„Herr Präsident“, sagte Vas Narasimhan und neigte sich ein bisschen in den Vordergrund, „vielen Dank für die Ehre, hier zu sein, ich bin der CEO von Novartis, wir sind eine der größten pharmazeutischen Unternehmen der Welt“. Donald Trump lehnte sich ebenfalls nach vorne, damit er „Vas“, wie man ihn in Basel kennt, der leicht studentisch-dynamisch wirkte, auch besser sehen konnte: „Wir sind wirklich sehr erfreut über Ihre Steuerreform, aber auch sehr erfreut über die Fortschritte, die bei der FDA gemacht wurden (Food and Drug Administration, die amerikanische Medikamentenzulassungsbehörde, Anm.). Wir sind überzeugt, dass Sie dort eine sehr gute Führungsmannschaft installiert haben, die all die richtigen Dinge tut, um Innovationen zu beschleunigen.“
„Scott is great, and Alex is great“, „Scott ist brillant und Alex ist brillant“, entgegnete Trump: „Alex hat eben erst begonnen, er ist hoch angesehen und einfach fantastisch“, Vas nickte, Trump fuhr fort: „Scott Gottlieb, wie Sie wissen, ist ein Star.“ Gottlieb ist seit Mai 2017 der neue Chef der FDA, ein tatsächlich renommierter, neoliberaler Arzt, der schon einmal für die FDA gearbeitet hat, um danach jahrelang in Verwaltungsräten der Pharmaindustrie tätig zu sein. „Er ist ein Star“, pflichtete Vas Trump bei: „und seine Vision für die Tabakindustrie und sein Versuch, das Rauchen unter jungen Leuten weltweit zu reduzieren, sind inspirierend.“ „Das ist sehr gut, vielen Dank!“
Und Trump leitete zu Ulrich Spiesshofer über, dem CEO von ABB, dem er dafür gratulierte, dass ABB im Begriff ist, einen Teil von GE zu übernehmen: „Haben Sie einen guten Preis bekommen?“ „Ja, einen guten Preis”, bestätigte Spiesshofer und lachte wohlig, Trump lachte ebenfalls: „Sie haben sicher einen guten Preis bekommen, ich weiss, mit wem ich es zu tun habe, er bekommt immer einen guten Preis!“
Trump wies auf Spiesshofer und blickte augenzwinkernd in die Runde am Tisch, und alle lachten – und es klang nicht so, als ob sie aus Höflichkeit lachten, sondern man unterhielt sich bestens. Trump und die Seinen. Was mancher CEO bisher nur aus den Medien zu erahnen vermochte, erlebte er hier aus der Nähe: ein Unterhaltungsprogramm allererster Klasse mit einem blendenden Conférencier, der sich neuerdings in die Rolle des amerikanischen Präsidenten gespielt hatte.
Chez Donald
Nachdem Trump am Donnerstag in Davos angekommen war, hat er sich am Abend zu einem Essen mit ein paar wichtigen europäischen Konzernchefs getroffen. Ob Novartis, Nestlé, Bayer oder ABB, Siemens, Total und ThyssenKrupp: Wenn Donald Trump ruft, der Mann, der die amerikanische Infrastruktur von Grund auf erneuern will, dann ist fast jeder CEO bereit, seine Agenda umzustürzen. Man setzte sich an einen großen Tisch, und schon allein die lange Einführungsrunde, wo sich jeder CEO vorstellte und bei der die Medien noch zugelassen waren, förderte Bemerkenswertes zutage.
Trump wurde mit Lob überschüttet, man pries seine Steuerreform, man dankte ihm und kündigte an, wie viel mehr Geschäfte man in den USA zu tun gedenke, Fabriken, neue Produkte, Forschungszentren. Wer das Glück hatte, eben erst kürzlich eine Investition vorgenommen zu haben, durfte damit rechnen, besonders warm von Trump dafür ausgezeichnet zu werden, und erneut wurde deutlich, was Trump besonders gut kann: Er ist ein Marketing-Genie, ein Verkäufer vor dem Herrn, der sich jetzt als Verkäufer-in-Chief seines Landes betätigt. America is open for business. In Amerika sind ihre Geschäfte willkommen.
Selten konnte man den Unterschied zwischen einem der heute üblichen Berufspolitiker und einem Quereinsteiger aus der Wirtschaft wie Trump besser studieren. Wenn Trump von einer Investition hörte, dankte er sehr ergeben und ehrlich begeistert wie ein Kellner, dem man ein ausgesprochen großzügiges Trinkgeld gegeben hatte. Ich meine das nicht verächtlich, sondern mit Respekt: Es ist genau dies, was den durchschnittlichen Politiker im Westen vom Geschäftsmann unterscheidet. Selten dankt ein Politiker, während ein Geschäftsmann, er mag noch so reich sein, in jedem Gegenüber in erster Linie einen Kunden sieht, den er zu umwerben hat.
Alles Opportunisten?
Berufspolitiker, solange sie selber noch nicht Chef sind, pflegen vor allem ihre Parteivorsitzenden, damit sie irgendwann einmal Karriere machen, sie tragen ihm die Mappe, schmeicheln sich ihm ein, reden ihm nach dem Mund, aber nur ihm allein – und uns Wählern vielleicht alle vier Jahre, wobei auch bei den Wahlen die Parteifunktionäre ungleich wichtiger erscheinen als alles andere. Wer hat den besseren Listenplatz? Wer wird von der Partei besonders unterstützt? Unternehmer dagegen und auch CEOs müssen sich um sehr viel mehr Menschen kümmern, weil sie in der Regel Millionen von Kunden für ihre Produkte zu gewinnen versuchen.
Trumps Vorgänger Barack Obama hatte den Geschäftsleuten einmal vorgehalten, sie hätten nicht alles selber gebaut, das es ihnen ermöglichte, ein Unternehmen zu gründen – wobei er zum Beispiel die Brücken und die Straßen meinte. Gewiss ist das nicht falsch, und dennoch war es eine bezeichnende Aussage, weil sie zeigte, für wie viel wichtiger Obama die Leistungen des Staates einstufte als die unternehmerischen Errungenschaften eines Geschäftsmannes. Was ist schwieriger, was macht demütiger: ein neues Produkt erfinden und Kunden dafür gewinnen – oder Steuergelder einnehmen und wieder ausgeben? Trump ist ein Kontrastprogramm – und auch die europäischen CEOs dürften dies rasch gemerkt haben. Sie saßen unter sich in einer Runde von Geschäftsleuten, wohin sich zufälligerweise ein Unternehmer verirrt hatte, der sich als Politiker tarnt.
Es war ein aufschlussreiches Erlebnis, zu beobachten, wie geschmeidig oder – je nach Standpunkt – opportunistisch diese europäischen Manager sich dem neuen Herrn der Weltwirtschaft anzupassen verstanden. Ein Tages-Anzeiger-Journalist, der das nicht zu verwinden schien, hat tapfer versucht, dieses Verhalten zu skandalisieren. Ich vermag darin nichts Böses zu erkennen. Im Gegenteil.
Gehört es nicht geradezu zur Pflicht eines Managers, die Interessen seiner Firma zu vertreten? Diese liegen darin, in den USA gute Geschäfte zu machen – und bedeuten nicht, den in Europa ungeliebten Präsidenten Trump mit privaten politischen Ansichten zu behelligen. Wenn es Vas fertigbringt, den Verkäufer-in-Chief dafür einzunehmen, die FDA noch liberaler und innovationsfreundlicher zu machen: was für ein Vorteil für die schweizerische Pharmaindustrie, was für ein Vorzug für Basel.
Ein „Rockstar“ in den Schneebergen
Wie tüchtig in dieser Hinsicht auch Klaus Schwab, der Gründer und Chef des World Economic Forum, seine Geschäfte betreibt, war an diesem Abend ebenfalls zu besichtigen. Für Donald Trump ist „Klaus“ bereits der „Professor“, den er zu Anfang des Gesprächs mit jenem trumpistischen Enthusiasmus lobte und für die Organisation dieses Abends dankte, der wie ein Orkan bläst: Kein Stein blieb auf dem andern. Trump kann sehr charmant sein. Alle spürten: Der kluge Schwab hat in Washington einen neuen Freund gewonnen.
Wer sich hin und wieder fragt, warum es Schwab gelungen ist, aus einem kleinen Managertreffen in den Bergen ein UNO-mäßiges Festival der Macht zu formen – es war hier geradezu mit Händen zu greifen. Schwab ist selber ein Marketing-Genie. Man hatte ja davon gesprochen, der „Davos man“ sei am Ende, jener weltläufige Managertypus ohne Heimat und ohne Zölle, nachdem Trump gewählt worden war.
Seine Kampagnen gegen die Globalisierung, so schien es, widersprachen den Übereinkünften von Davos. Nun hat Trump Schwab den größten Dienst erwiesen, und hat sich selber zum „Davos man“ verpuppt. Gewiss, Trump verleugnete sich keineswegs, er feierte den Nationalstaat und sprach öfter vom Bilateralismus als von der Globalisierung. Dennoch hat seine Präsenz allein Davos erneut in die Champions League der weltweiten Konferenzen katapultiert.
Trump rules Davos, Trump regiert Davos, schrieben amerikanische Medien, und selbst das Trump-kritische CNN stellte fest, dass Trump wie ein „Rockstar“ in den Schneebergen einzog. Selten hat ein Besucher in Davos so viel Aufmerksamkeit ausgelöst, selten hat ein Gast im Gegenzug Davos und der Schweiz so viel weltweites Interesse beschert. In diesem Zusammenhang ist auch Alain Berset zu loben, der staatsmännisch und sympathisch sich mit Trump austauschte – ohne jene kindlichen Bekenntnisse zur Distanz, wie sie etwa der eine oder andere seiner Parteifreunde wohl erwartet hätte.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Basler Zeitung.