Was will ein Bundesminister den Bürgern sagen, wenn er sich öffentlich damit beschäftigt, ihnen das Duschen zu verleiden und Duschzeiten zu empfehlen?
Hebel nach oben, Wasser marsch. Schon nach wenigen Sekunden ist es angenehm warm. Jetzt Körper anfeuchten und den trockenen Waschlappen, 20 Sekunden sind um. Hebel runter, der Wasserstrahl versiegt. Solch eine Mischbatterie ist eine geniale Erfindung, weil man schnell mal eine kurze Pause beim Duschen einlegen kann, ohne danach wieder umständlich mit Hilfe zweier Schraubventile das richtige Mischungsverhältnis von warm und kalt bestimmen zu müssen. Beim Einseifen muss das Wasser ja nicht laufen, das halte ich seit meiner Jugend so, und da gab’s noch keinen Klimawandel, keinen Ukrainekrieg und einen Herrn Habeck (Jahrgang 1969, ich selbst 1962) auch noch nicht oder noch nicht lange.
Nach gründlichem Einseifen, dem wichtigsten Teil der täglichen Körperpflege, Hebel wieder nach oben, Schaum runterspülen und sorgfältig den Waschlappen auswaschen, sonst wird er glitschig. Das sind noch mal 40 Sekunden. Dann Wasser erneut abstellen, Restkopfhaar und Augen mit Neutralshampoo waschen, letzteres hatte die Augenärztin empfohlen, als ich mir jüngst ein Gerstenkorn behandeln ließ, irgendeine Pore war verstopft, wahrscheinlich durch eine Hautschuppe. Nun wieder Wasser marsch, Shampoo abwaschen, nochmal den ganzen Körper mit warmen Wasser berieseln lassen, ein bisserl Wellness darf schon sein, auch in Zeiten von Krieg, Klimakrise und Ampelregierung.
Am Ende stand ich in toto knapp zwei Minuten unter der Dusche. Zu wenig, um mich dafür schämen zu müssen, hoffe ich wenigstens. Habeck gab via Medien zu Protokoll, dass er noch „nie“ länger als fünf Minuten geduscht habe und seine Duschzeit infolge der aktuellen Energiekrise zudem „deutlich verkürzt“ habe. Ich denke, er kommt auf jene drei Minuten, die angeblich die Mehrzahl der Deutschen fürs tägliche Duschbad benötigt. Da geht also noch was, auch bei unserem Quasikriegswirtschaftsminister.
Die Sechs-Minuten-Duscher
Im Durchschnitt kommen die Deutschen auf sechs Minuten tägliche Brausedauer, wobei jeder Zehnte mehr als zehn Minuten unter der Dusche verbringt, was schon den Tatbestand mutwilliger Klimazersetzung erfüllt. Zur Strafe müsste solch rücksichtlosen Zeitgenossen ab sofort vollständig und nicht nur zu bestimmten Tageszeiten das warme Wasser abgestellt werden. Kalt duschen können sie ja, solange sie wollen, zumindest wenn der italienische Dürrenotstand nicht auf Deutschland übergreift.
Durch einen herkömmlichen Duschkopf strömen pro Minute zwölf bis 15 Liter Wasser. Bei mir sind es, ich hab mittels Putzeimer nachgemessen, weniger als die Hälfte, dank einer Wasserspararmatur, die ich mir vor ein paar Jahren eingebaut habe. Die macht Sinn, selbst wenn sie Herr Habeck empfiehlt, denn man muss ja nicht mutwillig Ressourcen vergeuden. Als bei uns im Haus vor zwei Jahren Legionellen im Warmwassersystem festgestellt wurden, bekamen wir vorübergehend einen Duschkopf mit Spezialfilter und Megadurchfluss. Prompt schoss der jährliche Warmwasserverbrauch um einen Kubikmeter nach oben. In dem Discounthotel, in dem ich gelegentlich übernachte, werben sie immer mit ihrer Premiumdusche „Raindance“ von Hansgrohe. Da rauscht ordentlich was durch, dafür ist das Frühstück bio und die bereitgehaltene Hotelkosmetik mikroplastikfrei.
Vor ein paar Tagen sah ich mir im Internet Roger Köppels tägliche Nachrichtenshow an. Darin echauffierte er sich in seinem drolligen Schweizerdeutsch über das Berliner „Gruselkabinett“ und Habecks aktuelle Körperpflegetipps und wollte nicht verstehen, dass deutsche Politiker inmitten diverser Krisen und Bedrohungen, ob existent oder nur gefühlt, allen Ernstes über individuelle Duschpraktiken diskutierten. Ausgerechnet die Deutschen, die in Sachen Hygiene bislang doch „nichts hätten anbrennen lassen“. Ich bin zwar ein Fan von Roger Köppel, doch muss ich an dieser Stelle dem „Chefredaktor“ der Züricher Weltwoche widersprechen. Für eine anständige Morgentoilette braucht es keine zehnminütigen Duschorgien. Ich schaffe das, wie dargelegt, in deutlich kürzerer Zeit und mir hat bislang noch niemand vorgeworfen, eine unangenehme Geruchsspur hinter mir herzuziehen.
Wenn der Dienstwagen schon wartet
Wahrscheinlich kommt mir da meine Pfadfindervergangenheit zu Hilfe. Im Zeltlager war ich bekannt dafür, mich jeden Morgen einer kurzen, aber effektiven Ganzkörperwäsche zu unterziehen, zur Not an einem Bächlein und sogar im Winter, während es meine Kameraden vorzogen, Wasser drei Wochen lang nur innerlich anzuwenden. Damals übrigens noch ganz ohne ökologische Hintergedanken, obwohl Müffelökos schon langsam in Mode kamen. Noch mehr als alten Schweißgeruch hasse ich den aufdringlichen Patschuliduft, mit dem die Nachfolger der in indischen Ashrams sozialisierten Hippies ihre unedlen Körperausdünstungen zu überdecken versuchten.
Ich halte warmes Duschen, unabhängig von der Länge, für eine der größten kulturellen Errungenschaften der Menschheit, vielfach verewigt auch in der Kunst, man denke nur an die Duschszene aus Alfred Hitchcocks „Psycho“, die sensible Naturen auf ewig dazu verdammt, halbtransparenten Duschvorhängen mit gemischten Gefühlen zu begegnen. Und ich werde diese Errungenschaft mit Zähnen und Klauen verteidigen. Eher verzichte ich, um Putin und die Klimakatastrophe kleinzukriegen, auf eine tägliche warme Mahlzeit als aufs wohltemperierte Duschbad. Glücklicherweise ist unser Münchner Vermieter im Hauptberuf Heizölhändler, was eine konstante Brennstoffversorgung einstweilen garantieren dürfte.
Wenn sich ein Bundesminister öffentlich damit beschäftigt, den Leuten das Duschen zu verleiden, können die wahren Probleme so groß nicht sein – oder die Ignoranz ist unermesslich. Ich käme jedenfalls nie auf die Idee, anderen Leuten vorzuschreiben, wie lange sie duschen wollen, ob sie sogar, welche Schandtat, ab und zu ein Vollbad nehmen oder sich mit Katzenwäsche begnügen, wobei mir Letzteres von allen Optionen die am wenigsten sympathische ist. Übrigens glaube ich nicht, dass unser grüner Vizekanzler seine Duschzeit deshalb verkürzt hat, weil er ein gutes Vorbild sein möchte. Wahrscheinlicher ist, dass der Robert morgens einfach nicht aus dem Bett kommt und auf der Straße schon der Dienstwagen wartet.