Gastautor / 24.12.2024 / 06:00 / Foto: Montage achgut.com / 63 / Seite ausdrucken

Ein Blick in eine Pfütze hinterm Aldi

Eine Reise zu den Wurzeln der „Wokeness“ in der „Dekonstruktion“ postmoderner Philosophen und Künstler.

Wem vom Lesen in einem Ausstellungskatalog schon mal körperlich unwohl geworden ist, der kennt ihn – den Ekel, der einen überkommt, wenn man merkt: Hier wird nicht versucht, das Rätsel hinter der Banane zu lösen, die da an der Wand klebt; jeder Satz zielt vielmehr darauf ab, den Sinn des Kunstwerks weiter zu verschleiern. Willkommen in der Postmoderne! Die gute Nachricht: Ihre Abwehrkräfte sind noch intakt.

Zum Schauderhaftesten am Obskurantismus unserer Zeit gehört die Mischung aus Begeisterung und Arroganz, mit der seine Vertreter die erkenntnistheoretischen Waffen strecken. Man begrüßt die geistige Irrfahrt, den kleinen Finger dabei abgespreizt, die Nase gerümpft. Philosophische Demut funktioniert anders.

„Ich habe mich selbst gefragt, wohin ich gehe“, gab der Philosoph Jacques Derrida einmal zu, um dann zu prahlen: „Ich würde Ihnen also antworten, dass ich exakt darauf hinarbeite, mich an einen Punkt zu bringen, an dem ich nicht mehr weiß, wohin ich gehe.“ Derrida leistete für die Postmoderne, zu deren prominentesten Figuren er zählte, mitunter fragwürdige Öffentlichkeitsarbeit. Er soll aber in der Regel gut nach Hause gefunden haben.

Wir erinnern uns: Das Wort „Philosophie“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Liebe zur Weisheit“ oder, weniger hochtrabend, „Interesse am Wissen“. Derrida ließ offen, wie man dies beweist, wenn Orientierungslosigkeit nicht als Zustand diagnostiziert, sondern als Ziel ausgegeben wird. Wahrheit konnte er, typisch für einen Vertreter der Postmoderne, nicht recht leiden – sie war in seinen Augen selbstverständlich relativ. „Philosoph“ nannte er sich trotzdem.

K.O. in der ersten Runde

Derrida sah seine Aufgabe vor allem darin, „Unsinn sichtbar zu machen“. Nun ist, wie der Volksmund weiß, noch kein Meister vom Himmel gefallen. Wir können also davon ausgehen, dass er seine 10.000 Stunden investierte, um irgendwann tatsächlich Bücher schreiben und Interviews geben zu können, die nichts als Unsinn enthalten. Die Lehrjahre zahlten sich aus. Ein Blick in eine Pfütze hinterm Aldi fördert mehr Sinn zutage als die Blendgranaten dieses Philosophendarstellers.

Ein zu harsches Urteil? Lesen Sie als Kostprobe, was Derrida über die Terroranschläge vom 11. September 2001 zu sagen hatte: „Der Ort und die Bedeutung dieses ,Ereignissesʻ bleiben unaussprechlich, wie eine begriffslose Intuition, wie eine Einheitlichkeit ohne Allgemeinheit am Horizont oder überhaupt ohne Horizont, außerhalb der Reichweite einer Sprache, die ihre Ohnmacht eingesteht und deswegen darauf reduziert ist, mechanisch ein Datum auszusprechen, es endlos zu wiederholen, als eine Art rituelle Beschwörung, ein beschwörendes Gedicht, eine journalistische Litanei oder einen rhetorischen Refrain, der zugibt, nicht zu wissen, wovon er spricht. Wir wissen in der Tat nicht, was wir auf diese Weise sagen oder benennen: 11. September, le 11 septembre, 11. September.“

Mir scheint: Man kann Derrida nicht vorwerfen, dass er seine Überzeugung, Wahrheit sei immer bloß konstruiert, verheimlicht hätte. Eigentlich möchte man ihm nach solchen Sätzen gar nichts mehr vorwerfen, nur fragen vielleicht, ob es ihm gut geht.

Von Roger Scruton stammt ein Denkanstoß, der an dieser Stelle angebrachter als jeder Vorwurf ist: „Ein Autor, der behauptet, es gäbe keine Wahrheiten oder dass alle Wahrheit ,nur relativʻ sei, bittet Sie, ihm nicht zu glauben. Also tun Sie es nicht.“ Derrida gebührt diese Ehre ganz sicher, aber man kann sie ohne Weiteres der gesamten Postmoderne erweisen. Wie jeder Wahrheitsrelativismus scheitert sie an ihrer Selbstwidersprüchlichkeit und wird in der ersten Runde ausgezählt.

Erstklassiges Marketing

Früher Knock-out hin oder her – Derrida und seine Geistesverwandten schrieben akademische Bestseller, ihre Fangemeinde fällt bis heute riesig aus. Es ist ein Triumph, den sie vor allem ihrem Mundwerk verdanken.

Wie bei den meisten Trickbetrügern besteht eine bewährte Taktik auch bei den erfolgreichsten Ideologen der Gegenwart im verbalen Carpet-Bombing. Weil jede geordnete Diskussion ihre Gesinnung sofort als absurd bloßlegen würde, muss weitergeschwafelt werden. Schweigen, wenn nichts zu sagen ist, liegt der Postmoderne so sehr wie Putin der Pazifismus. Das leere Wort ist ihre Interkontinentalrakete.

Im Kern demolierte dieser zur Weltanschauung erhobene Laberflash den Westen, lange bevor Derrida sich in seinen Texten verlaufen wollte. Sein Werk ist insofern wenig originell, blieb aber nicht ohne Großtat. Derridas Hauptverdienst besteht darin, der populärsten wahrheitsfeindlichen Denkweise unserer Zeit einen knackigen Namen gegeben zu haben: Dekonstruktion.

Dekonstruktion! So akademisch kann es klingen, wenn Faktenallergie als intellektuelle Haltung verkauft wird. In Sachen Marketingstrategien macht den postmodernen Ideologen keiner etwas vor. Ihre erste Kampagne galt daher dem schönsten, aber auch schwächsten Kontrahenten: der Kunst.

Negation und Vernichtung

Eine Proto-Dekonstruktion gelang bereits Marcel Duchamp, der 1917 ein handelsübliches Urinal signierte und als Kunst ausgab („Fountain“). John Cage behauptete 35 Jahre später, bei rund vier Minuten Stille handle es sich um Musik („4′33“). In den 1990er-Jahren schließlich, als postmoderne Ideen weit über die schönen Künste hinausgelangt waren, brachte Judith Butler vor, das Geschlecht sei keine biologische Eigenschaft, sondern sozial und performativ konstruiert („Das Unbehagen der Geschlechter“). Es spricht nicht für den akademischen Betrieb, dass man Butlers Arbeiten den Geisteswissenschaften und nicht der Performance-Kunst zuordnet.

Die Beispiele ließen sich endlos fortführen. Sie gleichen sich darin, dass bewährte Standards und Traditionen radikal eingerissen werden. Häufig so radikal, dass das Objekt, dem die Standards und Traditionen einmal galten, zu verschwinden beginnt.

Duchamp und Cage negierten Kunst, Butler ging weiter: Sie wollte den Menschen selbst als einen Fakt in der Welt ausmerzen, der sich objektiv fassen lässt – etwa durch ein klar bestimmbares Geschlecht, also durch eine Tatsache, die wie kaum eine andere in der Biologie belegt ist. Der postmoderne Angriff auf die Wahrheit wurde mit einem Schlag in die Weichteile geführt, an die man angeblich nicht glaubte.

Wo zuvor Materie war, fand sich nur noch Geraune. Duchamp, Cage und Butler hatten das Gleiche begriffen: Dekonstruktion ist das höchste Gut der Weichensteller des Westens, jener linken und nur dem Schein nach liberalen Elite, die seit langer Zeit den kulturellen Diskurs dominiert. „Wokeness“ stellt zwar einen vergleichbar neuen Begriff dar, die Gesinnung dahinter existiert jedoch seit mehr als einem Jahrhundert. Abrissbirne bleibt Abrissbirne.

Kultur und Karriere

Dekonstruktion kann als Karriereplan dienen. Will man wie Derrida nicht wissen, wohin die Reise geht, steuert man paradoxerweise sehr exakt auf Spitzenpositionen zu – und wird nicht nur Künstler, sondern auch Professor, Journalist oder Trans-Allerlei im Bundestag. Absurdität ist die neue harte Währung, und Feindseligkeit gegenüber der Weisheit wird reich belohnt. Jackpot für die Schwätzer!

Es sollte einen also nicht verwundern, wenn das Wirken dieser Karrieristen sich mit jedem Jahr deutlicher in unserer Gesellschaft widerspiegelt. Da es sich auszahlt, geschieht das Auflösen von Konventionen mittlerweile oft allein des Auflösens von Konventionen wegen. Innovation wird zum Selbstzweck – die neue Währung mündet in Vandalismus.

In ihrer Zerstörungswut hoffen die radikalen Innovatoren, der Mensch könne als unbeschriebenes Blatt so stabil in der Welt stehen, dass er dieser besser gewachsen ist als jemand, der in der Tradition seiner Vorgänger handelt. Nicht aus Marmor, sondern aus dem Nichts soll der postmoderne Mensch die neue Venus von Milo meißeln. Bis dato ist das Meisterwerk noch nicht gelungen, aber Graffiti, auf denen ein Mädchen seine Hand nach einem Ballon in Herzform ausstreckt, findet das Publikum auch nicht übel.

Businessplan: Pyramidensystem

Eines der größeren Probleme, die sich einstellen, wenn einer Gesellschaft Bullshit besser gefällt als Fakten, ist das Einfallstor, das jetzt den Ambitionierten offensteht. Die Ehrgeizigsten unter den Blendgranatenwerfern werden stets versuchen, die Absurdität ins Maximum zu treiben, weil sie damit ihren Status erhöhen können.

Am Ende verurteilt der Wahrheitsfeind zwar sich selbst ebenso wie alle anderen zum Schweigen, denn ein postmodernes Maximum vernichtet jeden Sinn, also auch den eigenen (siehe Scrutons Bonmot). Doch bis man den Ast, auf dem man sitzt, abgesägt hat, dauert es. Noch trägt das Holz. Dafür spricht neuer woker Unfug, der es wie gehabt vom Proseminar bis ins Parlament schafft. Peak Woke? Hinter jedem überwundenen Gipfel erscheint ein weiterer. So ist das im wilden Wokistan.

Wo die Wahrheitsfeinde neue Jagdgründe finden, zeigt ihnen der Grad von Normalität an, der in einem gegebenen Bereich noch erzielt wird. Schon Derrida hielt Normalität für das „monströseste aller Konzepte“. Aus gutem Grund, denn überall dort, wo Traditionen welcher Art auch immer hochgehalten werden, findet der Mensch noch seinen Kurs. Das ist ein Missstand, den die Dekonstrukteure nicht dulden können. Er schadet ihrem Geschäft.

Ja, es ist möglich, mit Freude die Grundlagen der eigenen Existenz einzureißen. Dafür muss man bloß darauf hoffen können, seine Schäfchen im Trockenen zu haben, bevor es kracht. Die Dekonstrukteure wissen wie andere Hochstapler auch: Im Pyramidensystem verlieren die Arglosen und die Gesellschaft insgesamt. Nichts also, was ihnen sonderlich viel bedeuten würde.

Partyspiel für Mutige

Am Ziel der Zerstörung, das zeigt Butlers anti-humanistisches Vorhaben, kommt die Menschheit der Welt abhanden. Hier heißt es, tapfer sein. Denn zu jenen, die sich insgeheim das Ende des Menschen wünschen, gehören womöglich auch einige Ihrer besten Freunde.

Machen Sie bei der nächsten Party, auf der sich hinreichend viele „progressive“ Gäste eingefunden haben, die Probe aufs Exempel. Werfen Sie zum Beispiel, wie der Autor und Unternehmer Malcolm Collins vorgeschlagen hat, die Bemerkung in den Raum, dass Sie befürchten, die Menschheit könne aussterben. Es spielt keine Rolle, ob Sie für das drohende Unheil nun die weltweit sinkenden Geburtenraten oder einen Kometen mit Kurs auf unseren Planeten heranziehen – die Chance ist hoch, dass eine Reihe von Gästen anführen wird, wie wenig bedauernswert so etwas doch eigentlich wäre.

Scheinheilig wird dann vermutlich nachgeschoben: Bringt der Mensch nicht ohnehin mehr Leid als Gutes über Mutter Erde? Ist es denn falsch, die Natur sich selbst zu überlassen? Sollten Ihnen solche rhetorischen Fragen nicht zu denken geben, denken Sie an Folgendes: Diese Gleichgültigkeit gegenüber der Menschheit schließt auch Ihre Kinder ein.

Verbotene Frucht

Die Dekonstrukteure ahnen, wie fatal ihr Spiel ist und haben Spaß dabei. Zwar kennt ihr dunkler Erlösungsglaube kein Paradies, doch religiöse Verzückung ist ihnen nicht fremd. In den größten Rausch geraten sie, wenn in Aussicht steht, dass die Menschheit endlich für ihre Ursünde büßen könnte. Die Anklage lautet auf Erkenntnis.

Die Postmoderne agiert wie ein abtrünniger Zweig des Christentums. Es ist kein Zufall, dass sie den größten Groll gegen Menschen hegt, die Wahrheit für objektiv und Erkenntnis demgemäß für möglich halten. Nie wieder soll der Mensch von der verbotenen Frucht naschen können. Nur ist es mit seiner Vertreibung aus dem Garten Eden für die Dekonstrukteure nicht getan. Sie wollen seinen Untergang. Ihr Zorn – und das muss man erstmal schaffen – übertrifft den von Gott.

Pop ohne Kanten

Es ist zudem kein Zufall, dass der erste Angriff, den die Postmoderne führte, der Kultur galt. Seine Fähigkeit, sich über kulturelle Ideen weiterzuentwickeln, unterscheidet den Menschen von allen anderen Lebewesen. Sie ist seine Superkraft. Zerstört man sie, lässt man ihn wehrlos zurück. Der pseudochristlichen Apokalypse geht deshalb die Verflachung der Kultur voraus. Vor dem Exitus wird so hart optimiert, dass kein kreativer Schnörkel übrigbleibt.

Bei aller Vorsicht, die man walten lassen sollte, wenn von alten Zeiten geschwärmt wird, ist doch schwer zu bestreiten: Besonders in der Popkultur fehlen heute die Kanten – da also, wo kulturelle Veränderungen sich in ihrer Breite zeigen. Die Stromlinie ist für den kommerziellen Erfolg, das belegen etwa die Musikcharts, zum Must-have geworden.

Wer das moniert, steht in einer Zeit, in der wohlwollende Blicke in die Vergangenheit verpönt sind, schnell als alter weißer Mann oder bös rechtes Tradwife da. Dann lässt man es lieber mit der Kritik. Sollen die Kids ruhig Taylor Swift hören, Marvel-Movies schauen und Banksy für einen widerständigen Künstler halten.

Und doch muss irgendetwas geschehen sein, wodurch sich das kreative Gefälle zwischen den größten Popstars 1964 (Beatles) und dem größten Popstar 2024 (Taylor Swift) erklären lässt. Der Unterschied zwischen den Dekaden wirkt paradox, bedenkt man, in welchem Maß die Abschaffung von allem, was nach Regeln klingt, 2024 gefeiert wird.

Es erhärtet sich ein Verdacht: Umso lauter der Ruf nach dem kreativen Abenteuer erklingt, desto stärker gerät die Kultur zur Tretbootfahrt. Man wundert sich, wenn man nicht gerade Swiftie ist.

Kultur aus dem Rohbau

Die Paradoxie lässt sich auflösen: Kognitive Dissonanz ist in diesem Fall der Schlüssel zum Verständnis. Eine Gesellschaft kann das Zerstören selbst der letzten Normen und Werte feiern und sich gleichzeitig einreden, alles laufe reibungslos. Wie ein Haus, das beinahe vollständig abgerissen wird, bleibt die Kultur stabil, solange ihr Tragwerk noch intakt ist. Die Außenwände und das Dach stehen, doch Charakter und echte Schönheit sind vielleicht längst verschwunden.

Auch wenn wir keine Popbands mehr vom Schlage der Beatles hervorbringen, wollen Menschen weiter Popmusik hören, auf Konzerte gehen und T-Shirts ihrer Idole kaufen. Um diese Nachfrage zu bedienen, reicht der kulturelle Rohbau – ein paar allgemeine Nenner in den Texten, die immergleichen Akkordfolgen, ein Sounddesign, das nach Gremiumsbeschluss klingt … Für all das ist keine Kreativität notwendig, die Songs wie „Eleanor Rigby“ oder „Strawberry Fields Forever“ auszeichnet. Nach dem Zerschlagen der Standards bleibt nur noch standardisierte Kunst. Ein Widerspruch, der bei näherer Betrachtung keiner ist.

Tristesse in bunt

Fassen wir zusammen: Die postmoderne Feindschaft gegenüber der Erkenntnis führt zu einem Angriff auf die Kultur und entfacht Chaos. Wer wie Derrida absichtlich daran arbeitet, sich Einsichten zu verbauen, trägt zwangsläufig zur Verwüstung bei. Schon mal probiert, Omas Porzellanservice mit geschlossenen Augen einzuräumen?

Chaos erstickt zuerst das anfälligste Element offener Gesellschaften: die Kreativität. Ihr fehlen nun, weil die meisten Standards abgetragen wurden, die Orientierungspunkte. Wo zwischen sämtlichen Richtungen, in die man sich theoretisch bewegen kann, kein praktischer Unterschied besteht, führt die Bewegung ins Leere. Das Durcheinander schlägt in Gleichförmigkeit um.

Nicht nur jedes Ornament, auch Winkel und Kanten, die Charakter zeigen, sind jetzt verschwunden. Es bleibt ein öder Kubus, Stangenware, Langeweile – selbst dann übrigens, wenn die Oberflächen bunt angestrichen werden, um Diversität vorzutäuschen.

Wissen, wo der Bauklotz passt

Das Gebäude, das wir Kultur nennen, wirkt für viele weiterhin wie das Waldorf Astoria. Auf etlichen Etagen ist es in Wahrheit kaum mehr als eine Ruine. Der Fan bucht sein Zimmer trotzdem. Es ist ihm gleich, dass Konformismus hinter der vermeintlichen Kreativität steckt, die man ihm andreht. TikTok hat es ihm nicht anders beigebracht.

Manche Ruinen sind bewohnt. Und wenn dort alle Wände in den Farben des Regenbogens angestrichen werden, fällt es leicht zu glauben, dass man so kreativ ist wie eh und je. Aber die Illusion hat Makel, und einige fragen sich trotz der Buntheit, ob Swift und Banksy das Maß aller Dinge sind.

Der Weg zu mehr Tiefe muss nicht von Grund auf neu gefunden werden. Den ersten Schritt geht, wer sich für Orientierung statt Orientierungslosigkeit entscheidet und wieder Konstruktion statt Dekonstruktion betreibt. Selbst Derrida kannte es wohl aus dem Kinderzimmer: Möchte man ein Gebäude errichten oder instandsetzen, sollte man wissen wollen, wo der nächste Bauklotz passt. Erkenntnis lohnt sich. Ein Interesse an Wahrheit ist deshalb auch eine Grundbedingung für den Wiederaufbau der westlichen Kultur.

Von heute auf morgen wird die Instandsetzung nicht gelingen, doch eines zeichnet sich bereits ab: Die Banane, die da als Kunst an der Wand klebt, kann weg. Das hält alles auch so.

 

Florian Friedman ist freier Autor. Für zahlreiche Magazine und Zeitungen schreibt er über gesellschaftliche Themen, Kunst, Technologie und Musik. Friedman lebt in Hamburg.

Foto: Arturo Espinosa SeguirJacques Derrida for PIFALPencil on Fabriano. - https://www.flickr.com/photos/espinosa_rosique/8567442079, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons Alfred Stieglitz - NPR arthistory.about.com, Public Domain, via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Jürgen Fischer / 24.12.2024

Der Klassiker der Schwafler-Entlarvung ist nach wie vor Karl Popper, der 1971 in der FAZ (damals war das noch eine richtige Zeitung) Habermas ins Deutsche übersetzt hat, Dem vorangegangen war ein Brief Poppers an Professor Raymond Aron, in dem er sich beklagt, »lese ich Adorno oder Habermas, habe ich den Eindruck, als würden Verrückte sprechen«. Einen Artikel darüber, inklusive der Übersetzung, findet man auf Sciencefiles (29.11.2021).

Stefan Riedel / 24.12.2024

@ Gerhard Rasch / 24.12.2024: “Also mir hat moderne Kunst nie gefallen. Wenn jemand, der berühmt ist, in eine Ecke scheißt und ein Fähnchen reinsteckt und das als Kunst deklariert,  jubeln die Denkfaulen.” Warum sollte Kunst dem Betrachter gefallen? Warum sollte ich noch einmal eine Albrecht Dürer Ausstellung besuchen? Ich finde seine Kunstwerke einfach nur schön! Danke für Ihren Beitrag!

Angela Seegers / 24.12.2024

Ausgerechnet das Urinal von Duchamp, diesem Traumtänzer der Trash Art, die er nie erfunden hat, sondern kopiert hat, um erst in den 1940er Jahren das Kunstwerk als seine „Fountain“ vorzustellen. Ein feiger Mensch. So kann man sie alle zusammenfassen. Feige und für billige Erfolge jederzeit zu haben, Hauptsache der richtige Zeitpunkt, was immer das heißt.

Thomas Szabó / 24.12.2024

Wenn ein Philosoph nichts zu sagen hat, aber Anstand besitzt, dann schweigt er. Wenn ein Philosoph nichts zu sagen hat, aber KEINEN Anstand besitzt, dann schwafelt er.

B. Endres / 24.12.2024

Die philosophischen Wurzeln sind im Deutschen Idealismus zu suchen, insbesondere bei Kant und Hegel, sowie bei deren Nachlassverwalter Heidegger, seinen Schülern und Epigonen von Marcuse bis Butler. Die Trapezkünste der Derrida und Konsorten wurden über dem dichten Fallnetz einer noch halbwegs intakten zivilisatorischen Struktur lanciert, nach deren weiterem Verfall wird es natürlich tödlich. Duchamps signiertes Urinal war als singuläre Geste 1917 durchaus eine brauchbare Reflektion der veränderten Bedingungen westlicher Kunstproduktion. Es sind die von vornherein zum Scheitern verdammten endlosen Versuche, den Effekt dieser Geste zu reproduzieren und die akademische Verkrustung dieser Versuche, welche die zeitgenösselnde Hofkunst zur Lächerlichkeit verdammen.

Zdenek Wagner / 24.12.2024

“Lucius De Geer / 24.12.2024 Oje, ausgerechnet die Plätschermusik von den Beatles als kulturelle Landmarke heranzuziehen, ist nicht gerade vertrauenerweckend.” Hoppla! Plätschermusik? Leonard Bernstein hat über die Beatles gesagt, sie hätten die schönsten Melodien des 20. Jahrhunderts geschaffen. Sie haben unzählige Menschen glücklich gemacht - und tun dies noch Heute. Oder sind Sie gar ein Vertreter der typische deutschen Ansicht, dass Kunst, um wertvoll zu sein, quälen muss? Und was Philosophen anbetrifft, ein berühmter Physiker (Name ist mir entfallen) sagte über selbige sinngemäß, sie hätten allesamt kaum etwas zum Fortschritt der Menschheit beigetragen. Gleiches gilt für “Künstler” wie Beuys, Pollock, Penderetzki und und und. Ich denke nicht daran mich der Herrschaft der Nichtskönner und Mittelmäßigen zu beugen. Butter in der Badewanne ist Butter und wird irgendwann ranzig, formloses Geschmiere ist und bleibt Geschmiere und vier Minuten Stille in einem Konzert sind schlicht und ergreifend eine Verarschung!!!

Thomas Szabó / 24.12.2024

Das zeitgenössische Kunstwerk besteht nur noch aus der Interpretation. ♦ Des Kaiser neue Kleider in der Philosophie ist die Postmoderne. ♦ Die Entwicklung der postmodernen Philosophie verhält sich analog zur Entwicklung der zeitgenössischen Kunst. Zunächst wurden die Fesseln der akademischen Malerei abgelegt. Heute darf der Maler überhaupt nicht mehr malen können. Zunächst wurden die Fesseln der klassischen Denkschulen abgelegt. Heute darf der Philosoph überhaupt nicht mehr logisch denken können. Zunächst erfolgte die Befreiung von den alten Regeln der Professionalität. Dann erfolgte die Fesselung durch die neuen Regeln des professionellen Dilettantentums. ♦ Das Kunstwerk ist nichts, die Interpretation ist alles. Das zeitgenössische Kunstwerk ist eine Banalität in einer Verpackung aus hochgestochener Gequatsche. Analog verhält es sich mit der postmodernen Philosophie. Ein banaler Gedanke in komplexe Gequatsche gehüllt. Der philosophische Kern ist nichts, die professionelle Gequatsche definiert den Wert des Kunstwerkes / der Philosophie. Der professionelle Kunstschwätzer / Philosoph ist ein Meister der äußeren Form. Sein Ansehen hängt davon ab, wie gewieft er schwafeln kann, wie gut er die standardisierte Sprache seines Fachgeschwafels beherrscht. ♦ Substanzloses Geschwafel ist kein Fundament für die Kunst, für die Philosophie, für eine Hochkultur, für die Zivilisation, für die Menschheit. ♦ Die nihilistische Lehre der Postmoderne erinnert an den christlichen Satan, dem Widersacher der Welt, dem Zerstörer der Schöpfung, der jeden Sinn zu zerstören trachtet.

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