Dem Klimaschutz soll er dienen, der möglichst rasche Umstieg auf die Elektromobilität, obwohl doch beim gegenwärtigen deutschen Strommix ein Batteriefahrzeug höhere Emissionen verursacht als ein ansonsten baugleicher Verbrenner. Wer also mit dem Kauf eines Elektroautos seinen Beitrag zur Weltrettung leisten möchte, sollte dies erst einmal unterlassen, will er nicht doch den Weiterbetrieb der Braunkohlemeiler unterstützen. Wer aber den Umbau der hiesigen Elektrizitätserzeugung gemäß Energiewendeplan abwartet, ist dann auf importierten Strom aus Kohlekraftwerken jenseits der deutschen Grenzen angewiesen.
Trotz dieser Inkonsistenz kommt Batteriefahrzeugen ein enormes Potential zu, den Kohlendioxid-Ausstoß im Verkehr zu senken. Das funktioniert nur anders als gemeinhin kolportiert.
Das Etikett des Heilsbringers haftet der Elektromobilität seit ihren ersten Tagen an. Schon als am 19. April des Jahres 1881 der Ingenieur Gustave Trouvé der staunenden Öffentlichkeit in Paris das erste die Bezeichnung "Automobil" verdienende Fahrzeug präsentierte, elektrisch angetrieben und von einem Bleiakkumulator mit Energie versorgt, erschien es den Zeitgenossen wie die perfekte Lösung der damaligen Verkehrsprobleme. Denn das Wachstum der Städte und das Aufkommen der Eisenbahn - man wollte ja zu den Bahnhöfen gelangen - hatten einen Mobilitätsbedarf induziert, zu dessen Erfüllung allein das Pferd zur Verfügung stand.
So verstopften beispielsweise in New York um 1880 mehr als 150.000 Kutschen die Straßen und belasteten diese mit gut 140.000 Tonnen Pferdemist pro Jahr, einer kaum zu beseitigenden Quelle von allerlei Krankheiten. Zusätzliche Entsorgungsprobleme verursachten die Kadaver der Zugtiere, von denen jährlich mehr als 15.000 verendeten. Häufig wüteten Pferdeseuchen, die nicht nur den Personen- und Gütertransport, sondern auch Feuerwehr und Polizei lahmlegten. In vielen weiteren großen Metropolen dieser Zeit sah es nicht anders aus.
Sogar einen „Streetscooter“ gab es schon
Nach Trouvés Demonstration aber setzte man auf die Elektromobilität als Fahrzeugtechnologie der Zukunft. Große Namen wie Edison, Siemens oder Porsche waren von ihr überzeugt und leisteten Beiträge, um ihr zum Durchbruch zu verhelfen. Viele Manufakturen entstanden, die Elektroautos entwickelten und vertrieben. Im Jahr 1900 produzierten die 109 in den USA beheimateten Hersteller 4.192 Fahrzeuge. Davon wurden 1.681 mit Dampf, 1.575 elektrisch und nur 936 mit Ottomotoren betrieben. Im Jahr 1901 vermeldete der französische Automobilclub stolz die Zahl von 700 Ladestationen im Land, die bald auf mehr als 1.000 anwachsen sollte.
Auch die weitere Geschichte ist ein einziges Déjà-vu-Erlebnis verglichen mit der aktuellen Debatte. Stürmische Fortschritte in der Akkumulatortechnologie ermöglichten immer neue Reichweitenrekorde, schon 1901 legte Louis Antoine Kriéger eine Strecke von mehr als dreihundert Kilometern mit nur einer Ladung zurück. In rascher Folge etablierten sich die Bremsenergierückgewinnung, der Radnabenmotor, Hybridfahrzeuge und Batteriewechselsysteme. Sogar einen „Streetscooter“ gab es schon. Die Reichspost stellte vom Pferd komplett auf den Elektromotor um und hatte bis 1928 mehr als 2.800 Batteriefahrzeuge der Hersteller Bergmann und Hansa-Lloyd für die Auslieferung von Paketen und Briefen angeschafft.
Taxi- und Mietwagenanbieter, Post- und Lieferdienste, Feuerwehren und Müllabfuhren entwickelten sich zu den größten Abnehmern von Elektroautos. Ihre Ställe wurden zu Garagen, Ladestationen ersetzten Futtertröge, statt Heu lagerte man Wechselbatterien, Kutscher lernten Autofahren. Das beflügelte die Phantasien von Investoren, zu denen – genau wie heute – zahlreiche Elektrizitätsversorger gehörten. Der Verkehr in den Städten veränderte sich rasant, anfänglich dominiert von Elektroautos. Bis immer mehr Endverbraucher die neuen Möglichkeiten entdeckten, die mit dem Besitz eines eigenen Fahrzeuges verbunden waren.
Im neunzehnten Jahrhundert scheuten selbst die reichsten Bürger die mit der innerstädtischen Haltung von Pferden verbundenen Aufwendungen. Man überließ dies gern spezialisierten Anbietern, die auf Basis unterschiedlicher Konzepte chauffierte Fahrten anboten. Das 19. Jahrhundert war nicht nur die Epoche der Pferde, sondern auch die der Mobilitätsdienstleistungen, die erstmals größeren Bevölkerungsgruppen Optionen zur Fortbewegung ohne Einsatz der eigenen Muskelkraft verschafften. Vor diesem Hintergrund erschien der Elektromotor vielen Zeitgenossen lediglich als Nachfolger des Zugtieres, aber nicht als Träger einer neuen Form individueller Mobilität.
Ladepausen wie ein Pferd
Aber das Auto war kein Pferd. Es benötigte vor allem weit weniger Aufmerksamkeit und Pflege, wenn es nicht benutzt wurde. Man konnte es abstellen und ignorieren, bis man es wieder brauchte. Erst dieser Umstand gestattete es breiteren Bevölkerungsschichten, über den Besitz eines eigenen Fortbewegungsmittels überhaupt nachzudenken. Über eine Investition, die sich nur dann wirklich lohnte, wenn sie einen Mehrwert gegenüber den Transportangeboten Dritter gebracht hat.
Und da zählt vor allem die räumliche und zeitliche Flexibilität. Über ein eigenes Automobil zu verfügen, gestattet die völlig autonome Erfüllung individueller Mobilitätswünsche, unabhängig von Ort, Zeit und äußeren Umständen. In dieser Hinsicht war der Verbrenner dem Batteriefahrzeug entscheidend überlegen, da letzteres, ähnlich wie Pferde, nicht ununterbrochen zur Verfügung stand. Es kam nicht ohne lange Ladepausen aus. Gegenmaßnahmen, etwa Ladepunkte mit hoher Leistung oder Einrichtungen für den Batteriewechsel, steigerten die Kosten und bewirkten Einschränkungen bei der Routenwahl, da man sich an der Lage solcher immobilen Anlaufpunkte auszurichten hatte.
Die Flottenbetreiber konnten solche Einschränkungen in einem gewissen Umfang mit kluger Einsatzplanung abfangen. Der Endverbraucher aber wollte sein Geld nicht für ein Fahrzeug ausgeben, das seinen Bedarf nur teilweise erfüllte. Und zwar genau den Teil, für den er auch den öffentlichen Linienverkehr, einen Mietwagenn oder Taxis nutzen konnte.
Elektromobilität benötigte Planung und Vorbereitung. Den Wettbewerb der Technologien entschied daher schon in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts der Verbrenner für sich. Denn nur er bot die Möglichkeit zu spontanen, nicht planbaren und unvorhersehbaren Reisen über größere Distanzen mit hohen Geschwindigkeiten. Man kaufte ein Auto eben nicht, um damit zu fahren, sondern um damit fahren zu können, wann immer man wollte und wo auch immer das Ziel lag.
Der ständige Blick auf den Ladezustand
Auch die zunächst auf Batteriefahrzeuge fokussierten gewerblichen Nutzer stellten rasch um. Von den mehr als 500 Elektrotaxis, die in Berlin noch im Jahr 1920 ihre Dienste anboten, gab es schon zehn Jahre später kein einziges mehr. Aufgrund seiner teuren Akkumulatoren, die zudem die Fahrzeugmasse und damit den Verschleiß, insbesondere den der Reifen, erhöhten, lohnte sich das Elektroauto auch für Mobilitätsdienstleister nicht mehr.
Man sollte sich schon fragen, was die Bundesregierung trotz dieser Historie geritten hat, im Jahr 2007 in ihrem „Integrierten Energie- und Klimaprogramm“ ausgerechnet die Elektromobilität als Zukunftstechnologie auszurufen und sie seitdem mit Fördermillionen zu bedenken. Technische Fortschritte waren es sicher nicht, denn nichts von dem, was heute als Besonderheit der Elektromobilität bestaunt wird, war nicht vor 100 oder mehr Jahren schon da. Innovationen, die die Effektivitätsdistanz zum Verbrenner hätten verringern können, gab es nicht. Es wird sie auch niemals geben, weil die Physik allen Utopien über künftige Wunderbatterien einen Riegel vorschiebt.
Man sollte sich schon fragen, warum viele Medien parallel begannen, die Elektromobilität als zwangsläufige und unabwendbare Entwicklung zu vermarkten, in vollständiger Ignoranz gegenüber den Erfahrungen aus der Vergangenheit. Bis heute idealisieren die meisten Technikredakteure in einem stetigen Strom von Testberichten die Suche nach und die Probleme mit Ladesäulen als eher lustiges Abenteuer, den ständigen Blick auf den Ladezustand während der Fahrt als aufregendes Spannungselement und verlängerte Reisezeiten als Zugewinn an Lebensqualität.
Man sollte sich schon fragen, wo denn die vielen begeisterten Elektroautofans all die Jahre zuvor gewesen sind, in denen sich Batteriefahrzeuge immer und immer wieder als Ladenhüter erwiesen. Es ist ja nicht so, als ob Stromer jemals ganz vom Markt verschwunden wären. Alle großen und viele kleine, meist längst vergessene Hersteller haben immer und immer wieder versucht, mit solchen in den Segmenten der PKW und Kleintransporter Marktanteile zu gewinnen.
Vor allem eine Bedrohung für den öffentlichen Nahverkehr
Es gab seit Trouvés erster Fahrt nicht einen einzigen Tag, an dem man nicht ein Elektroauto hätte erwerben können. Es hat nur kaum jemand zugegriffen, eine trotz intensiver staatlich-medialer Propaganda bis heute unveränderte Situation. Etwa 2.500 Elektroautos waren in Deutschland im Jahr 2007 zugelassen und in der Dekade seitdem sind gerade mal knapp 30.000 hinzugekommen.
Seit über einhundert Jahren scheitert die Elektromobilität am Markt. Dies zu ändern, kann, so zeigen es ihre Geschichte und die aktuelle Situation, nur mit staatlichen Zwangsmaßnahmen gelingen.
Es mag schon sein, dass bald akkubetriebene Robotertaxis durch die Straßen huschen, die man per Smartphone bestellt, um mit ihnen beispielsweise zu den Haltepunkten der Fernverkehrssysteme zu gelangen. In einem freien Wettbewerb wären solche Konzepte vor allem eine Bedrohung für den öffentlichen Nahverkehr und Taxi- und Mietwagenanbieter. Sind aber Verbrenner, die noch mehr Flexibilität bieten, nicht mehr erlaubt, wird der Privatkunde im Zweifel auf ein eigenes Fahrzeug eher verzichten.
Elektromobilität kann nichts anderes bieten, als es schon die pferdebasierten Mobilitätsdienstleistungen des 19. Jahrhunderts vermochten. Die Automobilhersteller werden mit ihr fast nur noch Flottenbetreiber beliefern können, die Fahrdienste offerieren. Das bedeutet wesentlich geringere Stückzahlen, wesentlich weniger Wertschöpfung, wesentlich weniger Arbeitsplätze, wesentlich weniger Investitionen in die Forschung und damit erhebliche gesamtgesellschaftliche Wohlstandseinbußen.
Dadurch lösen sich die anfangs beschriebenen Widersprüche in Wohlgefallen auf. Mit der Elektromobilität würde nicht der gegenwärtige Fahrzeugbestand einfach nur auf eine andere Antriebsart umgestellt, sondern stattdessen deutlich verringert. So kann auch eine energiegewendete Gesellschaft die engen Grenzen des Ressourcen- und Stromverbrauches einhalten, die sie sich selbst verordnet hat. Der beste, vielleicht sogar einzige Weg zur emissionsfreien Mobilität ist schließlich gar keine Mobilität. Und kaum eine Technologie ist geeigneter, den motorisierten Individualverkehr gegenwärtiger Prägung abzuschaffen, als die Elektromobilität. Wäre sie zum Gegenteil imstande, hätte sie es längst bewiesen.