Vera Lengsfeld / 19.08.2019 / 14:00 / 28 / Seite ausdrucken

“Durch das Retten verursachen wir Tote”

"Durch das Retten verursachen wir Tote". Diese Erkenntnis stammt nicht von einem rechten Flüchtlingsfeind, sondern von einem, der es genau wissen muss: Gerald Knaus, der als Vorsitzender der Europäischen Stabilitätsinitiative (ESI) den Merkelschen Flüchtlingsdeal mit der Türkei entwickelt hat. Außerdem ist er Mitinitiator der Resettlement- und Relocationprogramme der UNO, nach denen besonders bedürftige Flüchtlinge nach Europa umgesiedelt werden. Er hat zahlreiche Flüchtlingslager besucht und soll auch Kanzlerin Merkel in der Flüchtlingspolitik beraten, aber, wenigstens jüngst, ohne Erfolg.

Nachdem Merkel anlässlich des Zapfenstreichs für Ursula von der Leyen überraschend und anscheinend wieder einmal unabgesprochen mit den europäischen Partnern, die Wiederaufnahme der staatlichen Seenotrettung ins Spiel gebracht hat, gab Knaus am anderen Morgen dem Welt-Journalisten Robin Alexander im Rahmen von Gabor Steingarts Morning Briefing ein Interview, das purer Sprengstoff ist.

Leider scheinen weder die Kanzlerin, noch Innenminister Seehofer, der einen Tag nach Merkel ebenfalls die Wiederaufnahme der staatlichen Seenotrettung forderte, Knaus konsultiert zu haben. Knaus hat unmissverständlich klar gemacht, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Seenotrettung und Toten auf dem Mittelmeer. Je mehr Retterschiffe vor der libyschen Küste kreuzen, desto mehr Menschen besteigen die Schlepperboote. Die Folge ist, dass mehr Menschen, die sich diesen Seelenverkäufern anvertraut haben, ertrinken.

Knaus gibt zwei Beispiele: Im Jahr 2014, als die staatliche italienische Seenotrettung Mare Nostrum startete, bestiegen mehr Menschen als je zuvor die Schlepperboote und ertranken über 3.000 Menschen, so viele, wie nie zuvor. Das Ziel von Mare Nostrum, die Toten auf dem Mittelmeer zu verhindern, wurde klar konterkariert. Im Jahr 2016, als „eine Armada von Schiffen“, private und staatliche, als Seenotretter unterwegs waren, wurde mit über 4.000 Toten ein neuer Rekord erreicht.

Ein klarer Pull-Effekt

Für Knaus besteht ein nachgewiesener Zusammenhang: Je mehr Menschen Europa erreichen, desto mehr machen sich auf den Weg, desto mehr ertrinken.
Er gibt wieder ein Beispiel: Gambia. Über 45.000 Gambier, dass sind 2 Prozent der Bevölkerung des kleinen Landes, vorwiegend junge Männer, haben sich in den letzten Jahren (2014–2019) in Bussen zum Rand der Sahara aufgemacht, wo sie von Schleppern in Empfang genommen und durch die Wüste nach Libyen geschleust wurden. Dort bestiegen sie dann die Boote nach Europa. Das beweist den klaren Pull-Effekt.

An dieser Stelle wurde Knaus von Alexander nach der „Oxford-Studie“ gefragt, die angeblich nachweisen will, dass es einen solchen Pull-Effekt nicht geben soll und die deshalb ausgiebig von unseren Haltungsmedien zitiert wurde. Knaus betonte als Erstes, dass er auch in Oxford studiert habe, deshalb aber noch lange keine Oxford-Papiere schreibe. Nur einer der beiden Akademiker, die diese Studie zu verantworten haben, sei aus Oxford, der andere gehörte einer anderen Universität an. 

Diese Studie ist nach Meinung von Knaus wenig aussagekräftig, denn sie liefert keine absoluten, nur relativen Zahlen. Zudem vergleicht sie die ersten sechs Monate von Mare Nostrum, die in den Winter fielen, mit den ersten sechs Monaten nach der Beendigung der Mission, die ebenfalls Wintermonate waren. Die Sommerzeit, in der die überwiegende Mehrzahl der Flüchtlinge sich aufs Meer begibt, wurde nicht untersucht. Knaus bleibt dabei: Je mehr Leute nach Europa kamen, desto mehr haben sich auf den Weg gemacht. Seenotrettung allein ist keine Strategie.

Eine humane Politik muss andere Akzente setzen. Der eigentliche Skandal sind die Zustände in libyschen Lagern. Deshalb müsste die Politik dafür sorgen, dass jeder Flüchtling, der nach Libyen kommt, oder zurück gebracht wird, durch internationale Hilfsorganisationen in andere afrikanische Länder gebracht wird, wo festgestellt werden kann, wer asylberechtigt ist und wer nicht. Im Kern ist das der Vorschlag, der bereits vom damaligen rot-grünen Innenminister Otto Schily gemacht wurde und seitdem immer mal wieder ins Gespräch gebracht wird, ohne dass ernsthafte Schritte in diese Richtung unternommen werden. Lieber beschränkt man sich auf kontraproduktive Symbolpolitik.

Am Ende des Interviews verweist Knaus auf die skandalösen Zustände in den griechischen Lagern, wo die EU die Hoheit hat. Hier humane Verhältnisse herzustellen, wäre zwar dringend geboten, es ist aber nicht so medienwirksam wie die „Seenotrettung“ á la Rackete.
 
Übrigens hat die Kanzlerin bei ihrer ersten sogenannten Bürgersprechstunde in Stralsund nach ihrem Urlaub vor ausgesuchtem Publikum ein bemerkenswertes Eingeständnis, verbunden mit Ignoranz gemacht: Sie sprach davon, dass Menschen in Jordanien und im Libanon, wohin sie geflüchtet waren, weniger als einen Dollar pro Tag hatten, nichts zu essen und keine Bildung für ihre Kinder. Deshalb „konnten sich Schleuser und Schlepper auch anbieten, die diesen Menschen eine Perspektive geboten haben. Und sie sind nach Europa gekommen in großer Zahl, und wir haben versucht, diesen Prozeß zu ordnen und zu steuern“.

Nach diesem Kanzlerinnen-Statement kamen vor allem Familien mit weniger als einem Dollar pro Tag. Wo hatten sie dann die tausende Euro her, die von den Schleppern für ihre Dienste gefordert werden? Und woher kamen die hunderttausende junger Männer, die den Mammutanteil der Migranten seit 2015 stellen?

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Leserpost

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Markus Knust / 19.08.2019

Anscheinend hat Soros eine neue Parole ausgegeben. Ich persönlich würde mich allerdings nicht allzu früh freuen. Wahrscheinlich werden als nächstes dann sichere und legale “Flucht"wege gefordert, aus genau dieser Ecke. Migration ist gewollt und wird als Waffe eingesetzt. Ab und zu braucht man bloß mal eine Beruhigungspille, damit es nicht allzu auffällig und der Widerstand nicht ganz so groß wird. Wir erinnern uns an die Blendgranaten namens “Sachleistungen” und “Obergrenze”.

Sepp Kneip / 19.08.2019

Merkel lügt wenn sie nur den Mund aufmacht. Merkel ist die Totengräberin Deutschlands, die Mordgehilfin der messerstchenden Migranten und mit ihren Lockrufen die Ursache der Mittelmeertoten. Dass diese Frau noch ruhig schlafenkann, beweist ihre Gefühls- und Skrupellosigkeit. Das Ignorieren von Tatsachen, die ihr nicht in den Kram passen, gehört ebenfalls zu ihren “Stärken”.  Den Pull-Effekt zu leugnen, kommt einer Inkaufnahme von Ertinkungstoten gleich. Aber der von Merkel mit konzipierte UN-Migrationspakt verlangt die Massenimmigration. Deshalb muss sie sein, koste es, was es wolle.

toni Keller / 19.08.2019

Die ganze Angelegenheit ist von vorneweg verfahren gewesen. Man hätte in 2013 das machen sollen, was der Wähler gewollt hat rot-rot-grün. Dann hätten wir schon längst die Abschaffung der Visumspflicht und den Schleppern dahingehend das Handwerk gelegt, dass jeder der ein paar tausend Dollar locker machen kann, nett und sicher per Linie einfliegen könnte. Dann wäre aber der ganze Irrsinn völlig klar geworden und wir hätten keine AfD, dafür aber eine CDU die aus der Opposition heraus den ganzen Irrsinn des “alle rin” thematisieren könnte. Würden die Leute per Flieger einfliegen, würde auch das “wir müssen die armen verhungernden getretenen doch retten” Argumente seinen Totschlageffekt verlieren. So haben wir seit Herbst 2015 (eigentlich schon früher) den Effekt, dass die Straßen unserer Städte von Leuten bevölkert werden, die sich aufführen wie Touristen, aber keine sind. Touristen sind auf eine gewisse Art nervig, aber sie bringen wenigstens Geld. Die Deutschen, die, was ihre Energieversorgung angeht, das Perpetuum mobile demnächst sicher erfunden haben wollen, die wähnen sich, was ihre Volkswirtschaft angeht, vor einem ähnlichen Durchbruch. Man gibt den Leuten Geld, damit sie es ausgeben und berichtet dann stolz, dass die Volkswirtschaft und die Binnenachfrage brummt. Als es aber, in 2014, darum ging Müttern prinzipiell Geld zu geben, damit sie bei den Kindern bleiben können, wurde immer wieder bemängelt dass die Mütter sich davon Chips und einen neuen Fernseher kaufen, also die Binnennachfrage stärken. Es ist alles nur noch verrückt!

Wilfried Cremer / 19.08.2019

In Libyen erhalten die Geschleppten ihre letzte Hassbehandlung, um sie auf Europa loszulassen. Sie sollten also besser einfach aus den Heimatländern, nicht von dort, wie RA Steinhövel es vorschlägt, eingeflogen werden. Und jedes Jahr im Winter Urlaub, versprochen ist versprochen, Merkel!

Volker Seitz / 19.08.2019

Danke Frau Lengsfeld. Eigentlich nichts Neues. Aber eine Quelle, die auch unsere Regierung interessieren sollte. (Gut, dass Knaus auch zu der dubiosen Oxford-Studie Stellung nimmt.) Ich habe nur wenig Hoffnung. Diese Regierung ist beratungsresitent. Radiosender (in Afrika ist das Radio nach wie vor das wichtigste Medium) und soziale Medien bringen diese frohen Botschaften über gelungene Überfahrten, informieren über den Anspruch auf finanzielle Leistungen von Griechenland bis Dänemark, sogar in abgelegene Regionen. Nicht zuletzt das erklärt die starke Sogwirkung nach Deutschland. Über die lebensgefährlichen Erfahrungen junger Migranten beim Versuch, über Libyen nach Europa zu gelangen, wird in afrikanischen Rundfunksendungen hingegen kaum berichtet. Viele Migranten haben keine Vorstellung, was sie in Europa erwartet, sie sind „auf gut Glück“ aufgebrochen, wie sie Reportern von Radio France Internationale (RFI) häufig erzählten. Der Münchner Soziologe Armin Nassehi erklärte schon auf „Spiegel Online“ am 7. August 2017: „Die nichtstaatliche Seenothilfe wird zu etwas, mit dem Flüchtlinge und womöglich auch Schleuser rechnen, was die Schwelle der Risikobereitschaft senkt.“

Sophie Siemonsen / 19.08.2019

Nicht wenn wir einen staatlichen Fährbetrieb organisieren…

J.G.R. Benthien / 19.08.2019

Warum sprechen Sie es nicht aus, dass Merkel irrational und unzurechnungsfähig ist? Für alle Interessierten: googeln Sie mal nach thetruesize, löschen die farbigen Länder mit einem Rechtsklick, geben links oben »Germany« ein, und ziehen Sie das Land auf Afrika, damit Sie die Dimensionen sehen. Zwischen 3.000 und 5.000 Kilometer liegen zwischen den spendierfreudigsten afrikanischen Staaten und dem Mittelmeer. Würde ich eine solche Reise machen wollen, müsste ich ein paar Tausend Euro auf den Tisch legen. Also wie kommen die Menschen von dort weg? Sicher ohne zu bezahlen. Sie reisen illegal auf Zügen, die Verpflegung unterwegs wird irgendwie »beschafft«, höchstwahrscheinlich auf kriminelle Art. Am Mittelmeer angekommen, haben diese Menschen plötzlich und unerwartet ein paar Tausend Euro für die Schlepper in der Tasche. Merkwürdig auch, dass sie keine Papiere haben. Ich könnte die Strecke nicht ohne ein einziges Visum schaffen, ganz ohne Papiere ginge nichts. Ergo müssen die Staaten viele Augen zudrücken, um die »Flüchtenden« passieren zu lassen. In Afrika werden aber nur die Augen zugedrückt, wenn vorher viel Geld geflossen ist. Meine Theorie: Die »Flüchtenden« sind Menschen, die die jeweiligen Ursprungsländer unbedingt loswerden wollen, weil sie nicht gesellschaftskonform sind. Man muss davon ausgehen, dass die »Flüchtenden« von ihren Staaten ein »Fluchtgeld« bekommen, oder dass sie diese für dortige Verhältnisse gewaltigen Beträge auf kriminelle Weise beschafft haben — was wiederum erklären würde, weshalb sie ohne Visa reisen können. Die 0,01 Promille der Gebildeten und Qualifizierten aus den Ländern stellen ganz einfach einen Visa-Antrag und kommen dann per Flugzeug nach Europa, weil sie eine »saubere Weste« haben und sich beruflich verbessern wollen. Oder sie bleiben dort, weil sie keinen Grund zu einer Flucht haben. Das ganze System stinkt zum Himmel, aber niemand will es erkennen.

J. Polczer / 19.08.2019

Mal abgesehen von den Toten, die wir hier schon durch diese Politik “erleben” durften, der Gefährdung des sozialen Friedens und unseres Sozialstaates wäre es “menschlicher” - ich hasse diesen Ausdruck wirklich - wenn wir die “Flüchtlinge” mit Sack und Pack bereits an der Küste abholen würden. Noch sinnvoller wäre es, wenn wir nicht nur männliche Personen abholen kommen würden, sondern beiderlei Geschlecht. Vielleicht sollte man Frauen auch klar hier bevorzugen. Immerhin haben wir ja sehr viele männliche Flüchtlinge. Die brauchen doch alle Frauen! Und vielleicht, natürlich nur vielleicht, auch die ärmeren auf diesen Kontinent und nicht diejenigen, die bereits zur Mittelschicht gehören. Das wären zumindestens wirkliche “Armutsflüchtlinge”. Noch vorteilhafter wären allerdings faire Handelsverträge, oder Stipendien für besonders intelligente Personen, sodass diese das neue Wissen in ihre Wirtschaft investieren könnten. Hätte man ein wirkliches Interesse, so würden sich durchaus Wege und Methoden finden lassen.

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