Manfred Haferburg / 20.02.2016 / 10:30 / Foto: David Pfister-Senz / 14 / Seite ausdrucken

Ein Nachruf auf das AKW Grafenrheinfeld

Das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld ging letztes Jahr außer Betrieb, planmäßig und ordentlich, wie es immer produziert hatte. Der Reaktor ist jetzt brennstofffrei, die notwendige Kühlleistung des Brennelementenlagers geringfügig. Das Buch „Die Wolke“ entpuppte sich als Horrormärchen. Ein paar Milliarden Euro wurden ohne rationale Gründe der produktiven Sphäre Deutschlands entzogen. Tausend hochqualifizierte Arbeitsplätze sind futsch, weg mit Schaden. Den fehlenden Strom macht man jetzt bei Nacht und Windstille mit Braunkohle.

Die Grundschullehrerin Gudrun Pausewang hat Albert Einstein und Niels Bohr besiegt. Sie hatte im Vorwort zum Buch „Die Wolke“ zum Widerstand gegen die „Atommafia“ aufgerufen und warnte vor einem „Ökozid“ der Gesellschaft. Der ist eingetreten und heißt „Energiewende“.

Am 27. Juni 2015 trennte sich die Anlage endgültig vom Stromnetz. Mehr als 30 Jahre hatte der Meiler zuverlässig, störungs- und CO²-frei die Arbeit von mehr als 3.000 Windrädern an Haushalte und Industrie geliefert, auch bei Windstille.

Die äußeren Umstände der Außerbetriebnahme trugen bizarre Züge. Während sich die Betriebsmannschaft loyal bis zum letzten Kilowatt still in ihr Schicksal fügte, feierte vor dem Tor die grüne Szene höhnisch ihren Sieg über die wirtschaftliche und ökologische Vernunft. Vor dem Kraftwerk fand eine „Abschaltparty“ statt, bei der nach dem Herunterzählen der Sekunden die Sektkorken knallten. Sie knallten im Schatten der Dampfschwaden aus den Kühltürmen des Kraftwerkes, das sich zu diesem Zeitpunkt und noch ganze vier Wochen weiter in Betrieb befand. Die Netzagentur hatte nämlich die Abschaltung untersagt, da der Strom gerade dringend gebraucht wurde. Die Medien feierten unverdrossen mit und kein Politiker ließ sich bei der Betriebsmannschaft blicken.

Wer heute durch die Anlage geht, traut seinen Augen nicht. Glänzender rostfreier Stahl, Ordnung und blitzsaubere Gänge - eine Technologie im neuwertigen Zustand. Immer noch wird nachgerüstet. Zu den dreifach-Sicherheitssystemen wird auf Anforderung der Behörde noch ein Kühlsystem für ein paar Millionen installiert.

Die meisten Kernkraftwerke weltweit haben eine Laufzeit von 60 Betriebsjahren. Grafenrheinfeld geht mit seiner überlegenen Sicherheitstechnik nach der Hälfte dieser Zeit in den vorzeitigen Ruhestand. Die Grünen nennen so etwas abfällig „Schrottreaktor“, obwohl sie die Anlage noch nie in Augenschein genommen haben.

Es ist nicht nur die gepflegte Technik, die solcherart verunglimpft wird. Auch die dreihundert Mitarbeiter müssen Verächtlichmachung ertragen. Und mit ihnen die über tausend Fremdfirmenmitarbeiter. Die meisten wohnen in der unmittelbaren Umgebung des Kraftwerkes. Ingenieure, hochqualifizierte Facharbeiter, Physiker, Köche, Wachmänner, Reinigungskräfte, Sekretärinnen, alles Menschen, die über Jahre hohes Verantwortungsbewusstsein gezeigt haben, müssen sich vorwerfen lassen, dass sie ihre Familien leichtfertig einer Katastrophe aussetzen würden, dass sie als „Atommafia“ gar die Zukunft ihrer Kinder gefährden.

Die Abschaltparty ist vorbei. Ein kalter Wind weht über den halbleeren Parkplatz vor der Anlage. Der Katzenjammer schleicht sich an. Die Energieversorger sind die ersten Opfer der vergurkten Energiewende. Sie wurden kalt enteignet. Die Strompreise sind fast doppelt so hoch, wie vor der Energiewende, der Steuerzahler und Stromkunde wird mit Strom zu ständig steigenden Höchstpreisen zur Kasse gebeten, von zwei Kugeln Eis ist nicht mehr die Rede. Die Klimakanzlerin mutierte zur Flüchtlingskanzlerin und hat sich still von ihren Klimazielen verabschiedet. Auch sie redet nicht mehr über die 3,5 Cent EEG-Umlage, die sie den Wählern einst zugesichert hatte. Der CO² Ausstoß steigt von Jahr zu Jahr. Die Versorgungssicherheit sinkt.

Die Großindustrie flüchtet leise ins Ausland. Die verbleibenden Industriebosse heulen mit den Wölfen, weil sie begriffen haben, dass es sich besser mit Subventionen überleben lässt.

Weltweit sind mehr als 70 neue AKW im Bau, über 200 sind in Planung. Selbst das tsunamierschütterte Japan fährt seine AKW’s nach Modernisierung wieder an. Kein einziges Land der Welt folgt den deutschen Vorreitern einer archaischen Energievision. Wie auch, nach den spektakulären Pleiten der subventionsvernichtenden Solar- und Windfirmen? Wie auch, bei den Strompreisen? Der Traum von der deutschen Zukunftstechnologie wird schneller ausgeträumt sein, als bis Finnland sein radioaktives Endlager in Olkiluoto in Betrieb nimmt.

Die Deutschen sind im Jahre 2016 mit vollem Speed auf einer energiepolitischen Geisterfahrt unterwegs. Aber das ist ja nicht die einzige Geisterfahrt in diesem Jahr der Herausforderungen und Chancen.

Dem Kraftwerksgelände wird eines Tages wieder ein Rübenacker sein. Vielleicht werden sich dort einmal 20 Windräder drehen. Für die 2.880 anderen, die das Kraftwerk dann vollständig ersetzen könnten, müssen noch Standorte gefunden werden.

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Michael Lorenz / 20.02.2016

“Für die 2.880 anderen, die das Kraftwerk dann vollständig ersetzen könnten, müssen noch Standorte gefunden werden.” ... multipliziert mit der Quote aus Tagen, an denen Strom benötigt wird - also 365 -, und Tagen, an denen der Wind weht! Bzw. ergänzt um den Standort des Braunkohle-Kraftwerks, dass bei Flauten aushelfen muss. Ob die Autoren, die sich die Schilda-Geschichte mit dem Einsammeln von Licht in Säcken ausgedacht haben, wohl für möglich hielten, dass eine künftige Realität das noch einmal toppen wird?

Uwe Wilken / 20.02.2016

Wie kommen Sie auf 3000 WKAs, um ein AKW zu ersetzen? Grafenrheinfeld hatte eine Bruttoleistung von 1345 MW. Eine moderne WKA hat eine installierte Leistung von 2-5 MW. Rechnen wir mal vorsichtig: 1200 MW / 2 MW = 600. So ganz störungs- und CO2-frei war der Betrieb wohl auch nicht: So gab es mindestens 4 meldepflichtige Ereignisse; und der CO2-Ausstoß lag bei 1300 bis 3400 t/a. Quelle: Wikipedia “Kernkraftwerk Grafenrheinsfeld”. Die Angaben sind plausibel.

Rüdiger R. Reiner / 20.02.2016

Sehr geehrter Herr Haferburg, ihre Beiträge finde ich immer außerordentlich informativ und erhellend, auch wegen Ihrer Sicht als ehemaliger Mitarbeiter von Greifswald, ex. DDR. Deswegen möchte ich Sie darum bitten, nicht auf den “Grünsprech” bei Vergleichen von Windkraftwerken mit thermischen Kraftwerken hereinzufallen. Da Windkraftwerke zufallsbedingt immer wieder weniger als 1 % ihrer Nennleistung abgeben können (in Summe über alle Windkraftwerke!), braucht man, um nur ein Kernkraftwerk zu ersetzen mindestens 46 000 Windkraftwerke (1400 MW / 3 MW * 0,01), also mehr als jetzt schon in D installiert sind. Auch bei Berücksichtigung der Photovoltaikanlagen verbessert sich das Verhältnis nur marginal. Außerdem experimentiert D mit einer Strom- “wende”, die Energiewende gibt es nicht. Eigentlich ist D der einzige größere Industriestaat, der sich das Experiment der “erneuerbare Energien” im jetzt vorliegenden Maßstab leisten kann: Wo sonst kann ein Land sein Netz stützen lassen wie wir durch französische KKWe, schweizer KKWe und Wasser-KWe, polnische Braunkohle-KWe, selbst dänische Steinkohle-KWe und luxemburger Wasserkraft (Vianden)? Und das sind nicht alle! Wir sind wie ein Parasit, aber wenn es sich die Nachbarn gefallen lassen und auch Dumpingstrompreise bis hin zu “negativen” Preisen akzeptieren ...

Heinz Brunner / 20.02.2016

Sehr geehrter Herr Haferburg, danke, das ist ein interessanter Artikel. Kleines “Gemecker” meinerseits: “die Arbeit von mehr als 3.000 Windrädern” minus “dort einmal 20 Windräder” <> “Für die 2.880 anderen” Schöne Grüsse aus der Schweiz, Heinz Brunner

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