Es muss in der DDR Menschen gegeben haben, die glaubten, dass Sendungen wie „Der schwarze Kanal“ tatsächlich funktionieren. Sonst hätte man dem „Sudel-Ede“ nicht gestattet, jahrzehntelang Woche für Woche über die Mattscheibe zu flimmern. Ausgestattet mit einer Brille, die die Probleme des „Klassenfeindes“ größer, Edes Augen für den Zuschauer aber wie die eines Maulwurfes erscheinen ließ, wühlte er sich wie Gopher durch seine Wortgirlanden, die er an seinem überlegenen moralischen Partei-Standpunkt festgezurrt hatte.
Hate-Speech war das natürlich nicht, weil Hass auf den „Klassenfeind“ zum antrainierten Betriebssystem des „klassenbewussten DDR-Bürgers“ gehörte, oder zumindest gehören sollte. Zweck war es natürlich, die permanent Westfernsehen schauenden Arbeiterparadiesbewohner nicht mit der Meinungsbildung allein zu lassen, weshalb Schnitzler die Fäden so zog, dass sie auf eine verdrehte und verfälschte Art Sinn ergeben konnten.
Natürlich nur, wenn man ihm glaubte, was jedoch nur die wenigsten taten. Eine Lüge hier, eine Auslassung dort, noch ein günstiger Schnitt – schon war die Propaganda, gemessen an ihren DDR-Möglichkeiten, perfekt. Das ist vorbei, dachte ich. Solche offensichtliche Staatspropaganda könnte es heute nicht mehr geben, dachte ich. Doch ich lag falsch. Der schwarze Kanal feiert in der ARD seine Auferstehung in Berichten über Präsident Trump.
Seit fast drei Jahren versuchen Politik und Medien im Gleichklang, den renitenten Bürgern das Hassen abzugewöhnen. Hass sei keine Meinung und führe letztlich doch nur zu Gewalt – also, warum nicht besser gleich ganz darauf verzichten? Oder noch besser: in die richtigen Bahnen lenken. Denn Hass ist gern gesehen, wenn er nur „den Richtigen“ träfe. Wenn „fortschrittliche Kräfte“ vor AfD-Parteitagen skandieren, was man mit den Abgeordneten am besten tun sollte – die Bäume hätten nicht umsonst so starke Äste – gehe Hass natürlich völlig in Ordnung. Und die versammelte Journaille des Landes möchte neben den AfD’lern am liebsten gleich noch Orban, Kurz, May und besonders Trump erledigt sehen.
Wettbewerb um die verletzendste Beleidigung
Ich habe neulich geschrieben, dass ich Trump nicht mag, und dieser Artikel hat mich dazu veranlasst, darüber nachzudenken, warum das eigentlich so ist. Da ich kein Amerikaner bin, weder Immobilien in New York besitze noch TV-Formate wie jene konsumiere, mit denen sich Trump einen Namen gemacht hatte, war er mir bis zum US-Wahlkampf eigentlich fast unbekannt. Wieso mag ich ihn dann nicht? Doch dann wurde mir bewusst, dass seit etwa drei Jahren eine schrille Oberwelle der Verachtung durch’s Land wabert, die in hunderten Artikeln, Sondersendungen, Unterstellungen und flapsigen Bemerkungen in der Presse und genauso im TV das Bild geprägt haben, was sich Deutsche über Trump machen. Und bis heute geben sich die Medien alle Mühe, das Zerrbild aufrecht zu erhalten.
Die tiefe Spaltung, die unsere US-Korrespondenten der USA täglich attestieren, spiegelt sich vor allem in der medialen Behandlung auf unserer Seite des Atlantik wider. Die eine Hälfte der Staaten hält man für fortschrittlich, modern und unterstützenswert, während die andere in den dümmsten Farben gemalt und reaktionär bis idiotisch dargestellt wird. Dazwischen gibt es nichts mehr, weil unsere Medien Amerika zu einer bipolaren Welt zurechtgeschrieben haben, in der es nichts als Konflikte gebe.
Schwarz gegen weiß, reich gegen arm, #metoo gegen Vergewaltiger, der Rest der Welt gegen Trump. Während ARD und ZDF bei Kurz oder Orban noch ein aktuelles Zitat, einen O-Ton oder eine politische Entscheidung benötigen, um hemmungslos Verachtung zu kübeln, braucht es all das bei Trump längst nicht mehr. Es genügt, dass er ungeachtet deutscher Medienschelte noch da ist, um jeden Kommentator seine Sendeminuten mit Kesselflicker-Tourette füllen zu lassen.
Dem Kackstolz, der die Journalistengesichter nach solchen Schimpftiraden entrückt erscheinen lässt, möchte man am liebsten entgegnen, man möge doch nach solch erleichterndem Toilettengang bitte das Händewaschen nicht vergessen. In Deutschland wetteifern die Journalisten um die zügelloseste und verletzendste Beleidigung Trumps. Als Ritterschlag wünscht man sich offensichtlich, in einem Trump-Tweet persönlich angesprochen zu werden, was als der ultimative Beweis dafür gälte, dass man auf der Seite des absolut Guten stehe, weil das absolut Böse (vulgo Trump) sein „Auge von Barad Dur“ endlich auf das tapfere Schreiberlein gerichtet habe. Doch Trump zieht, anders als sein sexy Vorgänger, beim Anblick deutscher Hysterie nicht mal sein Jackett aus – wie unaufmerksam.
Man nennt das Doppelstandard
So geschehen im Mittagsmagazin der ARD am 17.1.2018, als Stefan Niemann, seines Zeichens ausgerechnet Washington-Korrespondent, Trump aber mal so richtig die Meinung geigte. „Respekt!“ Mit diesem Wort beginnt der Film, aber von nichts ist dieser inhaltlich und der Form nach weiter entfernt, als von Respekt. Denn es gibt eine Art Respekt, den die Höflichkeit erzwingt. Vergisst man diesen und sondert nichts als haltlose Beschimpfungen ab, wird es zivilisierten Menschen schnell widerlich.
Die Würde des Amtes sei dahin und Trump zertrampele „uramerikanische Werte und Traditionen“, geifert Niemann, und ich frage mich, was Niemann wohl damit meinen könnte. Eine uramerikanische Tradition ist zum Beispiel die Meinungs- und Pressefreiheit, welche selbst gallespuckende Korrespondentendarsteller wie Niemann in den Staaten genießen, während die deutsche Bundesregierung und deren Justizminister Maas die Einführung einer privatisierten Zensur beschlossen haben. Eine weitere dieser Traditionen ist es, dass das amerikanische Volk seiner Regierung nicht traut, während es in Deutschland die Regierung ist, die ihrem Volk nicht über den Weg traut.
Nun kann man sagen, dass Kritik die oberste Journalistenpflicht sei, und dass ein Washington-Korrespondent zur Trump-Kritik geradezu prädestiniert ist. Aber auch zu Beleidigung und Beschimpfung? Und wenn das so ist, warum treten die Korrespondenten in Peking, Teheran, Moskau oder Ankara nicht mit ebenfalls wutverzerrten Gesichtern vor die Kameras? Ist das unqualifizierte Gezeter Niemanns nicht gerade der Beweis, dass der uramerikanische Wert der Meinungsfreiheit sogar derlei Unverschämtheiten abdeckt, während dies in anderen Teilen der Welt nicht der Fall ist?
Wenn man aber, wie die ARD, das mangelnde verbale Zartgefühl von Pegida-Demonstranten mit deutschen Regierungspolitikern anprangert und sich dann in derselben Weise über den Regierungschef eines befreundeten Landes äußert, nennt man das üblicherweise Doppelstandard. Nicht mal Kim III. von Nordkorea wird in deutschen Medien derart unzivilisiert abgekanzelt, und der hätte es nun wirklich verdient! Aber nein, ich muss hier wieder an meine gute Erziehung denken und daran, was meine Oma stets sagte: Wer schreit, hat unrecht. Das gilt aber nicht nur für Kim, sondern auch für Kritik am amerikanischen Präsidenten.
Trump habe außerdem „über Generationen gewonnene Verbündete verprellt und verraten“, und ich wüsste doch gern, wie Niemann auf dieses schmale Brett kommt. Wen hat Trump denn verraten? Und ist es nicht eher so, dass es die Europäer und insbesondere die deutschen Politiker und Medien waren, die nach Hillary Clintons Waterloo kleinlaut die Fahnen einrollten, sich beschämt vom Schlachtfeld stahlen, Amerika zum Paria erklärten und Maßnahmen für ein Postatlantisches Zeitalter trafen, noch bevor Trump seine Europapolitik erklärt hatte?
Ich will hier nicht noch weitere Phrasen und Beschimpfungen aus dem Film ein schriftliches Denkmal setzen und auch die verräterischen Textbausteine, die Politiker und Journalisten in diesem Land voneinander abschreiben, nicht zitieren. Schauen Sie sich den Film von Stefan Niemann an und bilden sich selbst ein Urteil über dessen Zurechnungsfähigkeit. Vielleicht lassen Sie sich von einem der Ärzte dabei helfen, die via Ferndiagnose mittlerweile von Demenz, Epilepsie und Syphilis bis hin zu Fußpilz bereits jede Krankheit bei Trump entdeckt zu haben glauben.
Ein Jahr ist es nun her, dass Trump vereidigt wurde und das deutsche Feuilleton Tag für Tag eine Breitseite nach der anderen in Richtung Amerika feuert, ohne dass es zu Wirkungstreffern gekommen wäre. Von Berichterstattung kann längst keine Rede mehr sein, weil buchstäblich jeder Korrespondent seine Rede so färbt, als wolle er Cato den Älteren („Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss“) darin übertreffen, die Zerstörung Trumps zu fordern.
Was außer den willkommenen Anti-Trump-Protesten noch alles in den USA vor sich geht, muss man sich mühsam aus kleinteiligen Pressemeldungen zusammenklauben. Etwa dass die Trumpsche Steuerreform die Unternehmen so stark entlastet, dass Löhne und Gehälter nach vielen tristen Obama-Nullrunden endlich wieder steigen, Investitionen in Produktion und Infrastruktur erfolgen und die Arbeitslosigkeit sinkt. Jeder einzelne dieser Erfolge, für die ein Martin Schulz oder eine Angela Merkel sich auf den Straßen Berlins und den Talkrunden von Will, Illner und Maischberger feiern lassen würde, verliert sofort an Glanz, wenn er von Trump kommt. Stattdessen wird begierig jede Meldung aus Trumps Umfeld zu einem Sturm aufgeblasen, ganz gleich, ob es sich dabei um belanglose Dinge wie Fernsehkonsum, seine Vorliebe für Burger oder die Tatsache geht, dass Trump ein Nashorn von einem Elefanten unterscheiden kann. Das interessiert mich alles nicht die Bohne! Noch billiger sind wohl nur Witze über Trumps Frisur und Haarfarbe, die vielleicht einer Betrachtung durch Heute-Show oder Titanic wert wären, in politischen Artikeln jedoch keinen Platz haben sollten.
Vom apokalyptischen Reiter zum Kronzeugen des Guten
Die prinzipielle „Anti-Trump-Haltung“ hat sich längst verselbstständigt und von dem Land abgekoppelt, um das es ja eigentlich gehen sollte. Man trennt den Menschen Trump von seinem Amt, so als hätte der eine nichts mit dem anderen zu tun, und eine Beleidigung könnte dem Amt, welches die Person bekleidet, nicht schaden. Wie sehr sich die Berichterstattung dem geschichteverändernden Orwell’schen Neusprech angenähert hat, sieht man im Fall Stehpen Bannon sehr deutlich. War er noch vor wenigen Monaten in den Augen der Presse einer der apokalyptischen Reiter, den Höllenfürst Trump auf seinem Pferd „Breitbart“ losschickte, die europäische Presse zu vernichten, ist er nach seinen Aussagen in einem Buch über Trump zum Kronzeugen der Anklage mutiert – einfach so, ohne Umweg, ohne Zwischentöne, ohne Kritik oder Misstrauen. Schimpft Trump weiter auf Bannon, ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis Bannon uns als Widerstandskämpfer verkauft wird, der schon immer gegen Trump war.
Morgen also ist das erste Jahr Trump geschafft. Die Vereinigten Staaten sind im Gegensatz zu den hysterischen Aussagen von Niemann nicht planiert worden. Und während in Deutschland die Regierung feiert, dass der Staat Rekordeinnahmen verzeichnet, die es nun wohltätig zu verteilen gälte, feiern die Amerikaner, dass es mit den Einnahmen der Bürger endlich aufwärts geht. Und während in Deutschland einige ideologisch verblendete Bessermenschen darauf hoffen, dass pseudofeministische Pussymützen und die islamistische Linda Sarsour das Weiße Haus überrennen, könnte Trump sich langsam aber strategisch auf seine zweite Amtszeit vorbereiten, indem er sein süffisantestes Lächeln aufsetzt, sich provokant in den Schritt greift und den Wahlspruch von Bill Clinton repetiert, der es einst mit „It’s the economy, stupid“ ins Oval Office schaffte.
Und Trump, werden Sie nun denken, mag ich den nun plötzlich doch? Ich möchte nicht verhehlen, dass mich die unmittelbaren Folgen seiner Steuerreform ziemlich beeindruckt haben und dass ich seine Entscheidung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, als ehrlichen, konsequenten Schritt empfunden habe, der sich angenehm von der pragmatischen Feigheit früherer Jahre abhebt. Deshalb habe ich entschieden, mich mit pauschalen Urteilen oder Sympathiekundgebungen über den amerikanischen Präsidenten künftig zurückzuhalten und mir nur von Fall zu Fall seine Entscheidungen wertend anzusehen.
Denn zwei Dinge sind offensichtlich: Deutsche Journalisten oder Blogger werden Trump nicht aus dem Amt fegen, egal wie sehr sie sich wie Aktivisten benehmen. Außerdem steht das Wort „Bilanz” für einen Saldo am Ende einer Wirtschaftsperiode oder Amtszeit. Zum einjährigen Jubiläum sollte man dieses Wort auch als ARD-Korrespondent nicht ohne die Vorsilbe „Zwischen-” verwenden, Herr Niemann.
Zum Schluss möchte ich Herrn Niemann noch ein wenig von dem Gift zu kosten geben, dass er so großzügig über dem amerikanischen Präsidenten ausschüttet: Sie sind nicht nur ein peinlicher Korrespondent, sondern, mit Verlaub, ein gefährlicher Geisterfahrer. In diesem Sinne: Happy anniversary, Mister President. Und, liebe Amerikaner, weiterhin viel Spaß mit Eurer Meinungsfreiheit und beim wirtschaftlichen Aufschwung.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.