Ein neues Medienkartell aus öffentlich-rechtlichem Rundfunk und privaten Sendern und Verlagen braut sich am Horizont zusammen. Der Intendant der Bayerischen Rundfunks und derzeitige ARD-Vorsitzende, Ulrich Wilhelm, will eine neue Digital-Plattform im Internet schaffen, eine Art Mischung aus Youtube, Google und Facebook (siehe hier). Quasi ein europäischer Gegenpart zu den genannten amerikanischen Unternehmen, ein Mischmasch aus Videoportal, digitalem Presse-Kiosk und Diskussions-Netzwerk. Auf der Plattform sollen öffentlich-rechtliche und private Sender und Verlage sowie Institutionen aus Kultur und Wissenschaft Medieninhalte wie Videos, Artikel und dergleichen bereitstellen können.
Rechtlich soll die neue Plattform als Gemeinschaftsunternehmen organisiert sein, an dem sich Presseverlage und öffentlich-rechtliche Sender als Gesellschafter beteiligen können. Die neue Plattform soll „nach unseren Werten ausgerichtet“ sein, so Wilhelm. Was für „Werte“ das sind – es bleibt unkonkret, aber man ahnt es. Jedenfalls soll die Plattform laut Wilhelm „Hass und Hetze erschweren“. Diese Signalbegriffe sollten dann wohl genügen, um in der Politik auf offene Ohren für das Projekt zu stoßen.
Bei den privaten Verlagen jedenfalls stößt Wilhelm auf Zustimmung. Der Vorstandsvorsitzende des Springer-Konzerns, Matthias Döpfner, beispielsweise sagte: „Wir halten die Idee für grundsätzlich richtig. Genau so etwas braucht es.“ Die Systemvermischung von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und privaten Medien sieht Döpfner zwar als Problem, aber als ein lösbares, wenn der Wille dazu vorhanden sei.
Das ist eine Kehrtwende bei Springer im Verhältnis zu den öffentlich-rechtlichen Sendern. Noch 2016 erwirkten mehrere Zeitungsverlage, darunter Springer, ein Gerichtsurteil gegen die ARD, das Ende 2017 rechtskräftig wurde (siehe hier). Die Klage der Verlage hatte sich dagegen gerichtet, dass die Tagesschau-App presseähnliche Inhalte verbreite und damit in einen unlauteren Wettbewerb zu kostenpflichtigen Angeboten der Verlage trete. Mit markigen Worten wie „gebührenfinanzierte Staatspresse“ und „Nordkorea“ attackierte Döpfner die öffentlich-rechtlichen Sender.
Diese Gegnerschaft scheint beendet. Zweifellos stehen hinter dem neuen Bündnis wirtschaftliche/finanzielle Erwägungen. Die Konkurrenz neuer, unabhängiger Medien macht den herkömmlichen Verlagen schwer zu schaffen. Die seit Jahren zum Teil dramatischen Auflageneinbußen belegen das. Da tut es den privaten Verlagen gut, wenn öffentliche Gelder fließen. Und wenn es nur für die Infrastruktur ist, über die die Inhalte verbreitet werden können.
Finanziert werden soll die neue gemeinsame Plattform nämlich aus öffentlichen Geldern. Startkosten von 50 Millionen Euro veranschlagt ARD-Intendant Wilhelm. Diese Mittel sollen zwar nicht direkt vom Staat kommen, aber doch indirekt aus Fördermitteln öffentlicher Banken und Stiftungen. Wie die laufenden Finanzierung erfolgt, ist unklar. Gegebenenfalls auch durch die Rundfunkgebühren. Damit würde dann in abgeänderter Form eine Forderung des früheren Vorsitzenden des deutschen Journalistenverbands, Michael Konken, umgesetzt. Dieser hatte sich bereits 2015 angesichts sinkender Auflagenzahlen für eine Haushaltsabgabe für Printmedien ausgesprochen. Ob nun direkte oder indirekte Steuerfinanzierung und/oder Gebührenfinanzierung – eins ist klar. Der Bürger darf zahlen. „Demokratieabgabe“ 2.0.
Aber die finanziellen Nachteile für den Bürger sind noch das geringste Übel. Eine solche neue Medienplattform von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und privaten Presseverlagen hat das Zeug, die Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland substanziell infragezustellen. Dieses Medienkartell würde den Digital-Markt monopolähnlich beherrschen können. Andere Digitalangebote wären dann chancenlos. Sie könnten vielleicht in Nischen weiterbestehen und dort sogar Geld verdienen. Aber wahrgenommen würden sie im öffentlichen Diskurs noch weniger als heute. Der Meinungskorridor würde weiter verengt, Meinungen, die im Widerspruch zu den sogenannten „Werten“ der Plattform stehen, fänden noch weniger Gehör als heute.
Es bleibt die Hoffnung, dass es den Konzernen und Rundfunkanstalten nicht gelingt, diese Plattform tatsächlich aufzubauen. Ganz unbegründet ist die Hoffnung nicht, wenn man den ARD-Vorsitzenden Wilhelm so reden hört: „Ich stelle mir nun einen runden Tisch vor, gerne mit der ARD und anderen Akteuren unter Moderation der Politik, um eine solche europäische Plattform auszuarbeiten.“