleines bisschen wiedergutgemacht hat, als er jahrzehntelang über Zebras und Antilopen („Serengeti darf nicht sterben!“) plauderte und mal ein Äffchen oder einen jungen Leoparden mit ins Fernsehstudio nahm. Der häufig kolportierte Satz „Heute habe ich Ihnen eine Steinlaus mitgebracht“ war allerdings Fake-News von Loriot. 

Heute, in den Zeiten von Achtsamkeit und Antidiskriminierungssensibilität („Leave no one behind!“) hat die Bundeszentrale für politische Bildung zusammen mit dem Zentralrat der Juden Grzimeks grandiose Idee in modernes Englisch übersetzt und ihr „Begegnungsprojekt“ in Sachen fremde Wesen in freier Wildbahn auf den Namen „Meet a Jew!“ getauft. Die deutsche Version „Treffe einen Juden!“ hätte nicht nur im Großraum Neukölln zu bedauerlichen Missverständnissen geführt.

Aber wie geht es nun weiter mit dem „jüdischen Leben“ in Deutschland? Offenkundig besteht kein Anlass zur Sorge: Googelt man die Worte „Kein Platz für Antisemitismus in Deutschland!“, so erhält man rund 6 Millionen Ergebnisse.

Wenn das kein klares Zeichen ist!

 

Reinhard Mohr, geb, 1955, schrieb als Journalist u.a. für den Pflasterstrand, die taz, die FAZ und den stern. Von 1996 bis 2004 war er Kulturredakteur beim Spiegel. „Durchs irre Germanistan. Notizen aus der Ampel-Republik“, das neue Buch von Henryk M. Broder und Reinhard Mohr, können Sie hier im Achgut Shop bestellen.

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Belo Zibé / 02.11.2023

@Johannes Schuster: Der fette deutsche Arsch der Humanität, Allgüte und Deutungshoheit quetscht sich mittlerweile eben mit jener von Franz Werfel vorhergesehenen selbstlosen Zudringlichkeit in jede noch so enge Ritze. Ich hätte es nicht für möglich gehalten. Allerdings auch nicht, dass   im “Hühnerstall Zentralrat”  ein deutsches Gipsei ausgelegt wird, damit die Legehenne der Moral angeregt wird ,das Nest anzunehmen.

Volker Kleinophorst / 02.11.2023

1. Juden werden in Deutschland nicht von Deutschen bedroht, abgesehen natürlich durch die Befürwortern der Invasionspolitik. 2. “Ehemaliges Herrenvolk”? Da Sie sich da ja so gut auskennen @Mohr. War das “Auserwählte Volk” nicht schon Herrenvolk als das “ehemalige Herrenvolk” noch auf den Bäumen saß und versuchte sich mit Holzkohle ein Hitlerbärtchen aufzumalen? Die aktuellen Herrenvölker sind übrigens: Alle außer den Weißen. Ist aber kein Rassismus. Nur umgekehrt. Aber da wir es ja hier mit Kennern zu tun haben eine (ernstgemeinte) Frage an die Runde: Wieso solidarisieren sich orthodoxe Juden mit den “Palestinensern”? Wieso skandieren andere jüdische Gruppen das Judentum wäre von Zionisten gekapert worden, die gar keine Juden seien?

Judith Panther / 02.11.2023

” ... nun bekämen wir jede Menge „Menschen geschenkt“.  Und was für Menschen sind das? Frag nicht: “Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul”. Und wenn der Gaul sich am Ende als Trojanisches Pferd entpuppt, aus dem Horden von bis an die Zähne bewaffneten, vor Judenhaß und Mordlust sprühenden Hamas-Terroristen springen, ist es sowieso zu spät.

Thomas Szabó / 02.11.2023

@ R.Camper, @ S. Georg: Danke. @ Lutz Herrmann: Genau, die Juden sollen Israel behalten. Unsere muslimischen Goldstücke sollten wir trotzdem großzügig verschenken.

Dr. Ralph Buitoni / 02.11.2023

Sorry, solange nicht endlich die Rolle des Zentralrads der Juden in Deutschland bei der Diffamierung - und damit Verhinderung - einer nach eigen- und nationalstaatlichen Interessengesichtspunkten gesteuerten Zuwanderung, die Rolle jüdischer Organisationen und von diesen finanzierten NGOs bei der unkontrollierten Massenzuwanderung nach Europa (und in die USA!) angesprochen und thematisiert wird kann man sich solche Krokodilstränenartikel sparen. Wie schon einmal hier mitgeteilt versuchte ich vor Jahren, kurze Zeit nach Merkels Flutöffnung, eine jüdische, in London ansässige Freundin zu warnen, die seit über 20 Jahren im EU subventionierten Flüchtlingsbusiness tätig ist, dass sie mit ihrer Arbeit die Mörder ihrer Kinder ins Land holt. Ich wurde angegiftet, dass diese Syrer und Nordafrikaner “ihre Freunde” seien, und sie empörte sich über meine Warnung. Ich sage: Deutsche und Europäer müssen GAR NICHTS in dieser Sache. ist wie bei der Spritze: wie bestellt, so geliefert.

G. Kramler / 02.11.2023

Wer sich als jüdisch identifiziert, hat’s nicht leicht.

Jürgen Fischer / 02.11.2023

Fräulein Ricarda Lang hat sich dem „Kein Platz für Antisemitismus in Deutschland!“ mutig mit einem selbstgemalten (glaube ich wenigstens; es sieht danach aus) Pappschild mit der Aufschrift „#WIR HABEN PLATZ“ entgegengestellt. Wenn das mal kein klares Statement ist.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Reinhard Mohr, Gastautor / 29.05.2025 / 12:00 / 49

Das bunte Gesicht des Neo-Sozialismus

Warum wird das Gespenst des Sozialismus immer wieder aus der historischen Rumpelkammer geholt? Ganz einfach: Weil der Sozialismus, wundersam befreit von allen millionenfachen Verbrechen, die…/ mehr

Reinhard Mohr, Gastautor / 28.10.2024 / 16:00 / 38

Eine Partei im Abwind

Wahlklatschen, Rücktritte der Parteispitze und Austritte der Jugend: Die lange erfolgsverwöhnten Grünen erleben selten düstere Herbsttage. Es scheint, dass das gegenwärtige Tief nicht so schnell…/ mehr

Reinhard Mohr, Gastautor / 16.09.2024 / 10:00 / 83

Mal wieder nach dem Rechten schauen

Bei den 18- bis 24-Jährigen ist die AfD die Partei, der junge Leute am meisten vertrauen. Dass kann der SPIEGEL nicht fassen und bemüht sich um…/ mehr

Reinhard Mohr, Gastautor / 06.08.2024 / 12:00 / 31

Wenn schon Weltuntergang, dann mit Olaf Scholz

Olaf Scholz findet, dass er alles richtig macht. Probleme machen nur Andere, aber das wird sich lösen lassen. Wenn es sein muss, mit Wumms und…/ mehr

Reinhard Mohr, Gastautor / 24.06.2024 / 14:00 / 45

Wann war die Kluft zwischen Regierung und Volk noch größer?

„Die Partei, die Partei, die hat immer recht“ – so lautete die Hymne der „Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“ (SED). Die DDR ist gottlob Geschichte, aber der…/ mehr

Reinhard Mohr, Gastautor / 23.06.2024 / 12:00 / 49

Kommt jetzt die Wende nach der Wende?

Dass die deutsche Politik seit vielen Jahren nicht imstande ist, die Asyl-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik auf realistische und im Wortsinn nachhaltige Füße zu stellen, hat…/ mehr

Reinhard Mohr, Gastautor / 04.03.2024 / 10:00 / 111

Die Ampeldämmerung

Es passt nicht mehr viel zusammen im Bündnis von SPD, Grünen und FDP. Dennoch gehen die Bündnispartner – meist jeder für sich – ihren Weg…/ mehr

Reinhard Mohr, Gastautor / 24.01.2024 / 06:00 / 49

Völker der Welt, bleibt zu Hause!

International bekannte Kulturschaffende, die sich bis jetzt damit begnügt haben, Israel zu boykottieren, rufen jetzt zu einem Boykott der Bundesrepublik auf. Das ist ausbaufähig. Deutschland…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com