Ben Krischke, Gastautor / 21.07.2018 / 06:25 / Foto: Thomas Bresson / 20 / Seite ausdrucken

Ein Journalisten-Verband, der keiner ist

Eigentlich ist die Sache recht simpel. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft vertritt die Interessen bayerischer Unternehmen, der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter vertritt die Interessen der Milchbauern, der Deutsche Tierschutzbund ist um das Wohl der Tiere hierzulande besorgt und professionelle Hypnotiseure organisieren sich – heißt es jedenfalls auf der Homepage des entsprechenden Vereins – im Deutschen Verband für Hypnose.

Deutschland ist damit nicht nur das Land des Mittelstandes, des Ex-Fußballweltmeisters und der ewigen Gottkanzlerin. Deutschland ist auch das Land der Interessenverbände. Unzählige Vereine gibt es, deren zentrale Aufgaben darin bestehen, nah an Strippenziehern, Entscheidungsträgern und Meinungsführern aus Politik, Medien und Wirtschaft zu "gestalten" oder im Fall der Fälle – etwa bei Angriffen durch Dritte – für ihre Mitglieder in die Bresche zu springen.

Der größte Verband für Journalisten (generisches Maskulinum) hierzulande ist der Deutsche Journalisten-Verband (DJV). Welche Ziele der DJV verfolgt, kann auf der Homepage des Verbandes nachgelesen werden. Dort steht unter "Profil":

"Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) vertritt die berufs- und medienpolitischen Ziele und Forderungen der hauptberuflichen Journalistinnen und Journalisten aller Medien. Er ist politisch wie finanziell unabhängig und handelt ohne sachfremde Rücksichtnahmen. Der DJV achtet und fördert die publizistische Unabhängigkeit seiner Mitglieder."

Solidaritätsbekundungen hier, Einknicken da

Eine Journalistin, die für ihre publizistische Unabhängigkeit gerade in den "sozialen" Medien gesteinigt wurde, ist die DIE ZEIT-Korrespondentin Mariam Lau. Wir erinnern uns: Nachdem sie sich in einem Pro-und-Contra-Beitrag unter dem Titel "Oder soll man es besser lassen?" kritisch mit den negativen Folgen, also der Kehrseite der privaten Seenotrettung auseinandersetzte, brach über sie und die Redaktion der ZEIT die Kommentar-Hölle herein. Denn im Lager der linksliberalen, laut eigenen Angaben echten Demokraten sieht man es bekanntlich gar nicht gerne, wenn jemand – tatsächlich oder auch nur vermeintlich – aus der Open-Border-Utopie ausschert. Die Wut darüber ging so weit, dass man Lau gar Tod durch Erschießen wünschte. Wenn auch indirekt, wenn auch im Deckmantel der Satire, aber dennoch. 

Gleichzeitig kamen aber auch allerlei Solidaritätsbekundungen aus dem erweiterten Kollegenkreis. Von Bild-Chefredakteur Julian Reichelt ebenso wie vom – die Objektivität in der Asyldebatte häufig vermissen lassenden – Stern. Von der Deutsche-Welle-Chefredakteurin Ines Pohl (früher taz) ebenso wie von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer, der mittlerweile auch ein gefragter Gastautor ist, weil er wohl am besten nachvollziehen kann, was es bedeutet, wenn man von den eigenen Leuten als persona non grata geschmäht wird. Aber eine Instanz schwieg zunächst: der Deutsche Journalisten-Verband, der sich für die "publizistische Unabhängigkeit von Journalisten" einsetzt, wie er sagt. Doch jetzt hat das Schweigen endlich ein Ende.

Denn die ZEIT-Chefredaktion hat eine leicht verschwurbelte Entschuldigung für seine Leser veröffentlicht, in der man unterstreicht, dass niemand bei der ZEIT – auch nicht Mariam Lau – der Meinung wäre, dass es eine Alternative sei, Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken zu lassen. Thomas Schmid von der WELT nennt diese Distanzierung zu recht einen „Bärendienst für die Meinungsfreiheit", denn DIE ZEIT-Korrespondentin Mariam Lau hatte dergleichen ja nie geschrieben, nicht einmal ansatzweise. Es handelt sich also einzig und allein um ein Einknicken der ZEIT vor der eigenen empörten Sippschaft, der keine offenkundige Fehlinterpretation zu billig ist, wenn es darum geht, Menschen zu steinigen, die nicht-konforme Meinungen aussprechen oder – wie im Fall von Mariam Lau – nur laut über die Schattenseiten gewisser Dienste nachdenken.

DJV an der Seite der Social-Media-Meute

Und was sagt der Deutsche Journalisten-Verband dazu? Der lobt die feige Aktion der ZEIT auf Twitter: "Überzeugende Erklärung und Entschuldigung von Die ZEIT-Chefredaktion", heißt es in einem Tweet des DJV. Ich fasse zusammen: Über eine Journalistin bricht ein Shitstorm herein, weil sie ihre Arbeit macht, also kritisch hinterfragt. Zahlreiche öffentliche Personen mit ganz unterschiedlichen politischen Ansichten springen ihr zur Seite. Doch der Deutsche Journalisten-Verband – jene Interessenvertretung also, die sich angeblich für die "publizistische Unabhängigkeit von Journalisten einsetzt", begrüßt das Einknicken der ZEIT – und springt damit der hassenden und geifernden Social-Media-Meute zur Seite. Unvorstellbar, oder?

Nicht ganz. Wer den DJV kennt, den überrascht diese bodenlose Peinlichkeit gar nicht so sehr. Denn der Verband fällt immer wieder mit einer politischen Einseitigkeit auf, die an die einschlägigen linken Gewerkschaften erinnert. Anstatt die Interessen aller Journalisten zu vertreten, verfolgt der DJV dabei eine klare politische Agenda. Die zeigte sich eindrücklich im Januar 2016, als der DJV den Blog „Augenzeugen.info" startete, auf dem sich Journalisten gegen politisch motivierte Gewalt gegen ihre Zunft aussprachen. Völlig zu recht war dort von Übergriffen auf rechtsradikalen Demos die Rede. Allerdings blieb es einzig und allein dabei. Kein Wort über Linksradikalismus oder Übergriffe durch Islamisten. Wer die Beschreibung des Blogs las, konnte meinen, Gewalt gegen Journalisten gäbe es ausschließlich von Rechtsradikalen, was selbstredend grober Unsinn ist.

Erst am 16. Juli äußerte sich der Verband außerdem noch zu einem anderen Fall. Als sich der CDU-Politiker Friedrich Merz weigerte, den Ludwig-Erhard-Preis anzunehmen, weil der Publizist Roland Tichy Vorsitzender der Stiftung ist und Merz politisch nicht genehm, sowie in der Folge vier Journalisten aus der Jury austraten, fragte der DJV, ebenfalls auf Twitter: "Journalisten ziehen sich aus Jury der LEStiftung zurück. Welcher seriöse Journalist will sich schon für Rechtspopulismus missbrauchen lassen?" Gegenfrage: Welcher seriöse Journalist will eigentlich Mitglied im DJV sein?

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Ben Krischkes Blog.

Lesen Sie zu diesem Thema auch: 

Der Fall Mariam L.: Amok in der „Zeit“-Gemeinde

Wenn Journalisten nach Zensur rufen

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Leserpost

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Andreas Rochow / 21.07.2018

Der DJV schreibt selbst eifrig an der Geschichte seines Niedergangs, anstatt “den Anfängen” zu wehren. Der mehrheitlich linksgrün indoktrinierte journalistische Nachwuchs sieht seinen Auftrag in einer nie dagewesenen bürgerfeindlichen Kulturrevolution und hat darüber die Fähigkeit des Zuhörens und Hinsehens - also den Verstand! - verloren.

Pit Rabe / 21.07.2018

Die Gleichschaltung der Medien 3.0 (wenn man die DDR- Medien mitrechnet) ist nahezu abgeschlossen. Möglich, dass die in der Mehrheit links-grün und träumerisch schwärmenden “Medienschaffenden” etwas Gutes im Sinn haben. Die zunehmend aggressive Art, auf Andersdenkende einzuwirken, sie öffentlich an den Pranger zu stellen, schlimmstenfalls sie sogar existenziell zu beschädigen, hat mich zum weitgehenden Verzicht auf diesen “Qualitätsjournalismus” bewogen. Wenigstens da, wo man sich als Bürger noch wehren kann, durch Zeitungsabbestellung oder Abschaltung zwangsfinanzierter Fernseh- und Rundfunkausstrahlung. Das Geschehen auf der letzten Buchmesse in Leipzig hat mich bewogen, auch solche Veranstaltungen nicht mehr zu besuchen. Autoren, “Tschournalisten”, Medienschaffende, die ihre Produkte gegen teils horrende finanzielle Erstattungen veröffentlichen, sich aber einer öffentlichen Sachdiskussion entziehen und Andersdenkende diffamieren - sehr beliebt ist der Vorwurf des Populismus - gehen mir gewaltig auf den Keks! Was bleibt? Dank Internet gibt es zahlreiche Veröffentlichungsplattformen, die fernab des staatlich gelenkten “Qualitätsjournalismus” versuchen, der Meinungsmacherphalanx die Stirn zu bieten. Auch deutsch- und englischsprachige Medien aus dem Ausland scheinen mir realitätsnaher und objektiver zu berichten, als viele deutsche (Staats-)Medien. Aus der Evangelischen “Staats"kirche, Vereinen, Gewerkschaften/Berufsverbänden, die statt Mitgliedervertretung im konkreten Lebensbereich zu betreiben, versuchen Mitglieder staatsbürgerlich im Merkelschen Sinne zu erziehen, bin ich konsequent ausgetreten. Wenn einst meine Enkel fragen: “Was hast Du gemacht, als in Deutschland die Demokratie abgeschafft wurde?”, dann möchte ich wenigsten kein Mitläufer gewesen sein, wie Millionen bei der letzten deutschen Tragödie. P.S. Schauen Sie sich mal die Vorteile eines DJV- Mitglieds auf der Website des Verbandes an. Da ahnt man, warum es ist, wie es ist.

Frank Box / 21.07.2018

Hajo Friedrichs brachte es auf den Punkt: “Ein Journalist macht sich niemals mit der Sache gemein, über die er berichtet.” Schreiberlinge, die regelmäßig Bericht mit persönlicher Meinung (Kommentar) vermischen, sind Propagandisten, keine Journalisten! Eine Umbenennung dieses “Verbandes” wäre daher angebracht. Zum Fall “Roland Tichy” möchte ich noch anmerken, dass hierzu David Berger auf “philosophia perennis” alles gesagt hat, was man wissen muss.

Belo Zibé / 21.07.2018

So verkommen anscheinend DIE ZEIT u.a immer mehr zu bescheid-wissenschaftlich-ideologischen   Accessoires in Wohnzimmern,Arztpraxen und öffentlichen Verkehrsmitteln.Und nach den »satirischen« Aussagen Tim Wolffs, hat die Titanic ein Plätzchen auf dem stillen Örtchen mehr als verdient.

Albrecht Hohenseer / 21.07.2018

“Wir erinnern uns: Nachdem sie sich in einem Pro-und-Contra-Beitrag unter dem Titel “Oder soll man es besser lassen?” kritisch mit den negativen Folgen, also der Kehrseite der privaten Seenotrettung auseinandersetzte, brach über sie und die Redaktion der ZEIT die Kommentar-Hölle herein. Denn im Lager der linksliberalen, laut eigenen Angaben echten Demokraten sieht man es bekanntlich gar nicht gerne, wenn jemand – tatsächlich oder auch nur vermeintlich – aus der Open-Border-Utopie ausschert.” Entschuldigung, aber das war doch bloß das übliche Sockenpuppentheater. Die Welt macht das dauernd, die anderen eben nur sporadisch. Es geht dabei immer um das gleiche, nämlich künstliche Konflikte zu produzieren, um die Auflage / Klickzahlen zu steigern. Eine sehr alte und sehr abgeschmackte journalistische Technik. Es geht bei diesem typischen Pro-und Contra-Sockenpuppentheater also überhaupt nicht um die Inhalte. Letztlich würden sie alles schreiben.

Franck Royale / 21.07.2018

Man vergleiche dieses Theater auch mit der Causa Petra Reski. Spiegel-Erbe und Freitag Verleger Jakob Augstein hatte sich von seiner Autorin öffentlich distanziert, nachdem ihm die Sache mit einer Mafia-Recherche zu heiß geworden war, verweigert ihr jeglichen Beistand. Der DJV hatte Augstein damals zurecht dafür heftig kritisiert, nannte sein Gebaren eine “Ohrfeige für alle Freien”.

Helmut Driesel / 21.07.2018

Der etwas bodenständige und einfacher gestrickte Leser wird dazu nicken, weil der es für ein Privileg hält, Geld damit verdienen zu dürfen, seine Meinung oder auch nur Zustimmung öffentlich überall und jederzeit dazu geben zu können. Der Journalistenberuf sieht eben sehr nach etwas aus, das man auch als Hobby betreiben und ansonsten etwas arbeiten könnte. Wäre das tatsächlich so, würde Anbiederung an Regierungshandeln zur Randerscheinung. Solange es da einen materiellen Reiz gibt, der über die gewöhnlichen Lebensschicksale hinaus zeigt, wird es auch Journalisten geben, die sich dem Mainstream anbiedern. Als 1991 die Nannen-Stiftung in großen Anzeigen Förderstipendien für DDR-Abiturienten anbot, die gerne Journalist werden wollten, hat man vermutlich wenig an die Nebenwirkungen des Medikaments gedacht. Es wollten halt alle, die etwas Macht hatten, an dem großen Wurf der Zeitgeschichte, dem Schulterwurf des Westens sozusagen, mit tun. Aber ich denke, mit so ein wenig unverbrauchten DDR-Untertanengeist wird diese Demokratie noch fertig.

Bernhard Maxara / 21.07.2018

“Der Teufel hole die Journale, sie sind das Schandmal unsrer neuen Welt. Der ekle Aushub von dem Wissensmale, das für die Viehmast in den Zuber fällt.” (Franz Grillparzer, 1791-1872)  Zu Grillparzers Zeit kann es nicht halb so übel zugegangen sein wie heute.

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