Reinhard Mohr, Gastautor / 21.09.2022 / 11:00 / Foto: Imago / 37 / Seite ausdrucken

Ein Fall für Frau Roth: Autokorso am Brandenburger Tor

Die Berliner Polizei verdirbt einer Großfamilie, die mit ihren Mittelklasse-Autos bis vor das Brandenburger Tor gerollt ist, die Hochzeitsfeier. Dem Bräutigam entzog man den Führerschein, die Braut musste aussteigen und zu Fuß gehen. Womit haben wir es hier zu tun? Mit rassistischer Diskriminierung oder kultureller Aneignung?

Tag für Tag verspricht Bundeskanzler Olaf Scholz, dem in Sachen Achtsamkeit niemand etwas vormacht: „You’ll never walk alone!“ Niemand bleibt unbeachtet. Das hätte am Montagabend auch eine Hochzeitsgesellschaft wissen müssen, die mit ihrem laut hupenden, extrem PS-starken Autokorso direkt vors Brandenburger Tor bretterte und gleich mehrere Verkehrsregeln und Verbote missachtete. Dabei soll eine Radfahrerin fast umgefahren worden sein. Immer wieder ließ man, einer alten levantinischen Tradition folgend, die XXXL-Motoren aufheulen. 

Wie es der Zufall wollte, hielt sich dort zu diesem Zeitpunkt eine Polizeihundertschaft auf, die sogleich tätig wurde. Laut BILD, B.Z. und Berliner Zeitung „fackelten die Beamten nicht lange und stoppten die Großfamilie, die u.a. in einem Maybach S-500 (455 PS), einem Jaguar F Type R (575 PS), einem Audi R8 (570–620 PS) und diversen Mercedes-Fahrzeugen unterwegs war. Der Grundpreis der Fahrzeuge liegt zwischen 129.000 und 162.000 Euro.“ 

Nach Rücksprache mit dem zuständigen Richter wurden Jaguar und Maybach „sichergestellt“, also beschlagnahmt und abtransportiert. Dem 22-jährigen Bräutigam entzog man den Führerschein, die Braut im traumhaften weißen Kleid musste aussteigen und zu Fuß gehen.

Struktureller Polizei-Rassismus in Reinkultur. Was sonst?

Da im rotrotgrünen Berlin schon der Satz gegenüber einer syrischen Asylbewerberin „Das ist mein Land und Du bist hier Gast“ als strafbewehrte, grobe „rassistische Diskriminierung“ (rbb-Abendschau) gilt, scheint die erste Reaktion auf das gnadenlose Verhalten der Polizei am Brandenburger Tor geradezu zwingend: Hier wurde der unbeschwerten, fröhlich-temperamentvollen Hochzeitsfeier einer mutmaßlich migrantischen Großfamilie, womöglich türkischer oder arabischer Herkunft, mit dumpf-deutscher Paragrafenreiterei ein brutales Ende bereitet. Ein Fall für die frisch gewählte Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman: Struktureller Polizei-Rassismus in Reinkultur. Was sonst?

Doch der antirassistische Blick, der dem Hammer ähnelt, der nur noch Nägel sieht, könnte auch die entgegengesetzte Richtung einschlagen. Frei nach Giovanni Trapattoni: „Was erlaube Großfamilie?!“ Sie nutzt das Brandenburger Tor, Symbol altpreußischer Herrlichkeit, also einer fremden Kultur, als Kulisse für die eigene posenhafte Protz-Inszenierung: „Kulturelle Aneignung“ in Reinkultur! Was sind dagegen schon die Dreadlocks von Carola Rackete?

Womöglich müssen wir die knifflige Frage der Bundeskulturbeauftragten, Staatsministerin Claudia Roth, zur Entscheidung vorlegen, die sich schon in Sachen „Documenta fifteen“ durch ihre herausragende Fähigkeit zur salomonischen Lösung qualifiziert hat. 

Bis es so weit ist, beherzigen wir die ganz praktische Lehre: You’ll never drive alone!

Foto: Imago

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

b. stein / 21.09.2022

Oh ja, bitte Claudia Roth vorlegen! Am besten morgen als “Aktuelle Stunde” im Bundestag. Versteht sich von selbst, dass wegen der Aktualität und Relevanz die Tagesordnung geändert und das Thema ganz nach vorn geholt wird. Großes öffentliches Interesse, auch bei Betroffenen. Es finden ja täglich weitere Hochzeiten statt.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Reinhard Mohr, Gastautor / 04.03.2024 / 10:00 / 111

Die Ampeldämmerung

Es passt nicht mehr viel zusammen im Bündnis von SPD, Grünen und FDP. Dennoch gehen die Bündnispartner – meist jeder für sich – ihren Weg…/ mehr

Reinhard Mohr, Gastautor / 24.01.2024 / 06:00 / 49

Völker der Welt, bleibt zu Hause!

International bekannte Kulturschaffende, die sich bis jetzt damit begnügt haben, Israel zu boykottieren, rufen jetzt zu einem Boykott der Bundesrepublik auf. Das ist ausbaufähig. Deutschland…/ mehr

Reinhard Mohr, Gastautor / 23.12.2023 / 06:15 / 220

Nicht mehr mein Land

Egal ob Frankfurt, Köln, München oder Berlin – ein türkisch-arabisch-islamisches Milieu mit ausgeprägter Macho-Kultur hat in Deutschland Fuß gefasst. Ganze Straßenzüge haben eigentlich nichts mehr…/ mehr

Reinhard Mohr, Gastautor / 02.11.2023 / 06:00 / 64

Ein Platz für Juden

Jüdisches Leben hat in Deutschland Hochkonjunktur. Da trifft es sich vielleicht gut, dass ein ehemaliges Herrenvolk mit Erfahrung in Sachen Völkerkunde für Betreuung und sichere…/ mehr

Reinhard Mohr, Gastautor / 20.10.2023 / 16:00 / 22

Steinmeier in die Sonnenallee!

Aus der Serie Der Bundespräsident besucht sein Volk: Nächste Ausfahrt – Berlin Neukölln! Dass Deutschland das „Land der Ideen“ ist, wissen wir seit der Fußballweltmeisterschaft 2006.…/ mehr

Reinhard Mohr, Gastautor / 06.10.2023 / 16:00 / 25

Das Projekt Wagenknecht

Wird Sahra Wagenknecht eine eigene Partei gründen oder es sein lassen? Die einen hoffen es, die anderen fürchten sich davor. Sie selbst hält sich bedeckt,…/ mehr

Reinhard Mohr, Gastautor / 28.02.2023 / 12:00 / 69

Der feministische Reflex im Außenministerium

Annalena Baerbock hat einen Arbeitsstab „Feministische Außenpolitik“ ins Leben gerufen, der geschlechtergerechte Lösungen für den diplomatischen Dienst erarbeiten soll. Eine offene Frage lautet: Wie wird…/ mehr

Reinhard Mohr, Gastautor / 04.02.2023 / 09:00 / 85

Bloß nicht zur Polizei!

„Studierende“ an der Berliner FU, die dem weiblichen Geschlecht zugerechnet werden, sollen sich nicht an die Polizei wenden, wenn sie sexuell belästigt werden und der…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com