Peter Grimm / 24.04.2020 / 11:00 / Foto: Bain News Service / 31 / Seite ausdrucken

Ehre den Völkermördern

Heute ist der 105. Jahrestag des Beginns des Völkermords an den Armeniern. Ein hierzulande beinahe vergessener Gedenktag. Aber in Berlin werden dafür immerhin noch einige der damaligen Völkermörder geehrt – an einem Ort, der auch gern von Bundesministern, einem Bundespräsidenten und natürlich Berliner Senatoren besucht wird.

Die Sehitlik-Moschee in Berlin-Neukölln steht auf dem Gelände eines Friedhofs, der noch im Königreich Preußen als mohammedanische Begräbnisstätte eingerichtet wurde. Das Gotteshaus ist in seiner jetzigen Form aber deutlich jünger. Hier hat die DITIB, der deutsche Ablegerverein der staatlichen türkischen Religionsbehörde, investiert, denn die Sehitlik-Moschee steht für eine Vorzeige-Gemeinde. Mehrfach wurden hier führende Repräsentanten der Bundesrepublik empfangen.

Bundespräsident Joachim Gauck machte 2012 seine Aufwartung, Heiko Maas (SPD) kam als Justizminister nach den islamistischen Mordanschlägen auf die Redaktion von Charlie Hebdo in Paris im Januar 2015 hierher, um ein Zeichen zu setzen, damit sich nicht angesichts der islamistischen Mörder Islamophobie oder gar Islamfeindlichkeit ausbreiten. Und im März dieses Jahres erschienen Innensenator Andreas Geisel und Abgeordetenhaus-Fraktionschef Raed Saleh (beide SPD) in der Sehitlik-Moschee, um drei Wochen nach dem Anschlag von Hanau „ein Zeichen zu setzen“.

Für das Setzen von Zeichen sind die Sehitlik-Moschee und der dazugehörige Friedhof in der Tat ein geeigneter Ort. Es gibt dort ein paar bemerkenswerte Ehrengräber für Völkermörder, aber das scheint bundesrepublikanische Zeichensetzer nicht zu stören.  Nun soll natürlich niemand Gräber schleifen, doch dass hier von der Gemeinde, die dem türkischen Staats-Islam folgt, alles andere als kritische Distanz gepflegt wird, daran lässt die Moschee-Webseite keinen Zweifel:

„Auf dem Friedhof befinden sich viele wichtige und bekannte Persönlichkeiten. […] Zwei weitere hier bregrabene sind Cemal Azmi Bey und Dr. Bahattin Sakir Bey, die Politiker der Ittihad ve Terakki partisi (Einheit und Fortschrittspartei) waren. Sie wurden seitens Armenier ermordet, wie ihr Kollege der berühmte Talat Pasa , der ebenfalls auf diesem Friedhof bestattet war bis er 1943 in die Türkei überführt worden ist.“

Wer diese Persönlichkeiten sind, ist lange bekannt und oft geschrieben worden. Nur der Einfachheit halber zitiere ich deshalb aus einem Text, den ich vor fünf Jahren schrieb, denn seither hat sich nichts Wesentliches geändert:

„Hier liegt beispielsweise Cemal Azmi, vor 100 Jahren der Gouverneur der Provinz Trapezunt/ Trabzon und als solcher verantwortlich für Massaker an Armeniern in seiner Region. Auf seine Anordnung sollen tausende Frauen und Kinder im Schwarzen Meer ertränkt worden sein.

Die Berliner Morgenpost zitiert den Historiker Christian Gerlach von der Universität Bern, der solchen Berichten in Einzeldokumenten eher skeptisch gegenübersteht, doch bei Azmi seien ihm mehrere Aussagen zu Ertränkungen begegnet „auch von türkischen Zeugen, das wiegt schwer“. Gesichert ist für ihn, dass Azmi Mädchen und Jungen aus den Deportationskolonnen herausnehmen und an muslimische Haushalte vermitteln ließ.

Seine Taten waren schwerwiegend genug, dass ihn ein osmanischer Kriegsgerichtshof nach dem Ersten Weltkrieg wegen vorsätzlicher Ermordung zum Tode verurteilte. Allerdings in Abwesenheit, denn Azmi floh rechtzeitig nach Berlin. Im Nachbargrab liegt Bahaddin Sakir, Gründungsmitglied der jungtürkischen Regierung des Osmanischen Reiches, des Komitees für Einheit und Fortschritt, das den Völkermord an den Armeniern und Aramäern organisierte. Viele Historiker gehen davon aus, dass Sakir als Anführer der Todesschwadronen „Teskilat-i-Mahsusa“ einer der wichtigsten Planer des Völkermordes war.

Ihnen zur Seite ruhte mehr als zwanzig Jahre der Hauptverantwortliche des Völkermords, der Innenminister und Großwesir des Osmanischen Reiches Talaat Pascha. Auch er war nach seiner Flucht in Konstaniopel von einem türkischen Gericht in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden. Im Berliner Exil wurde er 1921 von einem armenischen Attentäter erschossen, im Jahr darauf starben Azmi und Sakir nach einem armenischen Racheakt in Berlin. Talaat Pascha wurde allerdings 1943 umgebettet. Feierlich überführte das NS-Regime den Leichnam nach Istanbul. Dort bekam er ein prächtigeres Grabdenkmal, dass auch immer noch in Ehren gehalten wird. Und während Präsident Erdogan wütend gegen jeden wettert, der den Völkermord an den Armeniern einen Völkermord nennt, gibt es landesweit noch viele Straßen, Schulen und Plätze, die nach den Führern der jungtürkischen Regierung wie Enver Pascha und Talaat Pascha benannt sind.“

Mit dem ehrenden Gedenken an die Völkermörder hat die DITIB, ein Verhandlungspartner der Bundesregierung in Sachen Integration, kein Problem. Es gab aus ihrer Sicht ja keinen Völkermord, deshalb kann es auch keine Völkermörder gegeben haben. Aber jene Verantwortlichen, die die Träger solcher Weltsichten gern in Deutschland eingemeinden wollen, müssten hier ein gewaltiges Problem erkennen. Nur leider scheinen sie es einfach wegignorieren zu wollen. Die weitgehende deutsche Ignoranz gegenüber dem Völkermord an den Armeniern kommt ihnen da ungemein entgegen. Die gern behauptete deutsche Weltmeisterschaft in Sachen Geschichtsaufarbeitung stößt manchmal schnell an enge Grenzen.

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Volker Kleinophorst / 24.04.2020

Zur Einordnung fehlen ein paar Zahlen: “Bei Massakern und Todesmärschen, die im Wesentlichen in den Jahren 1915 und 1916 stattfanden, kamen je nach Schätzung zwischen 300.000 und mehr als 1,5 Millionen Menschen zu Tode. Die Schätzungen zur Zahl der Armenier, die während der Verfolgungen in den beiden vorangegangenen Jahrzehnten getötet wurden, variieren zwischen 80.000 und 300.000.” (Wikipedia)

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