Chaim Noll / 16.09.2020 / 06:02 / Foto: Zielke/ZDJ / 157 / Seite ausdrucken

Ein Festakt von kaum zu überbietendem Trübsinn

Mit einem Festakt von kaum zu überbietendem Trübsinn beging der Zentralrat der Juden in Deutschland gestern sein siebzigjähriges Bestehen. Ich habe mir in Israel den von Rundfunk Berlin-Brandenburg ausgestrahlten Live-Stream angesehen und musste ihn mehrmals verlassen, um im Garten Luft zu schnappen, ein paar Granatäpfel zu ernten oder meinen Augen die Wohltat des blauen Himmels über der Wüste zu gönnen. Mich zu erholen von all dem Schwarz, all den bitteren, biestigen Mienen, dem überalterten, hoffnungslosen Publikum, das vor der Kulisse einer Synagogen-Ruine in Berlin zusammenkam.

Dieses Publikum war homogen, politisch-korrekt, im Mindestabstand auf weiße Plastikstühle platziert und von geradezu hypnotisierender Langeweile. Verehrer des Israel-hassenden Mullah-Regimes in Teheran wie Claudia Roth setzten gewisse Akzente, auch der von Auschwitz inspirierte deutsche Außenminister, zahlreiche ehemalige oder noch amtierende Bundesminister und natürlich die Kanzlerin, der devote Schmeicheleien vonseiten der Zentralrats-Funktionäre galten. Sie wird, trotz ihrer Blindheit gegenüber muslimischem Judenhass und ihrer dubiosen Haltung gegenüber Israel, in diesen Kreisen tatsächlich noch hofiert.

Die Misere des Zentralrats der Juden ist schon in seinem Namen enthalten: Er ist das zentrale, konkurrenzlose, überwiegend von Gnaden der Bundesregierung, von ihren Subventionen abhängige, offizielle Gremium einer niedergehenden, zunehmend marginalisierten Gemeinschaft. In anderen westlichen Ländern werden die offiziellen jüdischen Gremien von den Juden selbst finanziert, sie sind stark und autonom, es gibt ihrer viele, sie spiegeln eine Diversität und Kreativität des Judentums wider, von der in Deutschland fast nichts zu spüren ist. Denn in Deutschland ist der Staat der Geldgeber, und das macht das einzige offizielle jüdische Gremium, den Zentralrat, zu einem Appendix der Bundesregierung, deren Politik er in jedem Fall vertreten muss, selbst wenn sie den deutschen Juden schadet.

Dadurch wird er zu einem peinlichen Verein aufs Gestern fixierter, serviler Funktionäre, von dem sich viele deutsche Juden nicht vertreten fühlen. Vor allem die jüngeren nicht. Hier liegt einer der Gründe für die tragische Überalterung und den rapiden Mitgliederschwund der jüdischen Gemeinden in Deutschland. Die Kinder der eingewanderten russischen Juden treten in großer Zahl aus den Gemeinden aus. Von den in Deutschland lebenden meist jüngeren Israelis ist bekannt, dass sie die staatlich kontrollierten Synagogen meiden und Shabat und Feiertage unter sich, in eigenen „Kulturvereinen“ begehen. Warum sollten sich junge Juden für den Zentralrat engagieren, ihn womöglich unterstützen, da er sich – wie auch bei diesem öden Festakt deutlich wurde – vornehmlich der Vergangenheit verschrieben hat, einem Judentum der Katastrophe und der Gräber?

Daher trug die Veranstaltung, eigentlich als grandiose Selbstbestätigung gedacht, den Charakter einer Trauerfeier. Die Redner betonten mit sorgenvoller Miene die Zunahme des Antisemitismus in Deutschland, der das jüdische Leben erneut prekär und riskant werden lässt. Der Versuch einer Revitalisierung des einst glanzvollen jüdischen Lebens in Deutschland ist gescheitert. Zumindest in dem Sinne, dass man dieses heutige Dasein beim besten Willen nicht vital nennen kann. Sätze wie „Wir dürfen uns über ein blühendes jüdisches Leben freuen“ in der Rede der Kanzlerin entsprechen einfach nicht den Tatsachen. Es schmerzt mich, das schreiben zu müssen,

Ich wünsche den deutschen Juden eine Zukunft und eine ihren Fähigkeiten angemessene Rolle in der deutschen Gesellschaft.

Stattdessen verbarrikadieren sie sich gegen einen Ansturm judenfeindlicher Attacken. Der zunehmende Antisemitismus erklärt sich zum größten Teil daraus, dass man unentwegt muslimischen Judenhass nach Deutschland importiert, und dieser importierte Judenhass den bereits im Land vorhandenen, sei er von rechts oder von links, ermutigt und stärkt. Die Realität der deutschen Schulhöfe, auf denen das Wort „Jude“ erneut zum Epitom des Verächtlichen und Verfolgungswürdigen geworden ist, hat ein selbstbewusstes Dasein der nächsten jüdischen Generation schon jetzt zunichte gemacht.

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats, wagte immerhin, ein muslimisches Attentat der letzten Jahre überhaupt zu erwähnen, Festrednerin Merkel tat jedoch, als hätte sie davon noch nie gehört und beharrte auf dem Narrativ einer überwiegenden, wenn nicht ausschließlichen Bedrohung durch „Rechtsradikale“. Ihre Botschaft war eindeutig: Ihre Regierung ist nicht willens, den muslimischen Judenhass, die von den deutschen Juden nach allen Umfragen als am größten gefühlte Gefahr, überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.

Zu spät schwenkte die Kamera ab, um nicht noch das eiskalt-unbeteiligte Gesicht der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken zu zeigen, die während der sinnlosen und sentimentalen Rede der Kanzlerin ihr Smartphone checkte und Kurztexte tippte. Wenigstens sie hat die vertane Zeit dieser Feierstunde einigermaßen sinnvoll genutzt.

Foto: Zielek/ZDJ

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Hermine Mut / 16.09.2020

Deutsche Juden sind eine Minderheit deutscher Staatsbürger, wie inzwischen wohl auch schon deutsche Christen, deutsche Muslime (:-((  wegen deren massenhafter invasiven , überwiegend mit unserer Kultur inkompatiblen Einwanderung), deutsche Buddhisten, Hinduisten etc. ?  Also eine kulturelle , soziale Gegebenheit - oder doch ethnisch-biologisch ??  Bzw : gibt es atheistische Juden ? Wäre ein atheistischer deutscher Jude nicht schlicht - ein Deutscher ?

Albert Sommer / 16.09.2020

Ursachen und Wirkung. Lieber Herr Noll, ich teile ihre Einschätzung zu 100%. Erlauben Sie mir bitte das ich zu diesem wichtigen Thema auch einen Link poste,  zu einem Kommentar von Björn Strietzel der heute (ausgerechnet) bei Bild-Online erschiehn. Ich halte diesen Kommentar für einen der besten den ich jemals auf diesem Käseblatt lesen durfte. Die Thematik darin richtet sich zwar zentral um eine höchst positive Entwicklung zwischen Israel, Bahrein und den Vereinigten Arabischen Emiraten bei der Trump bzw. sein Schwiegersohn viel beigetragen haben. Der KERN zielt aber genau auf die aktuellen VORSÄTZLICHEN Versäumnisse Deutscher Politik. Eine von der SPD geprägten, zutiefst antisemitischen Politik. Erfreulich, in welcher Offenheit dort auch endlich jene politischen Amtsinhaber namentlich genannt werden, die permanent der deutschen Bevölkerung jenen “unterschwelligen” Antisemitismus vorwerfen, der Ihnen selbst neben ihrer persönlichen Verliebtheit zum Iranischen Mörderregime AUS ALLEN POREN TRIEFT!!! Soviel vorweg, der Artikel wirft BERECHTIGT und in angenehm ehrlicher und transparenter Form die Fragen auf die das Außenministerium und ein selbsternannter Oberbevormunder der Deutschen auf Schloss Bellevue sich stellen müssen. Wer im Glashaus sitzt sollte nicht mit Steinen werfen, stimmt es nicht Herr Maas, Herr Annen und ganz besonders Herr Steinmeier. Letztgenannter ist ganz besonders als ehemaligen Wegbereiter dieser Entwicklungen unbedingt zu erwähnen. Beherrscht doch ausgerechnet er wie kein Zweiter in Deutschland bei Antisemitismus „Haltet den Dieb“ zu blöken!  Das ist Politik für die man sich als Deutscher Bürger nach Jahrzehnten wieder einmal schämen muss! Und genau diese politische Geisteshaltung ist ein Hauptgrund für die Zustände die Sie Herr Noll so treffend schildern. Der Fisch in Deutschland stinkt am Kopf und nur da. Und je mehr Personal der heutigen SPD im Kopf ist umso mehr stinkt er!

R. Schäfer / 16.09.2020

Ich bin ja nur ein Laie, aber die nun offiziellen Beziehungen zwischen Israel und den Golfstaaten hat mich positiv überrascht. Die rückwärts gewandten Länder des nahen Ostens hat es negativ überrascht. Deutschland ist der Gegenentwurf dazu. Die einen gestalten Zukunft während die Politikerkaste sich in der Vergangenheit sudelt. So wird in der Rede von Hoffnung für die Zukunft gesprochen und die stirbt ja zuletzt, also bald. So, und ob die Politikerkaste in der Parteien-Beliebigkeit den Nazi als Feindbild braucht, wie alle ebenfalls rückwärts gewandten Länder des nahen Ostens zum Nazi stehen und warum die Politikerkaste diesen Ländern so nahe ist und ihre Bevölkerung fast schon keine andere Wahl lässt, als hierhin zu kommen, das lasse ich als Fragen stehen. Zwinker Smiley.

Dietmar Blum / 16.09.2020

Herrn Dr. Karl Wolf / 16.09.2020: “Mittelmaß”? Dann möchte ich nicht wissen, was bei Ihnen unter diesem Mittelmaß angesiedelt ist.

Edgar Jaeger / 16.09.2020

Sie bringen es auf den Punkt. Der Zentralrat vertritt nur Juden die Juden gemäß der Halacha vertritt. Aber was ist mit den Juden die Juden gemäß der Nürnberger Gestze sind? Wenn es nicht sein muß trage ich keine Kippa und esse gerne einen Schweinsbraten, habe auch kein Recht israelischer Staarsbürger zusein. Dennoch nach den Nürnberger Gesetz wäree ich Jude - und ich ich bin nicht der Einzige. Kein Wunder daß die Russen die Gemeinden verlassen

Christian Beilfuss / 16.09.2020

3 Das ist schlimm bei allem, was unter der Sonne geschieht, dass alle dasselbe Geschick trifft. Auch ist das Herz der Menschen voll Bosheit, und Verblendung ist in ihrem Herzen, solange sie leben, und danach - zu den Toten. 4 Doch wer zu den Lebenden gehört, hat Hoffnung; denn ein lebender Hund hat es besser als ein toter Löwe. 5 Die Lebenden wissen, dass sie sterben werden, die Toten aber wissen gar nichts, und sie haben keinen Lohn mehr, denn die Erinnerung an sie ist geschwunden. 6 Ihre Liebe, ihr Hass, ihre Eifersucht sind längst dahin, und auf ewig haben sie keinen Anteil mehr an all dem, was unter der Sonne getan wird. (Prediger 9) Zeiten habe ich erlebt, da gab es mehr Löwen im Zentralrat, die lauter, kritischer und selbstbewusster ihre Stimme gegen Entwicklungen in der Bundesrepublik erhoben haben - und damit deutlicher die Angehörigen des jüdischen Volkes in Deutschland vertreten und geschützt haben, als jene, die die bigotten Formeln der Bundesregierung nachsprechen, in denen Judenhass zu einem “Antisemitismus” als Randerscheinung von Fremdenfeindlichkeit verkleinert wird, sofern er von jenen ausgeht, die die ihre religiöse Fremdheit hierzulande als angeblich Meistverfolgte abfeiern. In Neukölln, z.B. begegnet man Großpalästina an der silbernen Halskette alltäglich dutzendfach. Einen Davidstern trägt hier, aus Selbstschutzgründen, niemand um den Hals. Dabei muss man gar nicht Jude sein, um hier von einem Mob Jugendlicher beschimpft zu werden. “Du Jude” ist denen die Steigerung von “Hurensohn”.  Ich hoffe auf eine Wende.

Volker Kleinophorst / 16.09.2020

@ F. Stricker Ja als John Wayne war Altmaier vorgesehen, aber der kam dann an einer Bäckerei nicht vorbei. Natürlich steht da kein Held auf der Bühne. Da würde doch Merkel sofort wieder zittern.

Volker Kleinophorst / 16.09.2020

@ R. Loewe Ist doch eigentlich ganz einfach: Den jüdischen “Eliten” ist ihr Volk so egal, wie den deutschen “Eliten” das ihre. Weiteres finden sie unter “Verschwörungstheorien”.

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