Weil Alexandria Ocasio-Cortez (Foto oben) angeblich nicht radikal genug gegen Israel agiert, ist ihre eigene Partei, die Demokratischen Sozialisten Amerikas, nicht mehr bereit, sie bedingungslos zu unterstützen.
Die Demokratischen Sozialisten Amerikas (DSA) ist die Partei des linken Senators und ehemaligen Präsidentschaftsaspiranten Bernie Sanders. Ihre Mitglieder treten bei Wahlen für die Demokratische Partei an und stimmen im Parlament in der Regel in deren Sinne ab, auch wenn Sanders offiziell als „unabhängiger“ Senator geführt wird.
Neben Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez, genannt AOC, zählen Ilhan Omar und Rashida Tlaib zu den bekanntesten Gesichtern der DSA, sind seit Januar 2019 Abgeordnete des Repräsentantenhauses und bilden jene Squad (Truppe) genannte Gruppe von „progressiven“ Abgeordneten, die weniger durch Wortmeldungen zur Wirtschafts-, Sozial-, Familien-, Drogen- und Gesundheitspolitik auffallen als durch ihren Hass auf Israel.
Weil Alexandria Ocasio-Cortez dabei offenbar hinter den Erwartungen so mancher zurückbleibt, zeigt die Partei ihr nun die kalte Schulter. In einer am 10. Juli veröffentlichten Erklärung des Nationalen Politischen Komitees der DSA ist zu lesen, Mitglieder hätten „von AOC ein höheres Maß an Engagement für die palästinensische Befreiung, die Selbstbestimmung und die sofortige Beendigung des von Israel begangenen abscheulichen Völkermords in Gaza“ gefordert, „das mit den Positionen und Erwartungen der DSA an Sozialisten im Amt übereinstimmt“.
Weiters heißt es: „Wir erkennen an, dass AOC viele mutige Positionen zu Palästina eingenommen hat wie zum Beispiel die Befürwortung mehrerer Entschließungen des Repräsentantenhauses …, die Israels Völkermord benennen“. Allerdings hätten Mitglieder „Bedenken“ bezüglich ihres sonstigen Abstimmungsverhalten geäußert. In erster Linie steht die Partei(-führung) wegen dreier „Delikte“ in der Kritik:
- Der Unterzeichnung von Resolution H.Res.888, die „Israels Existenzrecht“ betont und anerkennt, dass Rufe nach der Zerstörung Israels eine „Form des Antisemitismus“ sind;
- die kürzliche Teilnahme an einer öffentlichen Podiumsveranstaltung und der Diskussionen mit „führenden Vertretern des Jewish Council for Public Affairs“, die sich „für die IHRA-Definition von Antisemitismus eingesetzt“ hätten.
„Exkommunikation“
Mit Juden reden, die sich für jüdische Interessen stark machen, die Boykotte bekämpfen und keine Antizionisten sind? Aus Sicht der Demokratischen Sozialisten Amerikas ist das nicht weniger als „Verrat“: „Auf diesem Podium wurden Antizionismus und Antisemitismus in einen Topf geworfen und der Boykott zionistischer Einrichtungen verurteilt. Diese Unterstützung ist ein Verrat an all jenen, die ihr Wohlergehen riskiert haben, um die israelische Apartheid und den Völkermord durch politische und direkte Aktionen in den letzten Monaten und in den vergangenen Jahrzehnten zu bekämpfen.“
Von ihren Abgeordneten erwartet die DSA laut diesem Dokument:
Die DSA habe Alexandria Ocasio-Cortez „exkommuniziert“, kommentierte der Journalist Markos Moulitsas im linksgerichteten Blog Daily Kos. Obwohl sie behauptet hatte, Israel begehe einen „Völkermord“ und „sich auch sonst für die palästinensische Sache“ eingesetzt habe, hätte dies der DSA nicht gereicht: „Sie verteidigte zu Recht das Existenzrecht Israels und den Schutz der Zivilbevölkerung vor den Raketen der Hamas und der Hisbollah, und das reichte aus, um den Hammer der Verbannung durch die DSA fallen zu lassen.“ Nach Moulitsas wird sich der Aufstieg von Ocasio-Cortez fortsetzen, während die DSA sich selbst in die Bedeutungslosigkeit schickt.
Stalking durch Israelhasser
Das Zerwürfnis kommt nicht aus heiterem Himmel. Seit Monaten ist Ocasio-Cortez im Visier linker Israelhasser, denen sie in puncto Israel nicht extrem genug ist, was sich bis hin zur Verfolgung ihrer Person auswirkte:
- Im März lauerten Israelhasser AOC und ihrem Verlobten beim Verlassen eines Kinos auf, wurden von Handykameras gefilmt und immer wieder gefragt, weshalb AOC „nicht von einem Genozid“ spreche, woraufhin die Politikerin genervt insistierte, genau dies zu tun.
- Bei einer AOC-Unterstützungsveranstaltung für den Abgeordneten (und Squad-Mitglied) Jamaal Bowman, der bei den Vorwahlen seinen Sitz gegen einen moderaten Rivalen zu verlieren drohte (wozu es dann auch kam), demonstrierten im Juni Mitglieder der linken antisemitischen OrganisationWithin our Lifetime (WOL) gegen AOC und Bernie Sanders, weil diese sich nicht von Präsident Joe Biden distanzierten.
Die New York Times zitierte einige der aggressiv-einschüchternden Slogans wie zum Beispiel „AOC, du kannst dich nicht verstecken“, „Say it loud, say it clear, we don’t want no sellouts here“ („Sagt es laut und deutlich, wir wollen keine käuflichen Verräterinnen“) oder „You’re a fraud, A.O.C“ („Du bist eine Betrügerin, AOC“), mit denen Ocasio-Cortez Bestechlichkeit und Betrug vorgeworfen wurde.
- Tage später bezeichnete die mit der Muslimbruderschaft verbundene Organisation Students for Justice in Palestine(SJP), die maßgeblich verantwortlich ist für die antisemitischen Demonstrationen an US-Universitäten seit dem 7. Oktober, Alexandria Ocasio-Cortez und Jamaal Bowman als „Feinde“, nachdem die beiden dieMobilisierunggegen eine Ausstellung in New York kritisiert hatten, die dem Gedenken an die Opfer des Massakers beim Nova-Musikfestival gewidmet war.
„Die Gefühllosigkeit, die Entmenschlichung und die Angriffe auf Juden, die gestern Abend bei dem Protest vor der Nova-Festival-Ausstellung zu sehen waren, waren schlicht und einfach grausamer Antisemitismus“, schrieb Ocasio-Cortez auf X.
Die Studentenorganisation bezeichnete diese Kommentare AOCs in einer Reaktion als „Verleumdungen“. Ocasio-Cortez und andere Abgeordnete, so schrieben sie, hätten „nur insofern Nutzen, als sie ihre Positionen innerhalb des Herzens der Bestie nutzen“, täten sie dies, würden sie nutzlos und zu (Volks-)Verrätern . „Diese gewählten Vertreter sind keine Träger der Macht des Volkes mehr“, hieß es in der Erklärung. „Sie teilen nicht die Interessen der national Unterdrückten oder der Arbeiterklasse. Sie sind nicht unser Weg zum Sieg.“
Demo mit Hakenkreuz
Wenn Alexandria Ocasio-Cortez bei den Demokratischen Sozialisten von Amerika keinen Platz mehr hat, weil sie mit ihrer Ablehnung der Vernichtung Israels zu gemäßigt ist, zeigt das anschaulich, wie sehr die Partei von Senator Bernie Sanders antisemitisch eingestellt ist. Das hatte sich schon unmittelbar nach dem 7. Oktober gezeigt, als die DSA am 8. Oktober in New York eine Demonstration gegen Israel veranstaltete, bei der unter anderem „Widerstand ist gerechtfertigt!“ skandiert und auf einem Smartphone das Foto einer Hakenkreuzflagge in die Höhe gehalten wurde.
Als Reaktion darauf traten seit letztem Herbst mehrere prominente Persönlichkeiten aus der Partei aus, darunter der Abgeordnete des Repräsentantenhauses Shri Thanedar aus Michigan, der in einer Erklärung schrieb: „Nach den brutalen Terroranschlägen auf Israel, bei denen wahllos unschuldige Männer, Frauen und Kinder ermordet, vergewaltigt und entführt wurden, kann ich nicht länger mit einer Organisation zusammenarbeiten, die nicht bereit ist, den Terrorismus in all seinen Formen anzuprangern. Die hasserfüllte und antisemitische Kundgebung vom Sonntag in New York City, zu der die NYC-DSA aufgerufen hat, macht es mir unmöglich, meine Mitgliedschaft fortzusetzen.“
„Es gibt jetzt einen Wendepunkt“, analysiert David Greenfield, ehemaliger demokratischer Abgeordneter im New Yorker Stadtrat und jetzt für die gemeinnützige jüdische Organisation Met Council tätig, anlässlich der Anti-Israel-Demo der DSA in New York am 8. Oktober: „Die Kernmitgliedschaft der DSA hat keinerlei Sympathie für die unschuldigen Opfer des barbarischen Terrorismus der Hamas gezeigt, während die Erwachsenen im Raum erkannt haben, dass dies kein gangbarer Weg für eine politische Partei in den Vereinigten Staaten ist.“
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Mena-Watch.
Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: „Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise“ (2009); „Kreditinferno“. „Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos“ (2012).