News-Redaktion / 24.07.2020 / 12:00 / 0 / Seite ausdrucken

Ein Brandbrief von Bürgermeistern

Die Oberbürgermeister von Tübingen, Schorndorf und Schwäbisch Gmünd, Boris Palmer, Matthias Klopfer und Richard Arnold haben dem Ministerpräsidenten und dem Innenminister von Baden-Württemberg einen Brief mit bemerkenswerten Vorschlägen geschrieben. Anlass sind die jüngsten Krawalle in verschiedenen Städten. Die Stadtoberhäupter wollen, dass die Aussage, solches Treiben nicht zu dulden, kein folgenloses Lippenbekenntnis bleibt. Es geht ihnen um zwei ganz konkrete Maßnahmen nach einer ungeschönten Analyse der Krawallnächte.

So heißt es u.a. in dem Brief:

„Wir müssen auch ehrlich und offen nach den Ursachen der ähnlich gelagerten Gewaltausbrüche in Stuttgart und Frankfurt fragen. Es scheint plausibel, dass der Frust über die Freiheitsbeschränkungen in der Corona-Zeit dabei eine Rolle gespielt hat. Ebenso spricht manches für die These, die Debatte über Rassismus bei der Polizei nach dem schrecklichen Tod des US-Amerikaners George Floyd, habe zur Wut auch auf unsere Beamten beigetragen. Ein Aspekt findet jedoch in der Debatte bisher kaum Beachtung: Die Rolle von Geflüchteten bei der Entstehung einer gewaltbereiten Szene in der Stuttgarter Innenstadt.

Bisher ist bekannt, dass neun von 24 in der Nacht fest genommenen jungen Männer einen „Flüchtlingsbezug“ haben, also als Asylbewerber ins Land gekommen sind. Viele Tatverdächtige sollen einschlägig bei der Polizei bekannt sein. Auf Videos und Fotos aus der Krawallnacht kann man erkennen, dass auch viele weitere Beteiligte an den Krawallen zu dieser Gruppe gehören könnten. In dieselbe Richtung deuten Aussagen der Polizei, wonach in den letzten Wochen bei Kontrollen in der Stuttgarter Innenstadt 70% der Probleme auf dort versammelte junge Männer mit Flüchtlingsbezug entfallen seien. Es ist keine Stammbaumforschung, sondern notwendige Präventionsarbeit, das präzise zu analysieren. 

Wir halten das jedenfalls nicht für einen Zufall, sondern für die Fortsetzung eines Musters, dass bei vielen Straftaten der letzten Jahre erkennbar war: Unter den Geflüchteten gibt es eine kleine Gruppe gewaltbereiter junger Männer, die eine starke Dominanz im öffentlichen Raum ausüben und weit überdurchschnittlich an schweren Straftaten insbesondere der sexuellen Gewalt und Körperverletzung beteiligt sind. Die Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts bestätigt, dass es sich dabei nicht um Einzelfälle handelt, sondern um ein strukturelles Problem mit etwa 50.000 Mehrfachstraftätern unter den Geflüchteten.“

Milieu in jeder Mittelstadt

Die Oberbürgermeister machen in ihrem Schreiben deutlich, dass es sich hierbei nicht nur um ein Großstadt-Problem handelt.

„In jeder Mittelstadt in Baden-Württemberg hat sich mittlerweile ein Milieu nicht integrierter, häufig mit Kleinkriminalität und Straftaten in Verbindung zu bringender junger geflüchteter Männer gebildet, das an Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen zusammenkommt. Von diesen sind mittlerweile viele nicht mehr für Sozial- oder Integrationsangebote erreichbar. Dafür ist neben Traumatisierung und Gewalterfahrungen auch eine herkunftsgeprägte Männlichkeitskultur verantwortlich. In vielen Fällen paart sich diese mit Enttäuschungen und Frustrationen über die Realität ihres Lebens in Deutschland. Sie fühlen sich nicht angenommen, sehen keine Perspektiven, oft wegen fehlender Aussicht auf Anerkennung völlig zurecht, haben keine Betätigung und können keine positiven Selbsterfahrungen machen. Eine gefährliche Mischung, die auch bei Ur-Gmündern, Ur-Schorndorfern und Ur-Tübingern zur Gefahr für die Allgemeinheit werde müsste.“

Die Oberbürgermeister plädieren dafür, den Asylbewerbern möglichst schnell Beschäftigungs- und Arbeitsangebote zu machen, auch denjenigen, die zwar keinen Asylanspruch haben, aber dennoch nicht abgeschoben werden können. Aber die drei Stadtväter wissen genau, dass damit das Problem keinesfalls gelöst ist:

„Und bei manchen genügen Anreize einfach nicht. Davor die Augen zu verschließen, macht nichts besser. Für die jungen Männer auf Abwegen wäre es auch zu ihrem Schutz extrem wichtig, dass unser Staat ihnen frühzeitig für sie verständlich zeigt, wo Schluss ist. Das tun wir nicht. Im Gegenteil. Kleinkriminalität und stetige Konflikte mit der Polizei haben für Geflüchtete nur in seltenen Fällen reale Konsequenzen. Diese in vielen Herkunftsländern unbekannte Liberalität des Rechtsstaates wird oft als Schwäche unserer Polizei gedeutet und als Einladung zur Fortsetzung des strafbaren Verhaltens verstanden. Deshalb brauchen wir neben dem Wechsel zum Aufenthaltsrecht durch eigene Anstrengung auch einen Wechsel raus aus dem attraktiven Sozialraum der Städte und Gemeinden in Folge von dauerhaftem Fehlverhalten.  

Wir wissen, dass für diese jungen Männer eine zeitweilige Rückverweisung in die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes eine spürbare Sanktion wäre. Dort ist im Gegensatz zu den auf Integration ausgerichteten Unterbringungen in den Städten eine Kontrolle durch Polizei und Sicherheitskräfte möglich. Es wäre auch gegenüber friedlichen jungen Leuten besser erklärbar, gezielt die Tunichtgute mit Einschränkungen zur Raison zu bringen, als alle mit nächtlichen Ausgangssperren und Alkoholverbote in Haftung zu nehmen.“

"Quellen für Ängste und Wut"

Die Oberbürgermeister fordern den Ministerpräsidenten und den Innenminister auf, sich dabei nicht von absehbaren Kampagnen abschrecken zu lassen.

„Natürlich wissen wir, dass diese unbequeme Wirklichkeit in unseren Städten politisch heikel ist. Wenn Sie unserem Vorschlag folgen, wird Ihnen daraus sofort ein Rassismus-Vorwurf konstruiert. Wir sind aber der Überzeugung, dass wir Rassismus bekämpfen können, wenn wir die Kriminalitätsrate unter jungen Geflüchteten Männern, insbesondere im Hinblick auf Straftaten im öffentlichen Raum, senken. Denn dies ist einer der Quellen für Ängste und Wut, aus denen Rassismus Energie bezieht.“

Und dann folgt ein Vorschlag, für den auch die drei Oberbürgermeister reichlich Kritik ernten dürften:

„Richtig ist zweifelsohne, dass die Mehrheit der Krawallbrüder in Stuttgart keine Geflüchteten waren. Auch über die mangelnde Integration dieser jungen Männer in unsere Gesellschaft müssen wir uns Gedanken machen. Wir glauben, dass die Wiedereinführung eines verpflichtenden Dienstes an der Gesellschaft dafür richtig wäre.  

Respekt, Akzeptanz, Toleranz, den verantwortungsvollen Umgang mit Menschen lernt der junge Mensch nicht bei Wikipedia, Facebook und Instagram, sondern in der Begegnung mit anderen. In der Familie. In der Schule. Am Ausbildungsplatz. Im Verein. Im Alltag. Hier übt man den Diskurs und den Umgang miteinander. Ja: manchmal auch steinig, hart und schmerzhaft. Diese sozialen Trainingsräume werden allerdings immer weniger.  

Deshalb fordern wir, dass in Deutschland dringend ein verpflichtender gesellschaftlicher Grunddienst für alle jungen Menschen eingeführt wird, die in unserem Land leben – unabhängig von der jeweiligen Staatsbürgerschaft. Zwölf Monate sollen sich die jungen Menschen hier für die Gesellschaft engagieren. Dieses soziale Pflichtjahr soll in der Tat für alle gelten – sei es bei der Bundeswehr (die Aussetzung des Wehrdienstes sollte ohnehin jetzt beendet werden), sei es in sozialen oder kulturellen Einrichtungen, bei der Betreuung von älteren Bürgerinnen und Bürgern, sei es bei Arbeiten für die Städte und Kommunen. Für alle Dienstleistenden, die sich nicht auf Bundesebene, zum Beispiel im Wehrdienst oder beim THW engagieren, ist dabei die eigene Stadt, die eigene Gemeinde der richtige Ort für ein passendes Pflichtjahr. Hier sieht man sofort und konkret, was man mit seinem Einsatz bewegen kann. Und sie ist der passende Trainingsraum für das Einüben der sozialen Fertigkeiten, die unsere Gesellschaft als unabdingbare Grundlage benötigt.“

Den ganzen Brief finden Sie hier: https://www.tuebingen.de/Dateien/380_schreiben_obm_anlage.pdf

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