Peter Grimm / 07.01.2024 / 09:30 / Foto: Martin Kraft / 59 / Seite ausdrucken

Ein Ex-SPD-Chef als CDU-Wahlhelfer für Sachsen?

Die Sachsen-SPD mit ihren – laut Umfragen – nur noch drei Prozent Wählerzuspruch sollte den Landtagswahlkampf zugunsten der CDU aufgeben, um einen AfD-Ministerpräsidenten zu verhindern. Ist es das, wozu Genosse Gabriel aufrufen wollte? Sollte die SPD nicht lieber für die Abschaffung der Fünfprozenthürde kämpfen?

Die Zeit ist so schnelllebig, dass sich manche Jüngeren kaum noch an Sigmar Gabriel erinnern können. Der Mann hatte schon viele Ämter in seinem Leben inne: Er war niedersächsischer Ministerpräsident, SPD-Pop-Beauftragter, Bundesumweltminister, Bundeswirtschaftsminister, Vizekanzler, Außenminister und SPD-Vorsitzender. Der Genosse Gabriel konnte aber nicht nur viele Ämter übernehmen, er war auch bekannt dafür, innerhalb kürzester Zeit seine öffentlich vorgetragenen Positionen und Meinungen zu wechseln. Und so witzige Begründungen für einen Amtswechsel wie er kann sich auch kaum einer ausdenken. Als der Wirtschaftsminister 2017 überraschend verkündete, auf den SPD-Vorsitz zu verzichten und Außenminister werden zu wollen, erklärte er allen Ernstes, das tue er auch, um mehr Zeit für die Familie zu haben.

Mittlerweile hört man nur noch recht selten vom Genossen Gabriel, was seiner Partei wahrscheinlich ganz recht ist. Andererseits verklärt sich das Bild des Ex-Vorsitzenden sicher auch angesichts der Qualität der gegenwärtigen Personals an der SPD-Spitze.

Gestern nun ist er wieder einmal mit einem Interview in der Öffentlichkeit aufgetaucht und hat gleich einen Knaller gezündet. Eigentlich ging es ihm in dem Gespräch mit dem WDR um die Gefahr, die Deutschland durch eine AfD droht. Die Machtübernahme in Sachsen scheint schon in Reichweite, wenn die Partei inzwischen in Umfragen bei 37 Prozent landet. Die eigenen Genossen sind derweil im Freistaat zur Dreiprozent-Partei geschrumpft.

Seine Nach-Nach-Nachfolgerin im SPD-Vorsitzenden-Amt, Saskia Esken, hat aus dieser Position nun gefordert, man müsse ein AfD-Verbot prüfen. Das kam öffentlich allerdings nur mäßig gut an, und auch viele Wohlmeinende aus dem SPD-Umfeld wiesen darauf hin, dass solche Gedankenspiele jetzt eher kontraproduktiv seien und der AfD nützten.

Was nun aber der Genosse Gabriel im WDR-Interview ins Spiel brachte, klingt noch origineller: „SPD-Gabriel wirbt für Wahl von CDU-Kretschmer" hieß es in einer Bild-Schlagzeile. Wirklich? Das soll der Genosse Gabriel vorgeschlagen haben? 

Der „coolste Landesverband“ ohne Chance?

Immerhin hätte das eine innere Logik. Wenn die SPD mit drei Prozent an der Fünfprozent-Hürde scheitert, sind die Stimmen verloren. Wenn diese drei Prozent aber CDU wählen würden, also zu dem gegenwärtigen Umfrage-Wert von 33 Prozent hinzu kämen, dann wären das ja schon 36 Prozent für die CDU, also fast Gleichstand mit der AfD. Wenn die SPD ohnehin erstmals durch Wahlen aus einem deutschen Parlament fliegt, dann kann sie auch gleich aufgeben, hieße das. Also kein Kampf um etwas Zuwachs mehr, um vielleicht doch noch etwas Zuwachs zu schaffen? 

Solche Zuversicht zu finden, ist für sächsische Sozis in der Tat nicht leicht. Die Spitzenkandidatin Petra Köpping hat nicht gerade die Zugkraft-Qualitäten, die man bräuchte. Die Staatsministerin für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt (das Amt heißt wirklich so) war im Freistaat u.a. das Gesicht des Corona-Ausnahmezustands, was nicht gerade zu überbordender Beliebtheit führte. Allerdings kann die sächsische SPD wahrscheinlich auch kaum Publikumslieblinge aufbieten.

Bei der letzten Landtagswahl 2019 – die SPD erzielte mit 7,7 Prozent ihr bis dato schlechtestes Wahlergebnis und zog als kleinste Fraktion in den Landtag ein – konnte sie immerhin mit einem eindrucksvollen Auftritt des damaligen Spitzenkandidaten Martin Dulig glänzen, der am Wahlabend mit folgendem Satz auftrat:

„Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, wir haben das schlechteste Wahlergebnis, wir sind aber der coolste Landesverband.“

Doch zurück zu Sigmar Gabriel. Ob der sich bei seinen Überlegungen noch an den damaligen Spruch vom „coolsten Landesverband“ erinnert hat, ist nicht bekannt. Für ihn ging es, wie gesagt, um den Kampf gegen die immer stärker und stärker werdende AfD. Und da sagte er nun im Interview:

„Und es fällt mir schwer, zu glauben, dass es in Deutschland keine Menschen mehr mit Mut gibt, die sich dem entgegen stellen. Der einzige, den ich kenne, für den ich sogar als Sozialdemokrat Wahlkampf machen würde, ist der CDU-Ministerpräsident in Sachsen. Der hat Mumm, der geht da in den Straßenwahlkampf, in den Nahkampf mit der AfD, lässt sich nicht verscheuchen und nicht einschüchtern. Solche Typen brauchen wir jetzt! Aber nichts passiert."

Was Originelles für die Partei

Also war das jetzt der Aufruf des Ex-SPD-Vorsitzenden zur CDU-Wahl oder nicht? Immerhin ruft er zu dessen politischer Unterstützung auf:

„Ich bin, ehrlich gesagt, entsetzt darüber, dass trotz dieser offensichtlichen Entwicklung keiner etwas macht. Weder überlegen die Parteien in Berlin, wie sie zum Beispiel dem Ministerpräsidenten in Sachsen helfen können. Es wäre ein Leichtes, im Bundestag mal zu überlegen, was wir eigentlich für ihn tun können, damit er zeigen kann, dass er Erfolg hat und dann auch gewählt wird. Dazu müsste man aber das parteipolitische kleine Karo überspringen."

Wenn es gegen die AfD geht, kennt Gabriel offenbar keine Parteien mehr:

„Bei den Parteien habe ich die Sorge, dass das eigene Interesse immer noch wichtiger ist, als gemeinsam mit den anderen zu überlegen, wie man diese Welle bricht."

Wenn Gabriel damit seine sächsischen Genossen wirklich zur CDU-Wahl hat auffordern wollen, um einen AfD-Ministerpräsidenten zu verhindern, dann sollte auch ihm jemand sagen, wie kontraproduktiv das ist. Einheitsfront-Wahlkämpfe gegen die AfD helfen ihr nur, sich als einzige Alternative zu einem Parteienkartell zu präsentieren.

Sicher werden wir hören, dass Genosse Gabriel seine Partei in Sachsen nicht zum Aufgeben auffordern wollte. Man solle halt nur gegen die AfD zusammenstehen. Aber das haben die Parteien in den letzten zehn Jahren schon bei jeder Wahl getan, mit zunehmender Erfolglosigkeit. Was helfen würde, wäre eine Politik, die Probleme klar benennt, ohne Tabus debattiert und die auch zum Umsteuern bereit ist, beispielsweise der verfehlten Asyl- und Migrationspolitik oder der gescheiterten Energiewende-Politik.

Und wenn die Genossen Esken und Gabriel noch was Originelles für ihre Partei tun wollen, dann könnten sie sich, statt Verbote oder Einheitswahlkämpfe zu fordern, für die Abschaffung der Fünfprozenthürde einsetzen.

 

Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.

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M.Christmann / 07.01.2024

Wie war das, Herr Gabriel? Unvergessen: (Die) Sachsen, “der (braune) Bodensatz”?!

W. Renner / 07.01.2024

Da Parteien neue ja gerade wie Pilze aus dem Boden spriessen, könnte er zusammen mit Kretschmer ja die Schwachmatenpartei gründen. Der eine wird dann Pack-Vorsitzender, der andere Pop-Beauftragter.

Hans Kloss / 07.01.2024

War das der Mann der die protestierende Menschen “Pack” genannt hat? Dass er jetzt über den Widerstand konfabuliert, wundert mich gar nicht. So wie es ist, läuft es auch den offenen Konflikt zwischen den Herrscher und den Leuten auf der Straße. Die Herrscher können nicht einfach nachgeben.

Lutz Liebezeit / 07.01.2024

Warum wird die SPD nicht mit Waffenlieferungen in Krisen- und Kriegsgebiete in Verbindnung gebracht? Alle Waffenausfuhren sind genehmigungspflichtig, da hätte man schon die große Friedensaktivistin Merkel mit drangekriegt. Richt das in Europa nach Freiden, oder nach politisachem Chauvinismus? Die EU gibt es als politische Union seit über 30 Jahren und nennt sich großspurig „Friedensprojekt“. Der unschöne Teil des “Friedensprojektes” ist es, Waffen in Krisen- und Kriegsgebiete zu liefern nämlich von Deutschland aus. Deutschland war/ist der 3. größte Waffenlieferant der Welt und der größte mit Kleinwaffen. Deutschland war so auffällig durchtrieben, daß Kofi Annan uns ermahnt hat und Kleinwaffen „Massenvernichtungswaffen“ nannte. Der Geist der Sozialdemokratie ist die Baustelle, die Korruptheit, Verlogenheit, die Armut, das Verbrechen, die Hetz- und Hassrede, die Schönsprecherei von unsozialen Verhältnissen, Sozialdemokratie ist die permanente Krise und Unruhe im Staat. Diese Leute sind nicht in der Lage, stabile Verhältnisse herzustellen, weil sie emotional und geistig selber instabil sind. Die leben von der Substanz, die „regieren“ mit der Krise und kriegen die längst nicht mehr gebändigt. Irgendwo müssen die Krisen und Kriege ihren Ursprung haben, und das ist Brüssel. Und klar, wenn die AfD die Macht hat, hat die SPD sie nicht. Die SPD wird regiert wie ein Staat im Staate, nämlich streng chauvinistisch. Mitglieder werden als Parteisoldaten bezeichnet. Alles, was sie anderen vorwirft, tut sie selber.

George Samsonis / 07.01.2024

Nicht die SPD ist das Problem. Das Problem sind die unsäglichen GRÜNEN. Dieser Schadpartei hält man nicht den Steigbügel.

Dr. H.Böttger / 07.01.2024

Der Siggi. *Pack*, so hat er einst (hier ganz nahebei) die Ossis beschimpft, die zu allen schon mühselig bewältigten Lebensnöten, weit mehr als das der handelsübliche Wessi für sich in Anspruch nehmen kann, nun auch noch mit der Nachbarschaft von Hunderten vielfältiger, bunter, temperamentvoller Neunachbarn beglückt wurden,. Und das dank Mutti Merkel und ihres getreuen Banknachbarn Siggi mit stolz getragenem, tellergroßem Bekennerbutton auf der Brust. Jetzt traut er seiner eigenen 3%-Psychosekte so wenig, daß er glaubt, ausgerechnet seine Unterstützung könnte die wacklige Lage des sächsischen MP Kretschmer verbessern. Na, wenn das mal dem K. nicht mehr schadet, als Siggi zu helfen glaubt. Nicht zufällig gelten die Sachsen bei Eingeweihten als die klügsten Deutschen. Kretschmer geriet eigentlich lange bei der Nennung von “Görlitz” in Erregungzustände, so tief hatte ihn die narzistische Kränkung durch den Verlust seines Bundestagsmandats dort zugunsten eines Malermeisters von der AfD getroffen.  Hoffen wir,  er hat sich inzwischen wieder soweit gefasst, daß er seine Zukunftschancen unbefangener zu kalkulieren vermag. Immerhin hatte er mal begriffen, welche unerwartete Gefahr ihm durch die dreisten Putschgelüste eines “running gag” drohte und diese hetzende Witzgestalt noch rechtzeitig einzubremsen vermocht, Vielleicht ein Indiz, das K. doch noch - schon aus eigenem Interesse - auf den Weg zur Vernunft finden könnte. Geben wir die Hoffnung nicht auf.

Bernd Büter / 07.01.2024

Der SPD Spezialist für’s SPD-Pack! Was für ein Versager!

Gert Köppe / 07.01.2024

Jetzt der “das Pack einsperren-Gabriel” und letztens hat auch der “Münte” wieder irgend etwas abgesondert. Muss jetzt bei der SPD schon der “Volkssturm” wieder aus der Versenkung reaktiviert werden? Da ist die Personaldecke wohl um Einiges dünner als man es vermutet. Nun hat uns die Geschichte gelehrt, das auch dieses letzte Aufgebot nichts mehr bringt. Lassen wir die “Partei-Rentner” also ruhig plappern. Das ist als wenn in Japan ein Essstäbchen vom Tisch kullert, wen interessiert es?

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