Immer dann, wenn persönliche Schuld nicht ertragen werden kann, müssen wolkige Kategorien her, philosophisch-luftige Begriffe, die persönliche Schuld auflösen und quasi in Naturereignisse uminterpretieren, “Unglücke”, die über einen gekommen sind, so wie Tsunami oder Stürme einen heimsuchen können.
Die Deutschen sind da ja Fachleute: Wer auf Kriegsdenkmäler schreibt “Für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft” wo eigentlich stehen müsste: “Für die Opfer deutscher Kriege und deutscher Gewaltherrschaft”, der kennt sich mit sowas aus.
Ein paar Etagen drunter macht Dieter Althaus dasselbe. Er redet von “Tragik” und “Unglück”, so als gäbe es kein persönliches Fehlverhalten, als dessen Ergebnis eine Tote auf der Piste zurückblieb.
Es ist kein tragisches Unglück über Althaus gekommen. Einfach so. Er ist der fahrlässigen Tötung schuldig und zurecht vorbestraft.
Eine bewährte Möglichkeit Schuld abzutragen, ist Demut. Und Schweigen. Doch Politiker können nicht schweigen, von Berufs wegen nicht. Und deshalb läuft die Dieter-Althaus-Interpretationsmaschine bereits auf Hochtouren. Von was man nicht schweigen kann, davon soll man reden, reden, reden: Neues von Althaus. Jeden Tag. Wie geht’s denn Althaus heute? Wieder ein bisschen besser, Gottseidank.
Schwer zu glauben, dass da nicht auch PR-Strategen mitbasteln.
Schwer zu ertragen ist ein Ministerpräsident Althaus, wegen etwas, das er noch gar nicht gemacht hat, aber in Zukunft machen wird: In Kürze wird der Mann über die Marktplätze ziehen müssen. Und er wird ein paar Sätze über den Unfall verlieren müssen.
Und das wird so klingen: In den Abgrund habe er geschaut. Er sei reifer geworden. Er wisse jetzt, wie vergänglich alles ist und genieße das Leben ganz anders. Jeder Tag könne ja der letzte sein.
Ob Althaus das bezweckt oder nicht, ob er es will oder nicht: Althaus wird klingen, als wolle er den Unfall als etwas verkaufen, das einem großartigen Ministerpräsidenten noch ein bißchen besser gemacht hat. Das ihm eine ganz neue Tiefe, eine Menschlichkeit und eine Reife gegeben hat, also zu einer Charakterfigur gemacht hat, in einem Milieu, der Politik, dem es doch so an Charaktertypen und gereiften Mensche fehle.
Hoffentlich sagt dann dem Althaus mal einer, dass persönliche Reifungsprozesse, für die andere mit dem Leben bezahlt haben, keine so schöne Sache sind.
Ein Polititiker mit Tiefe und Lebensweisheit, kein abgehobener Staatsmann: Marketing-Vorteil fahrlässige Tötung.
Es wird erscheinen, als würde Althaus den Unfall instrumentalisieren, so wie er es jetzt in langen Interviews mit der Bild-Zeitung gemacht hat, an deren Ende man sich dabei erwischt, wie man wirklich, etwas benebelt, ausruft: Der arme Mann!
Im Bild-Zeitungsinterview erscheint doch tatsächlich die Pistensau Althaus am Ende als Opfer. Was für eine Umkehrung der Verhältnisse.
Gern wüßte man, was wohl der Mann zum gereiften Althaus sagt, dessen Frau tot ist und dazu nichts mehr sagen kann.
Nein – Althaus: Der geht einfach nicht.