Von der weiten Öffentlichkeit kaum bemerkt, ist Bill Ramsey mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden. Und zwar nicht mit einem Wald- und Wiesen-Kreuz sondern mit dem am Bande. Das Kreuz sei ihm gegönnt. Aber ich wundere mich schon, dass die politisch korrekte Textüberwachungs-Brigade diese Ordensverleihung dem Berliner Senator durchgehen ließ. Denn Bill Ramsey hat nicht nur von Pigalle gesungen und von der Mimi, die ohne Krimi nie ins Bett geht. Zu seinem Repertoire gehörte auch die genderpolitisch höchst bedenkliche „süße Biene mit der Tüllgardine vor dem Baby-Doll-Gesicht“.
Wie konnte es passieren, dass diese Baby-Doll-Biene nicht sofort von humorfernen Kämpferinnen an den Pranger gestellt wurde? Oder steht uns der Sturm der Entrüstung noch bevor? Jedenfalls stellt sich die Frage, ob Ramsey seinen Orden früher oder später nicht doch noch wegen mangelnder Frauenverehrung zurückgeben muss.
Denn die Baby-Doll-Biene ist, um kurz ein klimapolitisches Bild zu wagen, nur die Spitze eines zweifellos schmelzenden Eisberges. Denn Ramseys einschlägiges Lied beginnt bereits mit der höchst fragwürdigen Zeile: „Kennt ihr die Zuckerpuppe aus der Bauchtanzgruppe, von der ganz Marokko spricht?“ Schon in der ersten Gesangszeile wird also die Frau zur Zuckerpuppe degradiert, und zwar zur Puppe einer – typische Männerphantasie – Bauchtanztruppe.
Wer so beginnt, fährt im gleichen Sinne fort: Es folgt die bereits erwähnte süße Biene, mit der Tüllgardine vor dem mehrfach angesprochenen Baby-Doll-Gesicht. Und als ob die Verniedlichung der Hauptprotagonistin ins babyhafte nicht ausreichte, nennt der Sänger die Suleika, um die es hier geht, auch noch eine „kleine Maus“. Also sozusagen ein Mäuschen. Geht's noch kleiner? Ach ja, die, wie gesagt, mehrfach erwähnte süße Biene ist noch kleiner als die kleine Maus.
Elfriede aus Wuppertal
Wie auch immer: Nicht genug mit der bedenkenlosen Missachtung der Genderproblematik, trivialisiert Ramsey auch noch den krisengeschüttelten Nahen Osten. Singt er doch die schnöde Zeile: „Da staunt der vordere Orient, da staunt der hintere Orient.“ Also wirklich. Hinzu kommen – es hört einfach nicht auf – zwei gedankenlose Klischees: „Und mancher Wüstensohn hat sie schon als Fatah Morgana geseh'n“. Wüstensohn und Fatah Morgana. Was soll ein stolzer Moslem dazu sagen, wenn er und seine Region auf diese zwei Begriffe reduziert wird.
Zwar versucht Ramsey, dem ganzen die weltpolitisch brisante Schärfe zu nehmen, indem er am Ende des Liedes die vermeintliche Suleika als Elfriede aus Wuppertal entlarvt. Aber er steckt da längst viel zu tief im Sumpf des politisch Unkorrekten, um sich auf diese Weise noch herausziehen zu können.
Ramsey hat das Pech, noch unter den Lebenden zu weilen. Er wird also dem Zorn der Erinnyen auf Dauer nicht entgehen können. In dieser Welt nicht mehr zu belangen, sind hingegen Paul Knepler (Text) und Franz Lehar (Vertonung) wegen ihrer Paganini-Operettenzeilen: „Gern hab' ich die Frau'n geküsst, hab nie gefragt, ob es gestattet ist. Dachte mir: Nimm sie dir, küss sie nur. Denn dazu sind sie hier.“ Gegen diese Ungeheuerlichkeit aus der Vorkriegszeit wirkt Ramsey Zuckerpuppe wie ein Kinkerlitzchen aus den fünfziger Jahren. Aber täuschen wir uns nicht. Auch die Fünfziger Jahre werden dem strengen und – wie gesagt – humorfreien Blick der 2000er Jahre nicht entgehen. Mal sehen, wie lange Ramseys Orden dem drohenden tierischen Ernst standhalten kann.