Archi W. Bechlenberg / 09.12.2019 / 16:45 / Foto: Olaf Kosinsky / 30 / Seite ausdrucken

Ein Herz für Ralle

Ralf Stegner fiel mir zum ersten Mal vor einigen Jahren auf. Damals schaute ich ab und an noch Talkshows, und in einer solchen flegelte sich ein Mensch derart bräsig auf seinem Sitz herum, dass er mir weniger durch die verbale, als die körperliche Sprache sowie die Physiognomie auffiel. Mundwinkel und Nasolabialfalten (auch Kummerfalten genannt) waren so prägnant erworben, in denen hätten Raben nisten können. 

In Talkshows habe ich den Mann seitdem nie mehr gesehen, Fernsehen ist schon lange gestrichen. Doch es gibt kein Entkommen, bei Twitter ist Stegner mehr als präsent. Dort laicht er mit erstaunlicher Penetranz die gruseligsten Blüten ab, was ihm den Kosenamen „Pöbelralle“ eingebracht hat. „Niemand aus Schleswig-Holstein hat mit seinen Tweets so oft für Schlagzeilen gesorgt in den letzten zehn Jahren wie Ralf Stegner.“ formuliert der NDR neutral. „Guten Morgen aus Bordesholm“ übersetzen viele Follower Stegners Tweets in „Guten Morgen aus Borderline“. Seine Tweets – bis heute mehr als 52.000 – sind legendär und verleiten selbst moderate Tweeter zu wenig moderaten Antworten: „Mein Gott #Stegner Sie schaffen es jedes Mal ihre eigene Primitivität und Dummheit nochmal zu übertreffen! Aber darin haben sie Talent immerhin eines...#pöbelralle #spd #spdhatfertig“ schreibt ein Rechtsanwalt zu Stegners Formulierung „rechtsradikalen Bande“, womit Ralle die größte Oppositionspartei im Deutschen Bundestag meint.

Manchmal merkt Stegner selber, dass es ihm nur schwer gelingt, seine Worte in Gedanken zu fassen, dann löscht er Tweets, in der irrigen Vorstellung, damit sei sein Stuss dann auch aus der Welt. Ist er natürlich nicht. Besonders gut in Erinnerung ist mir sein Kommentar zu den sexuellen Übergriffen in Köln zur Jahreswende 2015/16. Nachdem sich diese, anfangs verschwiegen, nicht mehr unter die Auslegware kehren ließen und immer mehr Details ans Licht kamen, kommentierte Stegner das mit Da schlottern einem glatt die Knie :-)“. Ein echter Stegner; zu so etwas wäre kein Ghosttwitterer fähig.

Viel Feind, viel Ehr', könnte man denken. Doch nun das: Die eigenen Leute von der SPD haben Pöbelralle vor die Türe gesetzt. Sein Gespann mit Gesine Schwan – die beiden wollten zusammen SPD-Vorsitzende werden – wurde kläglich aus der Kurve getragen. Welche Steilvorlage für Spötter und Kritiker wäre dieser SPD-Vorsitz geworden! Aber es sollte nicht sein. Der letzte Platz bei der Vorsitzenden-Kür, mehr war nicht drin. Die emeritierte Professorin für Politische Theorie und Philosophie mit einem Nest auf dem Kopf und der „knorrige Linke vom platten Land“ (Tagesschau.de), dieses „Powerduett“ (Stegner) wurden von den wahlberechtigten SPDlern gnadenlos abgewatscht. Für Schwan, die nach eigenen Aussagen ohnehin nie in der Partei aktiv mitwirkte, kein Drama. Aber Stegner, der platte Linke vom knorrigen Land, verlor nicht nur seine Hoffnung auf den halben Vorsitz, sondern gleich im Anschluss auch den existierenden Posten als Parteivize, denn auch bei der Vizewahl rasselte er durch. So ganz kann Parteisoldat Ralle es nicht verstehen: „Gesine Schwan und ich sind viel herumgekommen in den letzten Wochen, und wir haben sehr viel Zuspruch bekommen“, sagte er den Lübecker Nachrichten. Wieso dann trotz sehr viel Zuspruch sehr wenig Stimmen? Offenbar lag das Ergebnis seiner Ansicht nach daran, dass die Delegierten etwas unterbelichtet seien: „Das Wahlverfahren war ja auch nicht ganz unkompliziert.“ Eine Diagnose, die vermutlich nicht einmal gnadenlose SPD-Kritiker stellen würden. Aber Pöbelralle bleibt sich weiterhin, auch gegenüber den eigenen Leuten, treu. Und drohte im gleichen Gespräch damit, dass seine Polit-Karriere mit der Landtagswahl 2022 keineswegs enden werde. „Das wünschen sich viele meiner Gegner. Das haben sich immer schon viele meiner Gegner gewünscht. Aber sie haben immer unrecht behalten.“ Oh oh. Da schlottern einem glatt die Knie.

Besonders traurig wird man in der AfD über Ralles mieses Abschneiden sein. In Stegner, dem linken Knorzer vom platten Land, stets sympathisch und volksnah die Herzen erobernd, hatte man in vorderster Linie einen geradezu perfekten Helfer auf der Suche nach Stimmen, den man einfach nur machen lassen musste. Er braucht keine Vorgaben, keinen Hinweis, keine Anregung: Wo immer ein Fass voller Jauche steht, er findet es zuverlässig und tritt hinein und verkündet es dann allen. 

Auch mir würde er fehlen. Da bin ich ganz anderer Meinung als Roland Tichy, der bei Twitter schreibt „Wir werden unseren Lieblings-Troll Ralf Stegner nicht vermissen“. Doch, werden wir! Mit wem hätten wir denn solchen Spaß wie gerade jetzt, nachdem Stegner auf einen Telefonscherz hereingefallen ist und dem vermeintlichen Walter-Borjans zu erkennen gibt, dass er, nach Rücksprache mit der Gattin, keine Probleme damit hätte, den SPD-Vize Scholz aus dem Amt zu kegeln und durch sich zu ersetzen: „Und, äh, vorstellen kann ich mir das.“ Um Stegner zum Klartext zu verführen, bedarf es keiner russischen Oligarchin. Dazu genügt eine – nicht mal nach Walter-Borjans klingende Stimme am Fernsprecher.

„Kollegialere Führung ist ein Punkt, der uns helfen kann, aus der Krise zu kommen“, sagte Stegner in einem Interview mit der taz. Der Kollege Scholz wird es mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen.

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Horst Jungsbluth / 09.12.2019

Im Gegensatz zu dem ehemaligen Dauerpöbler Herbert Wehner, der seinen eigenen Kanzler ausgerechnet aus Moskau zum Rückzug zwang, fehlt Stegner ein Mann wie Karl Wienand, der rechte und linke Hand zugleich war, einen Skandal nach dem anderen verursachte, dazu noch hoch kriminell war und außerdem 30 Jahre für die DDR-Staatssicherheit arbeitete, für die er 1972 mit einem Trinkgeld die Regierung im Amt hielt, die die SED wollte. Stegner hat wahrscheinlich Pech, dass es die Stasi nicht mehr gibt, aber er kann beruhigt seine “Pfründe” genießen: Diese SPD schafft den Untergang auch ohne ihn!

Heribert Glumener / 09.12.2019

Ralles Vater soll autoritär erzogen worden sein. Ralle selbst soll ebenfalls autoritär erzogen worden sein (Angaben gemäß Ralles Website, Rubrik: Meine Familie). Der Vater soll früher Gastwirt gewesen sein, fünf Kinder (zusammen mit Ralle als Mittlerem in der Geschwisterreihe) (Angaben auf Wikip.). Ob Ralle vom Alten geprügelt wurde, ist nicht bekannt. Unter der Website-Rubrik finden sich mithin hübsche Fotos von Ralles Frau und seinen Kindern (sehen alle ganz nett und wohlgewachsen aus). Unter selbiger Rubrik schreibt Ralle davon, dass er wahre Freundschaften sehr schätze; er sei froh, Freunde zu haben, auf die er zählen könne – auf dem zugehörigen Foto sieht man aber keine Freunde, sondern nur zwei halbe Köppe von hinten (ganz verwaschen, nicht zu identifizieren). – Diese schauderhafte Negativität Ralles, dieses verbitterte, von Hass und Dünkel zerfressene Antlitz. Möglicherweise ist er ein kranker Mensch, wenn nicht sogar ein existenzielles Wrack. Aufrechte Christen mögen ihn der Gnade und Liebe Jesu Christi anempfehlen.

Mathias Rudek / 09.12.2019

Ich wünsche Pöbelralle den Abstieg ins politisch Bedeutungslose. Dieser Berufs-Kotzbrocken hat immer in vielen und üblichen Politsendungen ständig pöpelnd seine Rects-Links-Klischees bedient. Heute kann ich den ehemaligen Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein Harry Uwe Carstensen verstehen. Der hat ihn richtig verachtet.

M.R.W. Peters / 09.12.2019

Stegner hat einen ähnlichen Nachfolger: Johannes Kahrs. Dessen Reden machen mir auch unwohl.

Bernd Klingemann / 09.12.2019

Die Gier und die Eitelkeit waren schon immer stärker als die Vernunft. Ja, auch Ralf Stegner ist eitel. Irgendwie tut er mir leid, der arme Hund. Was muss der sich jetzt zuhause anhören…

Rolf Mainz / 09.12.2019

“...aus der Krise zu kommen” meint Herr Stegner? Ja, Moment einmal, wir befinden uns in einer Krise? Seit wann dies denn? Und dies bei einer solch leistungsfähigen GroKo? Und welche der vielen Krisen, in die sich Deutschland selbst hineingesteuert hat, meint der gute Herr denn genau? Die Migrantenkrise, die Asylkrise, die Sicherheitskrise, die Bundeswehrkrise, die EU-Krise, die anstehende Wirtschaftskrise, die Bildungskrise, die Wohnungskrise, die GroKo-Krise, die deutsche Journalismus-Krise, die Kanzlerinnenkrise, die SPD-Krise - ach Gottchen, fast vergass ich die allerwichtigste der Krisen, die Klimakrise natürlich. Werter Herr Stegner, beginnen Sie doch einfach mit der Arbeit an der Ihnen nächst liegenden Krise, der Stegner-Krise. Schaffen Sie diese Krise aus der Welt, verbessern Sie die deutsche Politik massgeblich und nachhaltig - schaffen Sie endlich Ihre Person selbst aus der Politikwelt.

Wolfgang Kaufmann / 09.12.2019

@Sabine Schönfelder: „Daß er häßlich ist, dafür kann er nichts.“ – Mit zwanzig Jahren hat jeder das Gesicht, das Gott ihm gegeben hat, mit vierzig das Gesicht, das ihm das Leben gegeben hat, und mit sechzig das Gesicht, das er verdient. Und sechzig ist er inzwischen. – Hass macht hässlich, das steht ja auch vielen älteren Kommunisten ins Gesicht geschrieben.

Belo Zibé / 09.12.2019

Bereits der Duft verrät, wie eklig schlechte Milch ist. Durch Wärme und lange Lagerung werden Milchsäurebakterien dazu angeregt, Milchzucker abzubauen. Dadurch entsteht Milchsäure, eine Art Stoffwechselprodukt der Bakterien, welche zum sauren Geruch und Geschmack führt. Und irgendwie vermute ich da einen Zusammenhang mit Ralle Stegners Physiognomie, Kummerfalten und Twitterprodukten.    

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