Henryk M. Broder / 18.09.2017 / 16:30 / 3 / Seite ausdrucken

Eene, meene, SPON, das hast du jetzt davon!

Ich mache mir ernsthaft Sorgen um die Entwicklung bei SPON. Wurde dort vor kurzem noch gründlich recherchiert, wie zum Beispiel bei dieser Geschichte über eine unbefleckte Empfängnis mit Hilfe eines Füllfederhalters und eines Schokoriegels, an der nur Querulanten wie Gerd Buurmann Anstoß nahmen. Letztens aber werden immer öfter Texte veröffentlicht, die sich nur noch moralisch oder genauer: moralistisch gebärden, ohne dass der Verfasser oder die Verfasserin eine Ahnung von Geschichte hätten.

Neulich klagte eine Redakteurin, die Medienwissenschaften studiert hatte, über den "entgrenzten Wahlkampf", Tabubrüche und Grenzüberschreitungen. Ohne dass sie jemand, der schon länger dabei ist, darauf aufmerksam gemacht hätte, dass Tabubrüche und Grenzüberschreitungen so zu jedem Wahlkampf gehören wie die sinnfreie Behauptung, es handle sich um die "wichtigste Wahl" seit der Gründung der Bundesrepublik. Gut, muss jemand, der 1982 geboren wurde, auch nicht unbedingt wissen.

Ein Beleg dafür, dass "ungewöhnliche Dinge passiert" sind, wobei "frühere Grundregeln des Diskurses aufgekündigt" wurden, ist der Umstand, dass der "FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner (sich) auf ein Interview mit dem Aktivisten Joachim Steinhöfel" eingelassen hat. So etwas wäre Erich Mende bestimmt nicht passiert, auch nicht Jürgen Möllemann, da hatte die FDP noch eiserne Prinzipien und ein stählernes Rückgrat.

Lindner dagegen redet mit jedem, auch mit einem vom Spiegel zum "Aktivisten" beförderten Anwalt, der seinerseits einmal auf einem Fest der Jungen Freiheit geredet hat, was ihn für die Teilnahme an jedem ordentlichen Diskurs disqualifiziert; Der Spiegel-Nachwuchs nimmt nicht etwa Anstoß daran, was Steinhöfel in dem Interview gefragt hat und was Lindner geantwortet hat. Das waren nämlich Fragen und Antworten, die durchaus auch für Spiegel-Leser interessant gewesen wären, die den dort angestellten Sittenwächtern aber schon länger nicht mehr einfallen. Sie könnten ja auch jemanden in Verlegenheit bringen, so wie die eine oder andere Zuschauerfrage Angela Merkel in den Fernsehrunden. Deutschlands kritisches Frage-Potenzial wurde vorsichtshalber an die Leser und Zuschauer ausgelagert. Mit dem interessanten Nebeneffekt, dass diese ganz auf die Dienstleistungen der sogenannten Medien-Profis verzichten. Motto: "Das bisschen Fragen können wir selbst besser."

Steinhöfel befragte Linder zum Zensurgesetz des Heiko Maas und dazu, wie die FDP beabsichtigt, dieses gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung gerichtete Vorhaben möglichst schnell wieder zu beerdigen. Jetzt gehört er zum Kreis der "Krassen, Wütenden, Hetzenden", denen die "Vernünftigen, die Ausgewogenen, die Gemäßigten" ratlos gegenüberstehen.

Unter ihnen auch ein Medienwissenschaftlerder es Steinhöfel übel nimmt, dass er - im Nebenberuf Anwalt - Matussek und Pirincci vertreten hat. So was gehört sich nicht, solche Leute verdienen keinen Anwalt, die sollen froh sein, dass sie nicht standrechtlich entsorgt werden.

Darauf einen Rosenkranz.

Nachtrag: Die Kollegen der BBC haben soeben ein großes Feature mit Video über Joachim Steinhöfel und seinen Kampf gegen die Zensur in Deutschland und das Maassche Netzwerkdurchsetzungsgesetz veröffentlicht. Hier.

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Leserpost

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Sabine Schubert / 18.09.2017

Solche Personen wie die namenlose Redakteurin machen mir wirklich Angst. Sie fabuliert von entgrenztem Wahlkampf und versucht einen Bürgerrechtsaktivisten wie Steinhöfel als Hetzenden herabzuwürdigen. Ob ihr überhaupt klar ist, dass nur sie Grenzen überschreitet, guten Journalismus verhöhnt und aktiv in den Wahlkampf eingreift? Das Schlimmste daran ist, dass heute Redakteurinnen ohne umfassende Bildung und mit nicht vorhandener Denkschärfe wichtige gesellschaftliche Positionen einnehmen können, die früher nur Intellektuellen vorbehalten war. Die dummen, selbstgerechten Nicht-Gutmenschen sind ebenso gefährlich wie der Islam.

Frank Holdergrün / 18.09.2017

Was wäre der Wochenbeginn ohne den klärenden Blick in den spiegelnden Spiegel: Danke Herr Broder, vor allem auch für den Link zur Zuschauerfrage des Pflegers. Alle You(tu)bler können sich davon mehrere Scheiben abschneiden.

Wolfgang Richter / 18.09.2017

Es kann einen schon mit ein wenig Stolz erfüllen, in dem von Merkel ausgerufenen “Land, in dem wir gerne leben wollen” die Aktionen der diversen Bessermenschen zur Einhaltung einer von ihnen als politisch korrekt eingestuften Teil-Meinungsfreiheit leben zu dürfen. So kommen wir auch nicht in Gefahr, den korrekten (ich hätte fast “rechten” geschrieben, was mich sicher wieder wegen “unkorrekt” zu mehreren Kotau vor meinem Spiegel gezwungen hätte) Weg von Meinung und Denke nicht zu verlassen. Danke noch einmaol für diese Fürsorge, Frau Merkel, ihr Maasmännchen Kahanes und sonstige für diesen Wertekampf alimentierten.

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