Er war der Mann, der mehr als sieben Jahrzehnte neben und hinter seiner Königin saß, stand und lief. Ein englischer Gentleman vom deutschen Scheitel bis zur griechischen Sohle. Groß, schlank, loyal. Aber da war noch was. Sein loses Mundwerk und sein unzensierter Humor. Prinz Philip war die frische Brise im strengen Haus Windsor, ehemals Sachsen-Coburg und Gotha. Mit ihm ist 99-jährig ein Mann gestorben, dem das Wort „woke“ so fremd war, als sei es nicht in seiner eigenen Sprache erfunden worden. Man darf gespannt sein, wie die Woke-Community nach der üblichen Trauerzeit an dem verbalen Denkmal dieses alten weißen Mannes kratzen wird.
In einem Brief mit dem Titel „Oldie des Jahres“ beschrieb er als 90-Jähriger, wie „der Lack vom alten Rahmen abblättert“. Diese typisch englische Selbstironie gehörte ebenso zu seinem Humor-Repertoire wie die frecheren Sprüche bis hin zu peinlichen Ausrutschern. Seine Arbeitsdisziplin sollte darüber aber nicht vergessen werden. Erst sechs Jahre, nachdem der Herzog von Edinburgh seinen Oldie-Brief geschrieben hatte, trat er von seinen royalen Aufgaben zurück. Nach sieben Dienstjahrzehnten – als wandelnde Herausforderung für das heute weit verbreitete Frührentnertum.
Es war Liebe auf den ersten Blick, hieß es, als Elizabeth und Philip sich als Teenager begegneten. Muss es wohl gewesen sein, denn der Geliebte neigte schon früh zu einem gewissen Sarkasmus. Kaum waren die beiden verlobt, fragte Philip einen Bahnarbeiter: „Wie sind denn Ihre Aufstiegschancen?“ Antwort: „Da müsste schon mein Boss sterben.“ Darauf Philip: „Genau wie bei mir.“ Später bei einem Australienbesuch sagte ihm ein Gesprächspartner: „Meine Frau ist viel wichtiger als ich.“ Die Antwort des Prinzen: „Wir haben in unserer Familie des gleiche Problem.“
Sie hat ihn 1947 trotzdem geheiratet. Und sie lachte fröhlich, als der Prinzgemahl bei ihrer Krönung die prächtige Krone auf ihrem Haupt mit den Worten bewunderte: „Wo hast du denn diesen Hut her?“ Elizabeth war also mehrfach gewarnt, und die beiden gaben dann ein ideales königliches Paar ab. Während es in der Familie rundum nur so von Scheidungen wimmelte, führten sie die altmodische eheliche Stabilität vor, die sich das Volk von seinen Royals wünschte. Dass es hinter den Palastmauern nicht immer so idyllisch aussah, gab Philip später in einem Interview zu: „Die Queen besitzt die Qualität der Toleranz im Übermaß.“
Helmut Kohl als „Herr Reichskanzler“ begrüßt
Auch Helmut Kohl musste seine sicherlich nicht ganz so reichlich vorhandene Toleranz bemühen, als Philip ihn bei einem Besuch in Deutschland als „Herr Reichskanzler“ begrüßte. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern litten unter der flapsigen Bemerkung nicht. Sie leiden erst richtig seit dem Brexit, den Queen Elizabeth als eindrucksvolle, aber politisch machtlose Galionsfigur des Königreichs unterzeichnen musste.
Zu den harmlosen Sprüchen der späteren Jahre gehört Philips Bitte an die Filmschauspielerin Cate Blanchett, ob sie ihm als Frau vom Filmfach nicht seinen DVD-Player reparieren könne. Wie es scheint, hat die Schauspielerin die Anfrage so wenig ernst genommen, wie sie gemeint war.
Ironie wird ja oft missverstanden. In diese Gefahr geriet Philip auch, als er seinerzeit den Diktator Alfredo Stroessner in Paraguay besuchte und sagte: „Es ist eine Freude, in einem Land zu sein, das nicht vom Volk regiert wird.“ Wer das ernst nahm, war (und ist) selber schuld. Zu den harmloseren Sprüchen gehört sein Bonmot über Männer, die einer Frau die Autotür aufhalten: „Dann ist das entweder eine neue Frau oder ein neues Auto.“
Es wird Zeit, zu den Sprüchen des Mannes zu kommen, der nie in seinem Leben das Prädikat „woke“ für sich in Anspruch genommen hätte. Fangen wir daheim im Königreich an, das sich seit geraumer Zeit mit dem einen oder anderen dunkelhäutigen Lord schmückt. Begegnungen dieser Art waren vom Protokoll programmiert. Nicht programmieren ließ sich der Herzog. Als er dem afro-britischen Lord Taylor of Warwick begegnete, fragte er in klassisch philipischer Manier: „Aus welchem exotischen Teil der Welt kommen Sie?“ Der Lord nahm die Eigenheit des Herzogs gelassen.
„Werfen Sie noch mit Speeren aufeinander?“
Größere Verblüffung löste Philip aus, als er bei einem Australien-Besuch eine Abordnung der Ureinwohner fragte: „Werfen Sie noch mit Speeren aufeinander?“ Vermutlich noch größer war die Verblüffung jenes Briten, der in China studierte, und dort von Philip gewarnt wurde: „Wenn Sie noch länger hier bleiben, kommen Sie mit Schlitzaugen nach Hause.“ Die begleitenden Chinesen dürften gedacht haben: Diese Langnasen haben einen seltsamen Humor.
Soweit diese kleine Auswahl der losen Sprüche des Mannes an der Seite der Queen, die in diesem Monat 95 wird. Ihre Arbeit verrichtet sie schon seit längerem ohne ihren Philip, den sie zuletzt vor sich selber schützen musste. So sorgte er für Aufregung, als er vor gut zwei Jahren in Sandringham einen Autounfall verursachte. Die Queen hatte ihn daraufhin überredet, seinen Führerschein abzugeben. Aber der 97-Jährige gab sein geliebtes Autofahren noch nicht auf und kutschierte mit seinem SUV noch mal auf dem Palastgelände herum. Zwei Jahre später ist er nun gestorben, im Juni hätte er die runde Zahl hundert erreicht.
Sein Tod erinnert die Nation wieder einmal daran, dass dem Palast ein Personalwechsel bevorsteht. Charles und Camilla? Nicht alle sind begeistert, aber die beiden werden es sein. Aber da sie auch schon in die Jahre gekommen sind (er 72, sie 73), haben sie keine Chance, wie die Senioren eine ganze Epoche zu prägen.
Ja, Queen Elizabeth ist als Königin ohne formale Macht immer wieder gezwungen, in ihrer „Thronrede“ Wort für Wort vorzulesen, was „ihre Regierung“ ihr aufgeschrieben hat. Und Philip war immer nur der Prinzgemahl ohne klare Zuständigkeit, der nach einer unglücklichen Jugend als aus Griechenland vertriebener Königssohn in England dann ein erstaunliches Glück gefunden hat. Doch Elizabeth und Philip sind als Traumpaar für das britische Ego, für die Boulevard-Medien und für den England-Tourismus unbezahlbar und unerreicht.
Wir erleben die letzten Jahre einer Epoche, die Demokratie und königlichen Pomp auf unnachahmliche Weise verbindet. Ein langer, gelungener Auftritt, dem die nächste Besetzung nur schwer wird folgen können. Kein Bürgerpräsident hat auch nur annähernd die Chance, so gutes Foto- und Filmmaterial abzugeben. Und keiner würde sich zu sagen trauen, was Philip im Laufe einer langen Karriere alles von sich gegeben hat. Durchaus ein Grund zur Trauer.