Vera Lengsfeld / 04.11.2006 / 15:17 / 0 / Seite ausdrucken

Ein Denkmal vor den Toren

Gänzlich unbeachtet von den Mainstream-Medien und den vielen abwesenden Politikern aus der ganzen Welt, wurde in Csömör vor den Toren Budapests am Rande der Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag des Ungarn- Aufstandes ein Denkmal für die 100 Mil-lionen Opfer des Kommunismus auf der ganzen Welt eingeweiht. Auf dem Denkmal aus türkischem Kalkstein sind die Todeslager des Kommunismus auf vier Kontinenten kennt-lich gemacht. Ein unregelmäßiger Stacheldrahtzaun soll die Aggressivität und Inhumani-tät des Lagersystems symbolisieren. Ein an die Mauer anschließender 4m hoher Glo-ckenturm integriert ein Kreuz aus rostfreiem Edelstahl, der den Glauben verkündet, der Leid und Verzweiflung besiegen kann. Stifter des Denkmals ist der Verein Gloria Victis, eine private Initiative, die das Geld für das Denkmal gesammelt hat und auch die Feier-lichkeiten ausrichtete.

Ungarn hat vor 50 Jahren dem Westen klar gemacht, dass es die sowjetische Besat-zung keineswegs akzeptiert und dass es frei sein will. Heute macht es nachdrücklich darauf aufmerksam, dass der Kommunismus mehr als nur ein Betriebsunfall der Welt-geschichte war und das seine Folgen nur überwunden werden können, wenn die Ge-schichte der kommunistischen Verbrechen wahrheitsgemäß beschrieben und erinnert wird. Allerdings erschien das abgelegene, staubige Gelände auf dem das Denkmal sich befindet als symbolisch für die Unwilligkeit der großen Welt, dieselben zur Kenntnis zu nehmen. Hier hatten sich etwa 2000 Menschen aus ganz Europa versammelt. Aus Deutschland war neben der Stiftung Aufarbeitung des SED-Unrechts immerhin auch eine Gesamtschule aus einem
westdeutschen Bundesland vertreten. Leider niemand von der deutschen Botschaft oder von den Politischen Stiftungen, die in Budapest vertreten sind. Als einziger maßgebli-cher ungarischer Politiker hatte sich Oppositionsführer Victor Orban von Fidesz ange-sagt. Er konnte aber nicht selbst erscheinen, weil er gerade mit seinem Kampf um die Macht gegen den Ministerpräsidenten Gyurcsany beschäftigt war.

In Budapest demonstrieren seit Wochen Fidesz-Anhänger gegen den Ministerpräsiden-ten, weil der in einer internen Rede vor seiner Fraktion zugegeben hatte, dass die Men-schen von der Politik belogen wurden. Allerdings hatte er das getan, um klar zu machen, dass es nicht so weiter gehen kann. Ungarn ist wirtschaftlich in einer schwierigen Pha-se. Ähnlich wie in Deutschland macht eine verfehlte Sozialpolitik dem Staatshaushalt und damit dem Land zu schaffen. Ungarn braucht dringend Reformen und der Minister-präsident will sie durchsetzen. Er will das Land für mehr Marktwirtschaft öffnen und mehr Eigeninitiative fördern. Seinen Parteigenossen von den Sozialisten missfällt der Reformeifer ihres Regierungschefs. Seine Unterstützerbasis in den eigenen Reihen ist denkbar schmal. Hinzu kommt der erbitterte Widerstand der Fidesz, die als bürgerliche Partei eigentlich das Bestreben nach mehr Marktwirtschaft unterstützen sollte, tatsäch-lich aber aus Opportunismus für die alte Umverteilungspolitik streitet. In dieser Ausei-nandersetzung hat der ehemalige kommunistische Jugendfunktionär Gyurcsany vor al-lem Verbündete unter den ehemaligen Bürgerrechtlern, wie den Budapester Bürger-meister Gabor Demsky, der sich im kommunistischen Ungarn als Samisdat- Herausge-ber einen Namen gemacht hat. Unter anderem hat er György Konrads „Antipolitik“ ver-legt, in der Konraddeutlich vor 1989 die Entwicklung Europas, die zum Fall des Eisernen Vorhangs geführt haben, vorausgesehen hat.

Auch György Konrad hat sich an die Seite des Ministerpräsidenten gestellt und damit klar gemacht, dass die neuen politischen Linien nicht mehr entlang der traditionellen Parteien gehen, sondern Individuen verbinden, die unabhängig die Probleme lösen wol-len. Vielleicht geht Ungarn darin dem Westen wieder ein kleines Stück voraus.

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