Alain Pichard, Gastautor / 17.02.2018 / 06:21 / Foto: Hyougushi / 15 / Seite ausdrucken

Schluss mit der Metzger-Diskriminierung

Es wird mit Recht ein guter Braten

gerechnet zu den guten Taten.

Wilhelm Busch

Vor einigen Jahren lud mich die SP der Stadt Bern zu einem Podium ein, bei welchem es um die Lehrstellensituation von Migrantenkindern ging. Meine Kontrahentin, Regierungsvertreterin und Direktorin des Sozialamts, Frau Edith Olibet, forderte, dass man den Jugendlichen mehr Lehrstellen anbieten müsse. Auf meinen Einwand, dass es eigentlich genügend Lehrstellen gäbe, dass aber viele Jugendliche die nötigen schulischen Voraussetzungen nicht mehr mitbrächten, um eine Lehre zu bestehen, entglitt der Sozialdemokratin ein bemerkenswerter Satz: „Ja, was wollen Sie denn, sollen die Jugendlichen vielleicht Metzger werden?“

Das erinnerte mich an eine Gegebenheit des vorletzten Bundestagswahlkampfs in Deutschland. Als damals bekannt wurde, dass der TV-Starmoderator und Comedian Stefan Raab Teil der Journalistenrunde sein würde, welche die Kanzlerkandidaten in die Zange nehmen durften, entfuhr einem prominenten SPD-Politiker der Satz: „Jetzt sind wir in unserem Land schon so weit, dass ehemalige Metzgergesellen ein Fernsehduell zwischen Kanzlerin und Kanzlerkandidat leiten dürfen.“

Vor einiger Zeit setzte ein sehr engagierter linker PH-Dozent, bei dem wir zum Essen eingeladen waren, noch einen drauf, als er seinen Gästen sein neuestes Brotkorbprojekt schilderte. Er wolle einen Lehrgang als Schulleiter anbieten, der sich an Leute aus anderen Berufsfeldern richte. Auf das allgemeine Stirnrunzeln am Tisch fügte er beschwichtigend hinzu: „Ich meine natürlich nicht Metzger!“

Ein Meister seines Fachs

Von dem von mir sehr geschätzten SPON-Kolumnisten Jan Fleischhauer stammt der treffende Satz: „Der Dünkel ist eine bemerkenswerte Position für Leute, die ständig das Los der unteren Schichten beklagen, die Schließung der sozialen Schere fordern und ihren Wahlkampf auf soziale Gerechtigkeit aufbauen.“

Als ich selbst noch Mitglied dieser Linken war, bildeten die Sozialdemokraten die Hoffnung für Menschen, die es zu etwas bringen wollten. Die Sozialdemokraten hatten dagegen nichts gegen billigen Strom, tiefe Gebühren und fleischreiches Essen.

Zu dieser Zeit gab es in meiner Stadt Biel noch 50 Metzger. Heute ist diese Zahl auf sechs geschrumpft. Einer von ihnen ist der Metzgermeister Luginbühl. Wer den brutalen Konkurrenzkampf überstehen will, muss gut sein. Peter Luginbühl hat es geschafft. Er war ein Meister seines Fachs, baute sein Geschäft innovativ aus, bot Grillkurse für seine Kunden an und baute mit seinem Sohn ein Cateringunternehmen auf.

Vor allem schuftete er jeweils von früh morgens bis spät abends, sparte, investierte, bildete aus und legte eine Kartei an, um die Vorzüge seiner Kunden besser kennenzulernen. Auch gesundheitlich schaffte es dieser Mann, den tausendfachen Gang zwischen Kühlraum und Kundentheke schadlos zu überstehen.

Bitte keine Verwechslung mit den Akkord-Schlachtern

Er schaffte beeindruckende Mehrwerte, kaufte das Haus, in welchem er sein Geschäft eingemietet hatte, gründete eine Filiale, verkaufte diese einem talentierten Angestellten, sorgte für eine gute Ausbildung seiner Kinder, und er bildete immer Lehrlinge aus.

„Um Metzger zu werden muss man ein guter Schüler sein. Der Beruf ist sehr anspruchsvoll und nicht zu verwechseln mit den Akkordschlachtern“, erklärte mir Herr Luginbühl stets, wenn ich ihm einen meiner Schüler empfehlen wollte. Mittlerweile hat Metzgermeister Luginbühl sein Geschäft an einen jungen innovativen Metzger der Region verkauft und sich pensionieren lassen. In seiner Freizeit hilft er seinem Sohn, der das Cateringunternehmen mittlerweile zu einem florierenden Betrieb umgeformt hat.

Nun, solche Werte zählen bei den Linken kaum mehr. Die klassische marxistische Lehre ordnet die Metzger dem Kleinbürgertum zu, das im gängigen Jargon als Nährboden für den Faschismus bezeichnet wird. Zusammen mit der Wohlstandskritik und der Theorie des Konsumterrors, reichte das wohl aus, diesen Beruf in der linken Werteskala auf den untersten Rang zu setzen.

Vorschriften, umfangreicher als zwei Verfassungen

Die Sozialdemokraten sind natürlich ein Magnet für andere Berufe. Bei den letzten kantonalen Wahlen (sie entsprechen in Deutschland den Landtagswahlen) besetzten die Lehrkräfte auf der sozialdemokratischen Regionalliste 15 der 27 Plätze. Die meisten von ihnen waren über 50 Jahre alt.

Sie sind die Schwundform der altgedienten Engagés und unterzeichnen jede Petition, die für das Gute und gegen das Schlechte wirbt. Ihr Programm? Mehr Geld, mehr Lehrstellen, mehr Staatsstellen, Hauptsache mehr! Vor allem auch mehr Regulierungen! Die Vorschriften, die Herr Luginbühl am Ende seiner Berufstätigkeit zu beachten hatte, waren umfangreicher als zwei Bundesverfassungen.

Die Bundesverfassung lernte auch Reto*, einer meiner derzeit abgehenden Schüler kennen. Sie interessierte ihn. Reto interessiert sich auch für Geschichte, kann gut lesen und ist ein guter Schüler. In Arbeitseinsätzen gehört er zu den arbeitsamsten und einsatzfreudigsten Schülern. Reto hat seinen Lehrvertrag als erster unterschrieben. Er wird Metzger.

*Name geändert

Alain Pichard ist Lehrer, Publizist, Mitglied der Grünliberalen Partei der Schweiz und ehemaliger Statdrat.

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Leserpost

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Edgar Thormeyer / 17.02.2018

Genau, die Metzger und die massenhafte Verbreitung von Schweinefleisch und Schweineprodukten könnte uns helfen, das Abendland zu retten… (Satire aus).

B.Klingemann / 17.02.2018

Für die Mitglieder der Grünen und der SPD symbolisieren Metzger ihr - in ihren Augen - “spießiges” Elternhaus, dem sie immer noch verzweifelt entfliehen.

Gabriele Schulze / 17.02.2018

Bei uns gibt es noch einen gutgeführten und frequentierten Metzgerladen, Gott sei Dank. Der Chef ist auch Jäger und bietet selbstgeschossenes Wild an. Einrichtungen wie diese, wo man Menschen erlebt, die emsig das betreiben, was sie gut können, sollen unbedingt be- und geachtet werden. Unerträglich, diese dümmliche Arroganz in den Zitaten. Ach, und Gott sei Dank wird da auch immer noch kleinen Kindern eine Scheibe Fleischwurst über die Theke gereicht. In manchen steht auch noch der Stuhl für die Betagten, die nicht so lang in der Schlange stehen können. Wunderbar.

Ulrich Jäger / 17.02.2018

“Die erste Generation schafft Vermögen, die zweite verwaltet Vermögen, die dritte studiert Kunstgeschichte, und die vierte verkommt.” (Otto v. Bismarck). Welche Generation hat man eigentlich errreicht, wenn man auf Menschen wie den beschriebenen Herrn Luginbühl herabsieht?

Urs Zev / 17.02.2018

Mõge in der Wurst nur das drin sein, was auch wirklich reingehört! Schönes Wochenende.

Michael Koch / 17.02.2018

Wie sich doch die Zeiten ändern. Früher hieß es: “Handwerk hat goldenen Boden.” - Heute heißt es: “Handwerk am Boden.” Der Handwerker, der Meister ist stolz auf seine Fähigkeiten und auf seine Tatkraft, er hält das ganze Staatswerk am laufen! - Aber Stolz ist ja heutzutage auch ein Begriff, der der politischen Korrektheit zum Opfer gefallen ist. Dabei verwechseln die PC-Apologeten berechtigten Stolz mit dumpfen Übermut. Wobei ihnen ihr eigene Hybris vollkommen entgeht. - Wer kein Fleisch will, der gehe nicht zum Metzger!

Ulla Smielowski / 17.02.2018

Auch ich esse gerne einen Braten, aber nur ein bis zweimal im Monat, sonntags. Für die Zubereitung und das langsame köcheln benötige ich zu viel Zeit…  Dann können aber auch gerne Gäste kommen zum speisen. Aus meiner Erfahrung heraus und meinen Kontakten zu Geschäftsleuten weiß ich, dass ein Geschäft mit Fleischwaren zu viele Unkosten mit sich bringt. Außerdem die Öffnungszeiten des Geschäfts und die Angestellten, Lohnabrechnungen etc. Wer will sich das heute noch antun. Richtig Geld bringt dagegen das Catering. Wer wollte es den Metzgern verdenken, richtig Geld zu verdienen.

Wilfried Cremer / 17.02.2018

In den 60ern gab es noch in jedem zweiten Dorf den Metzgereigasthof mit Hausschlachtung, Kaufladen und Fremdenzimmern (Fließendes Wasser). Für mich Nostalgie pur.

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