Peter Grimm / 08.03.2021 / 11:00 / Foto: Pixabay / 73 / Seite ausdrucken

Ein deutscher Verlag übersetzt ein Gedicht

Sie erinnern sich vielleicht noch an die Grundrechte. An Meinungsfreiheit, an die Freiheit der Kultur, an das Gebot, dass eine Zensur nicht stattfinde, daran, dass das Diskriminierungsverbot für alle gelten sollte, nicht nur für bestimmte besonders geschützte Gruppen und vielleicht auch an die Vertragsfreiheit. Auch in dieser alten Welt, die de jure ja eigentlich noch existieren müsste, gab es schon lange in Fragen der Literaturübersetzung so manch ein Ärgernis. Viele Leser ärgerten sich beispielsweise oft über deren mangelnde Qualität. Die Übersetzer wurden schlecht bezahlt, und selbst gute Übersetzer arbeiteten an vielen Werken – umschreiben wir es höflich – mit einem hohen ehrenamtlichen Anteil.

Jeder weiß natürlich, wie wichtig eine gute Übersetzung für den Zugang zum Werk ist. Insbesondere bei der Lyrik ist es existenziell, dass der Übersetzer vor allem ein Nach-Dichter ist. Insofern ist es kaum verwunderlich, dass Verleger das Nachdichten auch gern Dichtern überließen.

Heutzutage sind die Grundrechte eingeschränkt – nicht nur administrativ durch all die „Maßnahmen“, zu denen das deutsche Parlament die Exekutive mittels Infektionsschutzgesetz pauschal ermächtigt hat. Auch unabhängig von Gesetz und Corona konnte und kann man sich Ärger einhandeln, wenn man verfassungsmäßige Freiheiten in Anspruch nimmt. Manch einer übt sich deshalb in vorauseilendem Gehorsam, um Ärger zu vermeiden. Der nirgends gesetzlich gebotene, aber dennoch von zahlreichen Institutionen mit staatlicher Unterstützung ausgeübte, mehr und weniger subtile Druck, eine politisch korrekte Gesinnung zu zeigen, treibt manche Blüten – gerade unter den inzwischen wieder so genannten Kulturschaffenden.

Sie erinnern sich ja vielleicht noch an den 20. Januar dieses Jahres. Wer sich an diesem Abend und an den Folgetagen nicht gerade eine völlige Medienabstinenz verordnet hatte, erfuhr detailliert, wie schön und ergreifend die Amtseinführung des US-Präsidenten Joe Biden für deutsche Berichterstatter war. Es liegt in der Natur der Sache, dass so eine Amtseinführung etwas von einer Krönungsmesse hat, insofern war der Geruch von Hofberichterstattung an dieser Stelle vielleicht unvermeidbar. Neben dem ins Amt Gekrönten trat auch eine Dichterin auf, die bei den Berichterstattern und den nachfolgenden feuilletonistischen Berichts-Verwertern Begeisterung auslöste. Amanda Gorman rührte mit ihrem Gedicht „The Hill We Climb“ scheinbar jedes Journalistenherz an.

Korrektes Übersetzerinnen-Team

Nun muss ich an dieser Stelle zugeben, dass ich die Biden-Amtseinführung und damit auch das Gedicht nur oberflächlich wahrgenommen habe. Zum einen könnte ich Krönungsmessen nur dann etwas abgewinnen, wenn jemand gekrönt würde, der mir nahesteht. Zwar mag der Pomp beeindrucken, doch sonderlich inhaltsschwer sind solche Ereignisse normalerweise nicht. Aber vielleicht könnte mich Gormans Gedicht dennoch ebenso sehr anrühren wie die berichterstattenden Kollegen. Allerdings wäre mir dazu eine ordentliche Übersetzung hilfreich.

Eine gute Lyrik-Übersetzung ist schwer, denn in diesen Zeiten darf bekanntlich nicht jeder Gormans Texte in eine andere Sprache übertragen. Und das ist keine Frage der lyrischen Begabung, sondern der Hautfarbe, wie ein niederländischer Verlag erfahren musste. Der hatte die Dichterin Marieke Lucas Rijneveld zunächst damit beauftragt, das Gedicht zu übersetzen. Dumm nur, dass Rijneveld eine Weiße und Amanda Gorman eine Schwarze ist. Darf eine Weiße die Lyrik einer Schwarzen übersetzen? Für etliche Gesinnungswächter der politischen Korrektheit war das ein Unding. Sie machten also in der Netzwelt hinreichend Wind mit Reizworten wie „Rassismus“, so dass ihre Empörung von Medienwerktätigen zu einem „Sturm“ aufgeblasen werden konnte. Rijneveld trat wunschgemäß von diesem Auftrag zurück.

Für den deutschsprachigen Raum hat sich der Verlag Hoffmann und Campe Gormans Gedicht angenommen. Und dem deutschen Verlag könnte so ein Fehltritt wie den holländischen Kollegen nicht passieren. Hoffmann und Campe hat sich für ein anderes Modell entschieden, was dummerweise erst nach dem Debakel in Holland bekannt gegeben wurde. Bevor wir also nun im Detail darauf eingehen, wie im neuen Deutschland ein wichtiges Gedicht übersetzt wird, soll Tim Jung, der Geschäftsführer von Hoffmann und Campe zu Wort kommen. In einem Spiegel-Interview sagt er:

„Ich lege allerdings Wert auf die Feststellung, dass wir unsere Entscheidung für unsere Übersetzerinnen lange vor den Ereignissen in den Niederlanden getroffen haben und unser Team schon lange stand.“

Weltanschauliche Aufpasser für Fachleute?

Ein bedeutendes Gedicht wird also heutzutage von einem Team übersetzt. Einem Team aus Dichterinnen und Dichtern? Zu diesem Team gehören Kübra Gümüşay, Hadija Haruna-Oelker und Uda Strätling, schreibt der Spiegel. Hadija Haruna-Oelker ist eine schwarze Journalistin, Kübra Gümüşay eine demonstrativ kopftuchtragende muslimische Journalistin und die dritte Frau im Team, Uda Strätling, ist als renommierte Literaturübersetzerin die eigentliche Fachfrau. Also eine Übersetzerin macht die Arbeit und zwei Frauen sind kraft ihrer Herkunft dazu berufen, aufzupassen, dass erstere keine weltanschaulichen Fehler macht? Das ist vielleicht zu böse formuliert, deshalb lassen wir uns das lieber noch einmal von Geschäftsführer Jung erklären:

„Wir haben im Lektorat diskutiert, wie wir bestmöglich mit der Verantwortung umgehen, dieses Gedicht auf Deutsch zu veröffentlichen. Der Grundgedanke dabei war, dass auch persönliche Erlebnis- und Erfahrungswelten mit eingebracht werden sollten. Frau Haruna-Oelker beschäftigt sich intensiv mit Migrations- und Rassismusforschung. Sie bringt Erfahrungen mit, die weiße Deutsche nicht haben. Und Frau Gümüşay ist eine ausgewiesene Expertin für die Macht der Sprache und die Frage, wie Sprache unser Denken bestimmt. Frau Strätling wiederum ist eine begnadete Literaturübersetzerin, die unter anderem Claudia Rankine und Teju Cole ins Deutsche übertragen hat. Die drei haben ein Team gebildet und gemeinsam eine Übersetzung erstellt, in die unterschiedliche Expertisen und Erfahrungen eingeflossen sind und die ich im Ergebnis für brillant halte.“

Folgt man dem Interview mit dem Verlags-Geschäftsführer, dann wird immerhin auch künftig nicht jeder Text von einem Team aus Fachleuten und Aufpassern betreut – nur so ganz bedeutende, wie das von Gorman:

„Wir haben es hier mit dem aktuell wahrscheinlich berühmtesten Gedicht der Welt zu tun. Das war ja einer von diesen Momenten, die man nicht mehr vergisst, als Amanda Gorman bei der Inauguration von Joe Biden ans Rednerpult getreten ist und ihr Gedicht The Hill We Climb vorgetragen hat. Die Übersetzung eines Gedichts, das von so einer Kraft und Schönheit ist und zugleich eine solche Wirkungsmacht hat, bedeutet für einen Verlag eine große Verantwortung.“

Man sollte an dieser Stelle auch gegenüber dem Chef eines Literaturverlages Nachsicht üben, wenn er bei der Eigenwerbung etwas zu großzügig mit Superlativen umgeht. Von der Kraft, Schönheit und Wirkungsmacht der Kollektivnachdichtung können sich deutschsprachige Leser ab dem 30. März überzeugen. Tim Jung verspricht ein „fantastisches Ergebnis“. Aber vielleicht bezog sich das auch darauf, wie politisch-korrekt die Übersetzung gelungen ist.

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Leserpost

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Gerd Koslowski / 08.03.2021

Das Individuum bedeutet nichts, das Kollektiv bedeutet alles. Ein Aufpasser ist wichtiger als 5 Arbeiter. Kommt mir bekannt vor, hat nicht funktioniert.

Jürgen Fischer / 08.03.2021

Ich hatte zu dem Thema schon bei Danisch was gelesen, der schrieb: »Niemand, wirklich niemand, hat es verdient, von Kübra Gümüşay übersetzt zu werden.« Da musste ich natürlich gleich nachschauen, was das für eine ist, und siehe da: es ist eine Kopftuch-Tante. Oder besser, eine Kopftuch-Mili-Tante. Und schwarz ist die auch nicht; ich denke, das ist eher ne pseudotürkische Kamala Harris. Oder sowas ähnliches. Aber was soll’s, ich lese den Kram eh nicht. Weder das Original noch die Übersetzung. Gibt Sinnvolleres.

S. Marek / 08.03.2021

Trinkt einer von Euch noch Coca Cola ?!  Diese sollte doch nur noch in Afrika verkauft werden, damit die Afrikaner kein Grund mehr haben zu den Weisen zu kommen, und wir keins brauner zu werden.

RMPetersen / 08.03.2021

Immer wieder hört man bei ARD, ZDF und anderen TV-Sendern auf deutsch synchronisierte Filme, in denen die Dialoge farbiger Darsteller von Weissen Synchronsprecher_*Innen gesprochen werden. Ein Skandal! Es gibt auch chinesische Filme, die von Ur-Deutschen synchronisiert werden. Ist das nicht auch cultural appropriation?

Karla Kuhn / 08.03.2021

Ilona Grimm, Posthum Dank an ihre kluge Mutter. Ich setze noch eins drauf, Außer Spesen , nichts gewesen.  Eines meiner Lieblingsgeichte ist Goethes “Osterspaziergang”, (Faust) Der letzte Satz paßt in die heutige, durch MACHT eingeschränkte Zeit hervorragend !  “Ich höre schon des Dorfs Getümmel, hier ist des Volkes wahrer Himmel, zufrieden jauchzet groß und klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!”  In diesen WAHREN HIMMEL haben Merkel und Co keinen Platz !

Reiner Bratfrisch / 08.03.2021

Die schlimmsten Rassisten sind die selbsternannten Antirassisten. Und die feigsten von diesen wiederum leiten heute deutsche Medienanstalten und -unternehmen. Mir ist speiübel, wenn ich diese Figuren palavern höre. Ich muss dann immer erst Mal ein Stück von Miles Davis, Chet Baker oder Arve Henriksen hören, um mein seelisches Gleichgewicht wieder herzustellen. So what!

HaJo Wolf / 08.03.2021

Ich finde, diese Welt hat nur eines verdient: den Untergang. Dekadenz und Arroganz waren für alle Reiche die entscheidenden Sargnägel, fir diese Welt sind es Gutmenschen, Grüne und Linke. Was ja eigentlich dasselbe ist. Wie sagt der Kölner: Bruche mer nit, fott domet (brauchen wir nicht, weg damit).

Kurt Müller / 08.03.2021

Ich finde, dieser ganze Literatur- und Künstler-Kram wird echt überbewertet. Meine Meinung: macht etwas Vernünftiges und geht arbeiten. Studiert Ingenieurwissenschaften und arbeit dabei mit, um z. B. die Ernährungs- und Trinkwasserfrage für 10-13 Milliarden Menschen in rund 20 Jahren zu lösen, denn das geht nicht mit konventioneller Landwirtschaft und man kann auch nicht immer alles um die Welt fahren. Eine regionale Produktion ist energetisch sinnvoller, muss aber nicht Öko sein und der Einsatz moderner Technologie hilft, hohe Qualität und sichere Erträge zu bekommen, Missernten zu vermeiden. Lager- und Konservierungstechnologie ist ein Thema. in Afrika vergammeln immer noch > 40 % der produzierten Lebensmittel, weil geeignete Konservierungs- und Kühlmöglichkeiten fehlen. Wo sind die Ingenieure, die sich hierum endlich den Kopf zerbrechen und kostengrünstige, nachhaltige Lösungen entwickeln? Wenn diese Verbesserungen nämlich nicht stattfinden, wird es einst eine Population von 7-8 Milliarden Menschen in Armut geben, und dann kann es zu einer weltweiten Wanderbewegung kommen, gegen die die letzte Bewegung ein Kindergartenspiel war. Dann wird es auch keinen Frieden mehr geben, jedenfalls nirgendwo mehr Sicherheit, die Menschen kommen und nehmen sich was sie brauchen, und weder Demokratie noch Sozialismus werden möglich sein, weil so eine Menschenmenge nicht mehr organisierbar und steuerbar sein wird. Aber Künstler und Literaten haben dann ja ihre tollen Gedichte, wo sie ihre Schwaz-Weiß-Bilder zeichnen können. Nur wird davon niemand satt und hat davon niemand gesundes Essen, sauberes Trinkwasser, Elektrizität, eine intakte Umwelt, Bildung, Sicherheit und Frieden. Die Zeit der Relevanz von Literatur und Kunst ist vorbei.

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