Ein Fest der Tunixe, Intriganten und Drückeberger

Der Bundestag hat sich in seltener Deutlichkeit als ein unterhaltsames, aber vor allem frustrierendes Intriganten-Stadl gezeigt. Die Abstimmung über ein eher harmloses Gesetz zur besseren Kontrolle der Zuwanderung wurde zu einer Show der Tunixe, Schlamper und Drückeberger. 

Die Tunixe von SPD und Grünen konzentrierten, völlig losgelöst von der Erde und den jüngsten Gewalttaten aus dem Migranten-Milieu, ihre ganze kreative Kraft darauf, den künftigen Bundeskanzler kaltzustellen. Sie stimmten gegen Vorschläge, die sie längst selbst in anderen Gremien gemacht hatten, mit dem hehren Ziel, Friedrich Merz eins auszuwischen. Ein Lehrbeispiel klassischer Parteipolitik auf Kosten der großen Mehrheit der Bevölkerung.

Als Drückeberger tat sich ein Haufen Liberale hervor. Während die Parteiführung in feinen Reden bekannte, dass in Sachen Migration endlich etwas geschehen muss, verdrückte sich ein Teil der Mannschaft klammheimlich durch die Hintertür. Die Armen hatten offenbar Angst, sich mit dem Unberührbarkeits-Virus der AfD anzustecken. Hätten sie sich nicht verdrückt, sondern den Mut ihrer Vorderleute gehabt, dann wäre Friedrich Merz als Sieger aus dieser Abstimmung hervorgegangen. Ihm fehlten 13 Stimmen, die Liberalen Schwänzer hätten diese Lücke leicht füllen können. Darum meine FDP-Bilanz: Vorne hui, hinten pfui.

Angela Merkel als Rachegöttin

Die zwölf Damen beziehungsweise Herren aus den eigenen CDU-Reihen, die Merz im Stich gelassen haben, hätten nicht ganz gereicht. Aber sie wollten wohl auf Nummer sicher gehen, dass ihr Parteifreund über seine, beziehungsweise die Füße seiner lieben Mit-Christdemokraten stolperte. Fast könnte man meinen, dass Angela Merkel als Rachegöttin ihre immer noch vorhandene Magie hat spielen lassen.

Das wäre eine klassische Intrige gegen den Nachfolger, den sie sich auf keinen Fall in dieser Rolle gewünscht hat. Erstens, weil sie ihn nicht mag. Und zweitens, weil er ihre CDU, die sie ja in eine CDUSPD+Grün verwandelt hat, wieder in eine Original-CDU zurückverwandeln will. Angela Merkel hat zwar mit ihrer Umarmungspolitik zu ihrer Zeit der SPD viele Wähler abspenstig gemacht. Aber das lohnt sich heute nicht mehr. Die SPD besteht inzwischen ja nur noch aus Haut und Knochen. Wenn sich da jemand im Grab umdrehen würde, dann ja wohl Willy Brandt und Helmut Schmidt.

Wie auch immer: Friedrich Merz hat dank seiner eigenen Partei und scheinbarer Freunde in der FDP eine Bauchlandung hingelegt. Er zahlt den Preis dafür, dass er sich was getraut hat. Er wollte einen Donald Trump machen, indem er den Rotgrünen vorführte, dass er nötigenfalls auch mit den Stimmen der AfD sein Programm über die Bühne bringt. Beim ersten Anlauf hat es geklappt. Im entscheidenden zweiten Anlauf hat er zu spüren bekommen, dass in der deutschen Politik Wagemut als ungehörig empfunden und im Zweifel bestraft wird. Merz ist kein Mr. President, er ist ja noch nicht mal Kanzler.

Ein Kampf der Möchtegern-Gladiatoren

Wer war der Elefant im Plenarsaal? Ach ja, die AfD. Sie war die Drohung, mit der Merz seine künftigen Koalitionspartner zähmen und zur Zusammenarbeit zwingen wollte. Die wiederum witterten einerseits die Gefahr, nicht mehr allein als künftige Partner infrage zu kommen. Vor allem aber witterten sie eine Chance, dem frechen Merz mit seinem Tabu-Bruch ein Bein zu stellen. Das gelang, unterstützt von liberalen Flüchtlingen und den Nichtfreunden in der eigenen Partei. 

Es war ein Kampf der Möchtegern-Gladiatoren. Merz schwang – wenn auch unausgesprochen – die AfD als Keule, Rotgrün konterte mit der Brandmauer als Knüppel.

Und jetzt? Friedrich Merz tröstet sich mit dem Spruch, er sei mit sich selbst im Reinen. Noch reiner wäre er mit sich selbst, wenn sein riskantes Spiel aufgegangen wäre. Jetzt steht er erst einmal mit einer schweren Niederlage da, noch ehe er zum Kanzler gewählt ist. Sein Glück ist, dass die Pleite so spät gekommen ist. Zu spät für Konkurrenten aus der eigenen lieben Parteienlandschaft, die es auch gerne machen würden.

Eigentlich ging es ja um etwas

Wer aber hat in dieser Arena eigentlich gewonnen? Scheinbar Rotgrün. Man jubelt den kurzen Jubel einer Truppe, die auf die Frage, worüber sie eigentlich jubelt, keine Antwort hat. Ja, die Brandmauer steht. Aber das Publikum konnte sehen, dass die Rotgrünen über dieses Mäuerchen völlig vergessen haben, wofür sie als Politiker eigentlich da sind: für die Leute, denen sie dienen sollten. Zugegeben, ein weltfremdes Konzept.

Trotzdem, man kann ja mal fragen, worum es eigentlich ging. Ach ja, da war das Problem mit der unkontrollierten Zuwanderung und der überproportionalen Kriminalität in Migrantenkreisen. Und damit das Problem, dass immer mehr Leute ihr Deutschland nicht mehr wiedererkennen und sich vielerorts nicht mehr sicher fühlen. Und ganz nebenbei auch das Problem, dass zwei Drittel der Wähler sagen: Es ist höchste Zeit, dass etwas geschieht. Das sagen auch jede Menge SPD-Wähler, sofern man bei SPD-Wählern noch den Begriff „Menge“ verwenden kann.

Also eigentlich ging es ja um etwas. Und wenn man diesen Maßstab anlegt, dann hat Friedrich Merz wenigstens gewagt, etwas zu tun. Er hat offensiv gespielt, während Rotgrün nur gemauert hat. Gebrandmauert. Im Fußball zählen die Tore, aber in der Politik zählt der Publikumspreis. So dürfte sich Friedrich Merz trotz seiner Abstimmungsniederlage mittelfristig doch noch als – wenn auch angeschlagener – Sieger entpuppen. Wie aber will er in ein paar Wochen als Kanzler mit den Mauer-Meistern von Rot und/oder Grün oder gar mit den Flucht-Rehen der FDP etwas erreichen? Es droht ein Kabinett der wunderbaren Freunde zu werden.

 

Rainer Bonhorst, geboren 1942 in Nürnberg, arbeitete als Korrespondent der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in London und Washington. Von 1994 bis 2009 war er Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen-Zeitung.

Foto: Illustration Rudolf Wildermann

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Leserpost

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W. Renner / 01.02.2025

Ich behaupte mal, Friedrich Merz hat das Ergebnis bekommen, das er sich wünschte. Ansonsten müsste er ja Verantwortung übernehmen. Ein Bergriff, der im Wörterbuch des Politbüros nicht existent ist.

sybille eden / 01.02.2025

Die Politparasiten hatten wieder einmal einen lächerlichen und absurden Auftritt in ihrem Politischen Kinderzirkus. Dass muss alles weg. Einfach nur ekelhaft.

T. Schneegaß / 01.02.2025

@Th. Gerbert: Da Sie den Unterschied zwischen dem “Einschließen auf dem Klo” und dem “Stehen zu seiner Meinung” für oder wider einer Sache nicht verstehen wollen, erübrigt sich ein weiterer Gedankenaustausch. Nur soviel: selbst in der überflüssigen FDP hatten wenigstens zwei die Cojones, zu ihrer Meinung zu stehen, auch wenn ich deren Meinung fundamental ablehne.

Dietmar Herrmann / 01.02.2025

Der Fritz mag ein eigenwilliger Typ mit Macken sein, aber er hat zumindest versucht, im Interesse des Landes zu handeln, was ja eine weitestgehend ausgestorbene Tugend ist. Ihm war genauso wie der ungepflegten Adipösen bewußt, daß man sich durch das Absondern woken Bullshits zu Everybody`s Darling macht, während verantwortungsethisches Handeln einen zum Nahtzieh stempelt. Er hat sich trotzdem für letzteres und damit für Prügel entschieden und davor ziehe ich den Hut. Meine Wählerstimme erhält er trotzdem nicht, da habe ich eine Alternative.

Oliver Hoch / 01.02.2025

Ja, der Merz. Gleichzeitig Brandmauer und vernünftige Politik, das geht eben nicht. Tschüss. Es gibt da noch einen, der Kanzler werden könnte. Wenn er nicht seehofert, sondern sich traut.

Holger Kammel / 01.02.2025

Angeblich würde die Abweisung der fluchtschluchzenden gegen die Verfassung und Europarecht verstoßen. Daher die Rechtslage: Eine Verfassung haben wir nicht. Wir haben ein uns aufgezwungenes Grundgesetz. Das enthält dann den vollendeten Schwachsinn, wie “Die Würde des Menschen ist unantastbar.” Die hohlste und dümmste Phrase der gesamten Menschheitsgeschichte. Versehen mit “Ewigkeitsgarantie.” Dazu muß man schon dumm im Quadrat sein, um so etwas niederzuschreiben. In Artikel 16a wird das Asylrecht geregelt. Wohlgemerkt, “politisches Asyl.” Der Rest ist grundgesetzlich nicht geregelt. Anerkennungsquote derzeit, niedriger einstelliger Prozentbereich. Das wird in Absatz 2 eingeschränkt Sinngemäß, wer aus einem sicheren Drittstaat kommt, hat keinen Anspruch auf Asyl. Das schließt allerdings die Gewährung von Asyl nicht aus. Allgemein gilt: Ein Recht, das Dir explizit verweigert wird, kommt einem Verbot gleich. Im niedrigen zweistelligen Prozentbereich greift die Genfer Konvention über den Schutz von Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen. Gelegentlich wird argumentiert, das Absatz 2 hier nicht gelten würde. Lächerlich! Die höchste grundgesetzlich gewährte Schutzstufe hat Einschränkungen und für niedrigere Schutzstufen würde das nicht gelten. 3. Status: Duldung. In europäische Verordnungsform (Die EU kann keine Gesetze beschließen oder erlassen, da kein Staat, daher Verordnungen, die anschließend in nationales Recht umgesetzt werden müssen) erlassenes Unrecht. Grundgesetzändernde internationale Verträge müssten mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag ratifiziert werden, sonst ungültig. Wurde übrigens 2013 “verordnet,” Wer immer noch glaubt, 2015 ist einfach so passiert, kriegt wahrscheinlich auch regelmäßig Besuch vom Weihnachtsmann. Ich persönlich glaube ja an den Osterhasen.

Th. Gerbert / 01.02.2025

@T. Schneegaß. Sie schrieben: “@Th. Gerbert: Sie halten also das Weglaufen vor einer Abstimmung und damit gar keine Meinung zu äußern für “Gewissen” und die Folgen daraus für “gelebte Demokratie”? Sie wissen schon, als was Sie sich hier outen!?” In der Tat sind mir Abgeordnete, die plötzlich “die Grippe” ereilt, und die deshalb einer Abstimmung fernbleiben, immer noch lieber, als solche, die sich opportunistisch und aus karrieretechnischen Gründen einem gefühlten Fraktionszwang beugen. Nur in Diktaturen gibt es Zwangsabstimmungen, bei der fernbleibende Bürger und Abgeordnete bestraft werden. Der Begriff “Gewissen” ist ein Zitat aus Art 38 (1) GG: “Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages (...)  sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.” Der Begriff “Gewissen” drückt hier die Freiheit der Entscheidung aus; keine wertende Interpretation im Sinne von “edelste Absichten”. Ich darf außerdem daran erinnern, dass das Durchwinken des “5-Punkte-Plans” am Mittwoch auch nur deshalb zustande kam, weil z.B. einige Abgeordnete der Grünen etc. der Abstimmung fernblieben. Man kann also schlecht das Fernbleiben einerseits feiern, andererseits verteufeln, je nachdem, ob einem das Ergebnis passt oder nicht - das finde ich inkonsequent. Es wäre natürlich wünschenswert, wenn alle Abgeordneten jeweils den Mumm hätten, sich zumindest bei der Stimmabgabe zu enthalten, aber leider hat die Fraktionszwang-Kultur dazu geführt, dass das Fernbleiben das Minimum zu sein scheint, was einige sich zutrauen. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass grundsätzlich Anträgen zugestimmt wird, egal, wer sie einbringt, wenn der Inhalt gefällt, und dass der Fraktionszwang grundsätzlich wegfällt, und man parteiintern alle Abstimmungen freigibt.

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