Deutsche Ex-Minister bei der UNO gibt es nicht erst seit Annalena Baerbock. Gerd Müller (CSU) wurde noch auf Wunsch von Bundeskanzlerin Angela Merkel UN-Generaldirektor in Wien und betreibt dort eine bemerkenswerte Personalpolitik.
Der ehemalige Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) wurde auf Wunsch von Bundeskanzlerin Angela Merkel 2021 zum UN-Generaldirektor für industrielle Entwicklung in Wien befördert. (Siehe Peter-Prinzip, Achse des Guten vom 14.11.2020) Seine Bewerbungsrede hielt Müller bereits 2015 beim Global Citizen Earth Day in Washington. Der Stern schrieb damals: „Nach Lothar Matthäus oder Günther Oettinger gibt sich nun Entwicklungsminister Gerd Müller die Ehre im Englischsprechen mit Tschörmän aksent – und das mit besonders viel Enthusiasmus“. Nun steuert Müller in diesem Sommer auf eine zweite Amtszeit bei der UNIDO zu. Dies nahm der Investigativreporter Lennart Pfahler in der Welt am Sonntag vom 25. Mai 2015 zum Anlass, über das komfortable, gut bezahltes Refugium (Laut einer UNIDO-Übersicht erhielt Müller 2023 eine Entlohnung von 439.000 Euro, sowie "sonstige Kompensationen" von 154.000 Euro), das sich Müller bei der UN geschaffen hat – und aller Kritik trotzt –, zu berichten.
Der einzige Gegenkandidat um den Posten des Generaldirektors war ein Ostafrikaner aus Burundi. Er zog im März 2025 seine Kandidatur zurück. Die Botschaft des Landes in Berlin teilte mit, dass „man aufgrund der Freundschaft und guten Zusammenarbeit zwischen Burundi und Deutschland auf eine Kandidatur verzichte.“ Ein UNIDO-Anwalt erklärte, dass die Frage nach möglichen Gegenleistungen für die Rücknahme einer Kandidatur „gänzlich jeder Tatsachengrundlage entbehre." Lennart Pfahler hat über Müllers fragwürdige Praktiken recherchiert. Er konnte interne Dokumente der UN-Organisation einsehen und mit Insidern sprechen. Es geht um Vetternwirtschaft und alarmierende Prüfberichte der internen Revision (Office of Evaluation and Internal Oversight /EIO).
Pfahler berichtet über interne Diskussionen, warum Müller unantastbar scheint. Kritiker des Deutschen sagen, dieser arbeite seit Jahren strategisch daran, sich Loyalitäten zu sichern, zuletzt verstärkt mit Blick auf die 53 Mitgliedstaaten des „Industrial Development Board“, das den künftigen UNIDO-Chef vorschlägt. Vor allem um den afrikanischen Stimmblock habe sich Müller bemüht – auf eine Art und Weise, die bei Teilen der Belegschaft für Kopfschütteln sorgt. Sie werfen Müller vor, einflussreiche Personen und Botschafter aus stimmberechtigten Staaten gezielt zu hofieren. So bekam der frühere ghanaische Botschafter Philbert Johnson einen Beratervertrag und soll gerüchteweise mittelfristig auf einen Direktorenposten der UNIDO mit einem Mindestnettogehalt von 169.000 US-Dollar rücken. Müller soll sich von Johnson Rückendeckung und die Mobilisierung von Unterstützung in Afrika versprechen.
Zuwachs bei den Direktorenposten
Ein weiteres Beispiel sei die Rekrutierung einer chinesischen Diplomatin, auch für einen Direktorenposten, im Sommer 2024. Anders als üblich verlangte die UNIDO keinen Masterabschluss als Qualifikation, um die Einstellung der Chinesin zu ermöglichen. Eine Peruanerin stieg zur fünften direkten Stellvertreterin Müllers auf. Statt die Anzahl seiner Stellvertreter zu reduzieren, hat er sie erhöht. Die Mitarbeiter fragen sich, ob die Ökonomin Brücken nach Südamerika bauen soll. Die Anwälte der UNIDO verweigerten auf Nachfrage von Pfahler die Auskunft zu einzelnen Personalien. Sie drohten stattdessen, die UNIDO werde sich „mit allen rechtlichen Mitteln wehren“, sollten falsche Behauptungen verbreitet werden. Eine vom UN-Generalsekretär einberufenen Task Force erstellte im März 2025 ein Arbeitspapier mit Reformvorschlägen für die zahlreichen internationalen Organisationen. In dem als „streng vertraulich“ markierten Dokument heißt es, es gebe zu viele Akteure, die zu ähnliche Dinge täten und zu teuer seien. Die Anzahl gut bezahlter Direktorenposten habe zuletzt inflationär zugenommen. Die Task Force verordnete der UN eine Verschlankungskur.
Pfahler hat auch im BMZ nachgefragt und die Auskunft erhalten, dass man dort interne Evaluierungsberichte zur Kenntnis nehme, aber nicht bewerte. Nicht ganz unwichtig: Seit 2020 hat die Bundesregierung die UNIDO mit mehr als 94 Millionen Euro gefördert. Hintergrund: Seit 1966 fördert die UN-Agentur in Wien die weltweite Industrialisierung. Sie verwaltet heute Projekte im Wert von mehr als 1,6 Milliarden US-Dollar. Müller hat die Kernziele geändert und den Fokus in Richtung Klimaschutz und Kampf gegen den Hunger gerückt. Für den globalen Klimaschutz ist allerdings bereits das Umweltprogramm der VN (UNEP) seit 1972 und für Ernährungsprojekte, das World Food Programme (UNWFP) seit 1961 zuständig.
Hier passt ein Zitat aus dem angeblich „streng vertraulichen“ Arbeitspapier von UN Generalsekretär Guterres (Quelle: Der Spiegel vom 02.05.2025, "Die Uno plant offenbar grundlegende Umstrukturierung“) „Die zunehmenden Mandate, oft ohne klare Ausstiegsstrategien, und die Komplexität haben zu erheblichen Überschneidungen und erhöhten Kosten geführt."
Volker Seitz ist Botschafter a.D. und Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“, dtv, 2021 (11. aktualisierte Auflage).
Das Buch wurde seit dem erstmaligen Erscheinen (2009) mit jeder der zahlreichen Neuauflagen aktualisiert und erweitert. Von der ersten Auflage bis heute haben sich die Seitenzahlen fast verdoppelt. Das Buch hat durch seine Informationsdichte einen hohen Wert. Seine Aussagen gelten nach wie vor. Die so genannte Entwicklungshilfe subventioniert immer noch schlechte Politik. Solange immer Ausreden gefunden werden, warum korrupte Regime unterstützt werden sollen, werden auch die Fluchtursachen nicht verringert werden. Die Profiteure der Entwicklungshilfe behaupten: Hilfe funktioniert. Aber warum gehe es heute den meisten afrikanischen Ländern schlechter als zum Ende der Kolonialzeit, fragt Seitz. Es würden kaum Arbeitsplätze vor Ort geschaffen und das breite Elend werde nicht beseitigt, weil Zielgruppen nicht in die Maßnahmen einbezogen werden. Afrikanische Kritiker würden nicht zu den Kongressen eingeladen.
Hilfsgelder heizten in vielen Ländern die Korruption an und halten Afrika in Abhängigkeit. Deshalb plädiert Seitz aus Respekt vor der Leistungsfähigkeit der afrikanischen Gesellschaften, die bisherige Hilfe durch wirtschaftliche Zusammenarbeit auf der Grundlage beiderseitiger Interessen zu ersetzen. Wirkliche Hilfe würde bei der intensiven Förderung von Geburtenkontrolle beginnen. Weniger Geburten hätten in Teilen Asiens und Südamerikas zu besseren Lebensbedingungen geführt. Er wundert sich über die Ignoranz in der Politik und den Medien, wenn es um das wahre Problem Afrika gehe.
Seitz wird nie pauschal, hebt immer wieder positive Beispiele hervor und würdigt sie im Detail. Ein Buch, das über weite Strecken auch Lesevergnügen bereitet, ist immer noch genauso aktuell wie zum Zeitpunkt seiner Erstveröffentlichung. Es richtet sich nicht an ein Fachpublikum. Der Autor bedient sich einer Sprache, die klar ist, dass sie auch Lesern ohne jegliche Vorkenntnisse einen Zugang zu der Thematik – die uns alle betrifft – eröffnet.
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