Ein eiskaltes Experiment

Die Logik des Misslingens – so heißt ein Buch von Dietrich Dörner, Professor für theoretische Psychologie. Es untersucht das menschliche Verhalten beim Treffen von Entscheidungen in komplexen Situationen. In scheinbar simplen Experimenten führt er Versuchspersonen an die Grenzen ihrer kognitiven Fähigkeiten, wo sie sich dann Schritt für Schritt von ihrer Vernunft verabschieden. Sind solche psychologischen Muster auf reale politische Entscheidungsprozesse übertragbar?

Stellen Sie sich vor, Sie wären Manager eines Supermarkts. Am Wochenende fällt die Kühlung im Warenlager aus, und die empfindlichen Lebensmittel, die konstant auf 4 °C gehalten werden müssen, fangen an zu verderben. Ein enormer Schaden steht ins Haus, und Sie sind verantwortlich. Dummerweise können die Kältetechniker frühestens morgen kommen, um die Sache zu reparieren.

Sie entdecken jetzt an einem Schaltpult ein Stellrad mit einer Skalierung von 0 bis 200 sowie eine Anzeige der Temperatur, die im Lager herrscht. Sie vermuten, dass die Maschinerie für die Kühlung noch funktioniert, die elektronische Regelung zur Einhaltung der Temperatur aber – der Thermostat – kaputt ist. Vielleicht kann man die 4 °C ja manuell per Stellrad halten?

Dies war die Aufgabe, mit der die Psychologen Dörner und Reichert ihre Versuchspersonen vor Computer setzten, auf denen die beschriebene Situation simuliert wurde: auf dem Bildschirm ein Thermometer und ein Stellrad, das per Tastatur bedient wurde. Der zeitliche Ablauf der Temperatur wurde vom Computer aufgezeichnet, ebenso der Input durch die Probanden und deren Selbstgespräche.

Probieren geht über studieren

So versuchte nun jeder, so gut er konnte, die 4 °C einzustellen, um die kostbaren Lebensmittel im Kühlhaus zu retten. Wer je an solchen Spielen beteiligt war, der weiß, wie leicht daraus Ernst wird, und wie schon bald die selben Verhaltensmuster auftauchen, die wir auch in der rauen Wirklichkeit beobachten können.

Es wurde den Kandidaten schnell klar, dass es beim Drehen des Rades zu höheren Zahlen irgendwie wärmer wurde, allerdings nicht sofort. Der Computer reagierte ähnlich wie die Temperatur im echten Kühlhaus mit einer gewissen Trägheit. Was sollte man nur machen?

Um es vorwegzunehmen, man hätte nichts anderes tun müssen, als das Rad auf „80“ zu stellen und zu warten. Dann hätte sich nach einigem Hin und Her das System spontan auf konstante 4 °C eingependelt. Darauf musste man aber erst kommen.

Um das zu erkennen, musste man die Änderung der Temperatur bei kleinen Drehungen am Rad beobachten und sich immer wieder die Fragen beantworten: Was habe ich da gerade gemacht und welche Folgen hat das? So hätte man bald den Mechanismus durchschaut und wäre auf die Lösung gekommen.

Komplexe Systeme brauchen kleine Eingriffe

20 Prozent der Teilnehmer machten das so. Die übrigen handelten situativ, intuitiv oder irrational. Wenn es zu warm wurde, dann stellten sie das Rad auf Null, also voll kalt. Wenn die Temperatur dann über 4 °C stieg, wurde auf 200 hoch gedreht. So gab es wilde Schwankungen, die immer weniger beherrschbar wurden.

Oft stellten sich gegen Ende der Sitzung fast abergläubische Reaktionen ein. Es gab Kandidaten, die versuchten, das Stellrad über die 200 hinaus zu drehen, indem sie die entsprechende Taste immer wieder drückten, obwohl das Rad schon am Anschlag war. Andere vertrauten in Magie: „Nur gerade Zahlen sind gut“ oder „Versuchen wir mal die 25, das ist mein Geburtstag“. Das waren natürlich interessante Fälle für die Psychologen.

Die Lehre aus diesem Spiel: Als intelligenter, verantwortungsvoller Mensch nähert man sich einem undurchschaubaren, komplexen System mit vorsichtigen, kleinen Eingriffen und beobachtet genau, was passiert.

Von der Simulation zur Realität

Ohne Frage war und ist das Management der Corona-Pandemie eine komplexe Aufgabe. Kamen hier die Lektionen aus dem Kühlhaus zum Einsatz? Wurden Entscheidungen mit angemessener Sorgfalt und Verantwortung getroffen?

Das „Stellrad“ ist in diesem Fall der Eingriff in die individuelle Freiheit der Bevölkerung.  Die „Temperatur“ ist die Lebensqualität, die aus dem Erhalt der Gesundheit, aber auch einer Reihe anderer Faktoren besteht. Es ist also ein echt „komplexes System“. Mein Eindruck ist, dass die Entscheidungsträger ausschließlich das Virus im Auge hatten, nicht aber die Gesundheit insgesamt und schon gar nicht die Lebensqualität, zu der ja auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Aspekte zählen. Mit Formeln wie „Menschenleben sind wichtiger als Profit“ wird man solch einem komplexen System nicht gerecht.

Schließlich wurde für fast jeden sichtbar, dass die „Medizin“ insgesamt schädlicher war als die Krankheit, und die Verantwortlichen drehten wie wild am Stellrad, damit vertuscht würde, dass sie ihrer Aufgabe nicht gewachsen waren. Das war sicherlich nicht der kluge, behutsame Weg, der beim Eingriff in komplexe Systeme angebracht ist.

Ein Gedankenexperiment

Ich möchte aber noch eine Hypothese untersuchen, ein Gedankenexperiment, welches Sie vielleicht als unrealistisch vom Tisch wischen werden. Ich erlaube mir dennoch „außerhalb der Box“ zu denken.

Nehmen wir an, in der Psyche des Geschäftsführers unseres Supermarktes gäbe es eine dunkle Seite und er hätte eine verborgene Agenda. Er wäre gar nicht ehrlich daran interessiert, die Waren in der Kühlhalle zu retten. Er denkt daran, mit der Versicherungsgesellschaft einen für beide Seiten profitablen Deal zu schließen, falls es soweit käme, dass die verdorbenen Lebensmittel ersetzt werden müssten.

Mit dieser geheimen Absicht wird er das Stellrad ganz anders bedienen, als wenn sein wahres Streben den 4 °C gelten würde.

Um solch eine Situation auf die Politik zu übertragen, machen wir den Sprung in ein hypothetisches Land. Mit dem Stellrad wird dort in Wahrheit nicht der Kampf gegen das Virus, sondern die Unterdrückung der Bevölkerung betrieben; das Thermometer zeigt an, wie weit das Volk noch von einer offenen Revolte entfernt ist.

Die Temperatur eines Volkes

Mit seiner geheimen Zielsetzung nähert sich der Machthaber dem undurchschaubaren, komplexen System namens Volk so, wie die erfolgreichen 20 Prozent der Teilnehmer vom Kühlhaus-Experiment. Er macht kleine Eingriffe und beobachtet genau, was passiert. Mit dem Stellrad dreht er die Freiheit millimeterweise herunter und beobachtet, dass es zwar Murren, aber keinen Aufstand gibt. Vor ein paar Jahren noch hätte das Volk bei so viel Unterdrückung aufbegehrt und ihn aus dem Amt gejagt.

Mit dieser Erkenntnis und mit viel Geduld schraubt er das Rad jetzt immer weiter zu, er nimmt die Zügel immer kürzer. Dabei versichert er dem Volke ständig, dass er nur das Beste für die Menschen im Sinn hat. Als Thermometer dienen ihm laufende Umfragen unter der Bevölkerung hinsichtlich seiner Beliebtheit und der Zustimmung zu seinen Entscheidungen.

Auch in diesem System gab es vormals einen „Thermostat“, eine Vorrichtung, die das Gleichgewicht zwischen maximal möglicher Freiheit der Bürger und minimal notwendiger Führung durch den Staat automatisch regelte. Diese Vorrichtung war vor einigen tausend Jahren erfunden worden und ging unter dem Namen Demokratie = „Herrschaft des Volkes“ in die Geschichte ein.

Wenn dieser Thermostat kaputt geht, dann werden ihn nicht die Machthaber reparieren, sondern es liegt am Volk, sich seiner Verantwortung bewusst zu werden und einzugreifen. Denn so, wie es immer korrupte Geschäftsführer von Supermärkten geben wird, so hat es auch immer Politiker mit fragwürdiger Moral und Hunger nach grenzenloser Macht gegeben. Von denen zu erwarten, dass sie den Thermostat reparieren, das wäre mehr als naiv, das wäre dann „Die Logik des Misslingens“ einer Demokratie.

Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Blog des Autors Think-Again und im Buch „Grün und Dumm“ bei Amazon.

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Leserpost

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K.Lehmann / 08.10.2020

Es wird ja fleissig an den vermeintlich täglich 19.200 Coronaopfern der Kanzlerin im Herbst gearbeitet.Schaut man sich die Herren Liersch und Drosten an, dann muß unserer Kanzlerin Recht haben, ich freu mich drauf…

T. Schneegaß / 08.10.2020

@Dr. Karl Wolf: Wo gibt es drastisch steigende Krankheitszahlen? Ist bei Ihnen immer noch nicht angekommen, das Infektionszahlen und Krankheitszahlen nicht annähernd das Gleiche sind? Ist bei Ihnen immer noch nicht angekommen, dass der der Panikmache dienende PCR-Test, auf dem die Infektionszahlen beruhen, komplett ungeeignet ist und dazu noch extrem fehlerbehaftet? Haben Sie eine Erklärung dafür, warum bei den täglichen Panikmeldungen in dem MSM anstelle der Infektionszahlen keine Zahlen über tatsächlich Erkrankte und Tote genannt werden? Interessierte können die natürlich finden, die Anzahl der (angeblichen) Corona-Toten ist geradezu lächerlich zur Gesamtsterberate. Und noch etwas: die “etablierten Verantwortungsträger” haben und hatten keine Anst und waren nie “ratlos”. Sie haben bewusst und gewollt nur EINEN Ratgeber gehört. Wer diesem nicht folgen wollte und konnte, wurde niedergeschrien, verleugnet, diskreditiert. Sie wissen, Merkels Handeln ist auch in diesem Fall “alternativlos”.

Thomas Taterka / 08.10.2020

@Hermine Mut Geschützt wird ein undurchdringliches Konglomerat von Machtinteressen, das eine eingeschüchterte Bevölkerung durch Medienmacht vor sich hertreibt, in eine nie noch nie dagewesene Katastrophe. - Die hinausgezögert wird aus Gründen der persönlichen Bereicherung der an dieser Strategie Hauptbeteiligten. - Also eine Art Raub, Diebstahl des Lebens von Wehrlosen, die immer noch so dumm sind zu glauben, es sei noch Demokratie. Die nichts weiter ist als ein Theater von Wölfen, die Kreide gefressen haben.——— Freies Reisen wird wahrscheinlich der größte Luxus der Zukunft werden. Besonders an die schönsten Orte der Welt. Eine Belohnung fürs Mitmachen. Ein schwacher Trost ist es, wenn man schon mal dort war und der größte Schmerz, es womöglich nie wieder sehen zu dürfen. - Das könnte ich dem Konglomerat NIE verzeihen.

Sabine Schönfelder / 08.10.2020

Hermine@Mut, nie, seit Menschengedenken waren Wissenschaft und Technik auf einem höheren Stand als heute. Dennoch reicht es aus, wenn sich viel Geld mit Bösen arrangiert; schlechte, verführbare Menschen, Egoisten und Borderline-Persönlichkeiten für Geld oder Macht dank Massenpsychologie und Non -Stop-Propaganda STAATLICHE MACHT MIßBRAUCHEN, um per Internet mittlerweile die ganze Welt ad absurdum zu führen. Die Stimmen der Vernunft werden diskreditiert, die Wissenschaft gekauft oder verflucht. Das ist der Beginn einer Diktatur. Hoffe auf Gerechtigkeit und Vergeltung. Manchmal wünschte ich, ZEUS säße noch über den Wolken und schleuderte seine Blitze auf die ganz besonders abgefeimten Lügner hernieder, die da heißen Merkel, Spahn, Söder, Drosten, und auf alle Nutznießer, die von dieser erfundenen Pandemie profitieren!

T. Schneegaß / 08.10.2020

@Roland Jungnitsch: Die Kommunisten in diesem Land (ich glaube, man kann nicht mehr zwischen Kommunisten und Sozialisten unterscheiden) glauben an Gott. Im Moment ist es allerdings, passend zur Genderei, eine Göttin. Letztes Beispiel: als am 3. Oktober Peter Hahne in Freiberg in seiner Rede zur Einheit Merkel kritisierte, verließ die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SED im Sächsischen Landtag, Tändler-Walenta, türeknallend den Raum. Die SED stellt sich (wie auch die Antifa) nicht das erste Mal schützend vor eine “CDU”-Kanzlerin, im Gegensatz sogar zu einigen CDU-Granden. Noch Fragen, wessen politisches Geschäft die Dame betreibt?

Stanley Milgram / 08.10.2020

Mit innerdeutschen Reisebeschränkungen hat man die DDR 2.0 bereits hinter sich gelassen. Und irgendwie scheinen es die wenigsten zu bemerken. Auch das Ventil Internet wird immer weiter zensiert und kontrolliert. Ich weiß nicht, was man dagegen tun kann, ich weiß nur, wie Menschen reagieren, die ihre eigene Verantwortung abgeben. Und dann wird mir ganz anders.

Hans-Peter Dollhopf / 08.10.2020

Über Dr. Wolfs Annahme, “daß das Handeln etablierter Verantwortungsträger in dieser Krise nicht von Herrschaftsphantasien sondern von Angst und Ratlosigkeit getrieben” se, lacht sogar Walter Steinmeier, nett anzuschauen auf FOCUS online in “Keine Maske, kein Abstand” vom 7. August 2020.

Peter Robinson / 08.10.2020

«Die Corona-Krise sei eine große Chance, weil der Widerstand gegen Veränderungen in der Krise geringer werde. “Wir können die Wirtschafts- und Finanzunion, die wir politisch bisher nicht zustande gebracht haben, jetzt hinbekommen”, erklärte der Bundestagspräsident. » Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU), Neuen Westfälischen Tageszeitung, 20.08.2020.

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