Jörg Schneidereit, Gastautor / 19.03.2024 / 12:00 / Foto: Pixabay / 60 / Seite ausdrucken

Dunkle, nationalistische Landschaften

Woke-Befehl im Kunstmuseum: Nach Kinderbüchern und Straßennamen geht es jetzt den Gemälden mit dem altbekannten Vorwurf von Nationalismus und Rassismus an den Kragen.

Eine zunächst surreal wirkende Meldung einer britischen Tageszeitung erwischte mich vorgestern Nacht, nachdem ich gerade während mehrerer Stunden meine Fotografien der letzten fünf Jahre am Rechner geordnet hatte. Dass es sich in erster Linie um Landschaftsfotografien handelte, verleiht hier der Koinzidenz noch eine besondere Würze. Zunächst glaubte ich an Übermüdung, kombiniert mit pathologischen Spätfolgen der enervierenden Überdosis an Groteskem aus dem medialen Alltag der vergangenen Wochen. Jedoch holte mich die schlagartig einsetzende Wachheit als Resultat schierer Erkenntnis umgehend in die Realität zurück.

Das renommierte Fitzwilliam Museum, das der Universität Cambridge angehört und sich selbst als „Hauptpartner der spektakulären Sammlungen der Universität von Cambridge“ bezeichnet, hat – laut eigener Aussage auf dessen Homepage – das hehre Ziel, „aktiv antirassistisch zu sein – nicht nur mit Worten“ Um diese Agenda nun erlebbar in die Tat umzusetzen, warnt das englische Kunstmuseum ab sofort seine Besucher, dass Gemälde britischer Landschaften etwas hervorrufen können, was – laut neuem Hinweisschild – als „dunkle, nationalistische Gefühle“ bezeichnet wird. Museumsdirektor Luke Syson hat deshalb jetzt beschlossen, einige seiner Präsentationen komplett zu überarbeiten. Dazu teilte er seine ihm anvertrauten Gemälde nun in Kategorien ein, um, wie er in einem Interview mit dem britischen „Telegraph“ sagt, das Museum in Zukunft „inklusiv“ und „bereichernd“ zu gestalten.

Warnungen wie auf Zigarettenschachteln?

Auf einem der Schilder in der Natur-Abteilung, welche unter anderem Gemälde englischer Hügel des Künstlers John Constable (1776–1837) zeigt, wird nun darauf hingewiesen, dass die Kunstwerke „Gefühle von Loyalität sowie Stolz auf ein Heimatland“ wecken können. Weiter muss sich der fassungslose Kunstfreund textlich belehren lassen, dass „Landschaftsbilder immer mit nationaler Identität verbunden waren und die Landschaft als direkte Verbindung zur Vergangenheit und daher als wahre Widerspiegelung des Wesens einer Nation angesehen wurde“.

Zu guter Letzt erfährt der vom Zeitgeist sträflich unbeleckte, vermeintliche Heimat- und Kunstliebhaber per direktorischer Aufklärungskeule, dass „die dunklere Seite der Hervorrufung dieses nationalistischen Gefühls die Implikation ist, dass nur diejenigen mit einer historischen Bindung zum Land ein Recht auf Zugehörigkeit zu jenem haben“.

Doch nicht nur vor den scheußlich nationalistischen Landschaftsgemälden möchte das Museum warnen. In der Portrait-Galerie lernt der sich seiner latent rassistischen Ader bisher gänzlich unbewusste Ästhet, dass „Portraits wohlhabender und uniformierter Personen zu wichtigen Instrumenten der Stärkung der sozialen Ordnung einer weißen, herrschenden Klasse geworden sind und nur sehr wenig Raum für die Darstellung farbiger Menschen, der Arbeiterklasse oder andere marginalisierter Menschen gelassen haben.“ Außerdem seien „Portraits oft auf komplexe Weise mit dem britischen Imperialismus und der Institution der transatlantischen Sklaverei verwoben.“ Aha.

Kein Aufschrei der Ästheten

Kein Witz, keine Ente, kein Fake. Ich hab‘s nachgeprüft – jeder kann die Meldungen per www finden. Es muss inzwischen längst ein allumfassender Gewöhnungsprozess eingesetzt haben – denn statt eines Aufschreis aller Gebildeten, aller Schöngeister, Rationalisten, Ästheten und Demokraten geschieht: nichts. Vermutlich sind wir inzwischen einfach nur müde geworden. Müde, überdrüssig und aufgebraucht – angesichts dieses Wahns, dieser geradezu religiös-woken Feuerwalze.

War da nicht erst vor kurzem jener entfesselte und tobende „BLM“ Volks- und Massensturm, angeheizt von regenbogenbunter, medialer Dauerpropaganda, der die Denkmäler von unser aller (noch vorgestern hoch verehrten) Gründerväter von deren Sockeln riss und zerschlug?

Jener Mob, der selbst das bronzene Ebenbild von Christoph Columbus stürzte, dessen unverzeihlicher Fehler es war, vor 530 Jahren, als alter, weißer, europäischer Mann mittels überlegener Schiffsbau- und Navigationstechnologie einen noch unentdeckten Kontinent zu erreichen, wo einige verfeindete Eingeborenenstämme in Zelten und Höhlen wohnten und ihr Essen sowie einander mit Pfeil und Bogen jagten?

Kulturrevolution der Haltungs-Stasi

Gefühlt sind die Meldungen kaum Monate her, und es gab wenig Zeit, sich mental davon zu erholen. Seither wird faktisch im Wochentakt eine neue, nicht für möglich gehaltene Grenze überschritten. Es geht bei diesem grotesken Eingangsthema – selbst wenn es zunächst den Anschein haben mag – beileibe nicht nur um Großbritannien. Die Briten liefern hier vorpreschend nur Persilschein und perfekte Vorlage für unsere hiesige Haltungs-Stasi a la Faeser & Co. Es ist quasi nur ein Vorgeschmack auf das, was uns im eigenen Land sowie im restlichen EU-Europa in Kürze bevorsteht.

Seit hier längst Kinderbücher korrigiert und umgeschrieben, seit unsere Sprache verhunzt, unsere Straßenschilder ausgetauscht, antike Statuen bei moslemischen Staatsbesuchen verhängt und etablierte Begriffe zensiert werden – seitdem scheint alles möglich und nichts mehr sicher. Inzwischen ist es schon so weit, dass unsere kühnsten Vorhersagen durch die woke Realität längst übertroffen wurden. Hier findet mittlerweile ein Rundumschlag gegen alles Traditionelle, Etablierte, Solide, Althergebrachte statt. Es ist, als ob unsere Herkunft, unsere Identität, all unsere Spuren getilgt und ausgelöscht werden sollen. Stück für Stück – aber endgültig.

Vor achtzig Jahren versuchten sich die Nationalsozialisten an ihrem wahnhaften Tabula rasa in kaum mehr als nur einem Jahrzehnt – historisch gesehen also quasi über Nacht. Ihre Radikalzäsur war letztlich zum Scheitern verurteilt, auch wenn sie dauerhafte Narben hinterließ. Fünfundvierzig Jahre lang versuchten sich danach die Internationalsozialististen, ebenfalls mit ernsten Teilerfolgen, an ihrer Kulturrevolution. Heute gehen die globalsozialistischen Terminatoren weit akribischer, flächendeckender und effizienter vor – mit längerem Atem, mit effektiveren Medien, mit KI-Unterstützung und maximaler, 24/7 stattfindender, psychologischer Kriegführung im Alltag.

Orwell hatte doch recht

Offenbar sind die Auslöscher und Umgestalter hier, um zu bleiben. Sie haben jetzt Mittel zur Verfügung, von denen selbst ein George Orwell noch nichts ahnte. Dennoch schrieb er prophetisch:

„Jede Aufzeichnung wurde vernichtet oder verfälscht, jedes Buch überholt, jedes Bild übermalt, jedes Denkmal, jede Straße und jedes Gebäude umbenannt, jedes Datum geändert. Und dieses Verfahren geht von Tag zu Tag und von Minute zu Minute weiter. Die geschichtliche Entwicklung hat aufgehört. Es gibt nur noch eine unansehbare Gegenwart, in der die Partei immer recht behält. (…) Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft. Der effektivste Weg, Menschen zu zerstören, besteht darin, ihr eigenes Verständnis ihrer Geschichte zu leugnen und auszulöschen.“

Inzwischen wird selbst Orwell bereits an einigen britischen Universitäten zensiert, und man geht auf der Insel davon aus, dass seine Bücher schon bald aus den Bibliotheken verschwinden werden. Wie es scheint, werden wir sie noch erleben, die „Fegefeuer der Eitelkeiten“ der neuen Savonarolas; die Bücherverbrennungen der neuen Globalsozialisten; die totale Zensur durch eine niemals müde, immer wachsame KI im Dienste einiger weniger Fanatiker. Wir werden sie erleben – wenn wir nichts unternehmen, gegen diesen krankhaften Wahn, den diese wenigen beschlossen haben, wie ein Gift über uns auszuschütten.

Wenn wir also Bilder betrachten, dann betrachten wir auch unser Gegenwartsbild genau. Schauen wir gut hin, lesen wir den Begleittext – und gehen wir nicht leer und müde weiter. Wir haben nicht nur viel zu verlieren, sondern bald schon alles.

 

Jörg Schneidereitgeb. 1968 in Jena, ist seit rund 25 Jahren freiberuflich als Schmuckdesigner, Fotograf sowie Restaurator ehrwürdiger, historischer Gebäude in Irland und Deutschland tätig. Nach 15 Jahren auf der grünen Insel lebt er nun auf einem 600 Jahre alten, selbst restaurierten Hof nahe Jena.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Helge Jörn / 19.03.2024

Ich hätte da einen Vorschlag zu machen: Werft alles auf den Müll! Verbrennt die Bücher von Kant! Zerreißt die Schriften von Goethe und Schiller! Steckt die Archive in Brand! Schiebt alle Bilder von Rembrandt, Marc und Caspar David Friedrich durch den Schredder! Vergesst Bach, Mozart und Beethoven! Zerschalgt alle Bildwerke von Schadow und reißt die Bauten von Schlaun ab! Die Auswahl lässt sich je nach Geschmack beliebig erweitern. Alles Nazi ... oder so. In spätestens drei Generationen lebt in diesen Land ohnehin keiner mehr, der mit abendländischer Kunst und Kultur etwas anfangen kann. Die Robäärts und Antons nicht und alle Annalenas, Claudias und Ricardas sowieso nicht.

Steffen Schwarz / 19.03.2024

Na ja so rückständig im Ganzen waren die Indianer vor Kolumbus nun auch nicht. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. Die Ausrottung ganzer Völker von denen haben dann im wesentlichen die Spanier und später Nat die Briten vollbracht, nicht ohne Hilfe verfeindeter Stämme. Da sollten die Spanier Mal Busse üben.

Klaus Dieter / 19.03.2024

Der Autor unterstellt anderen Geschichtsvergessenheit. Selbst scheint ihm jedoch die Geschichte Amerikas vor Kolumbus unbekannt zu sein. Dort gab es richtge Hochkulturen, die zwar weder das Rad noch Eisen nutzen, aber Ackerbau und Viehzucht betrieben. In richtigen Häusern wohnten und gewaltige Monumente bauten.

Uta Buhr / 19.03.2024

Die Ikonoklasten sind also wieder unter uns und werden von Tag zu Tag radikaler. Leute, geht in die Museen und Galerien, bevor die Werke abendländischer Genies auf den Scheiterhaufen in unseren verkommenen Städte verglühen.

Jörg Themlitz / 19.03.2024

Ja, was haben andere so zu bieten? Da sind Menschen mal in das heutige Namibia eingefallen und haben den dort lebenden Buschmännern vor dem Totschlagen oder Aufschlitzen bzw. vor deren Vertreibung in guter alter Tradition Nasen und Ohren abgeschnitten. Sie waren zahlenmäßig und waffentechnisch die Stärkeren. Weil es freies und fruchtbares Land war, blieben die eingefallenen Menschen da. Nach diesen Menschen, Hereros, werden heut in Deutschland Straßen benannt. Die Hereros waren ziemlich klever. Die haben den colons (frz. für Siedler, Bauern) freies Land verkauft, auf welchem die Bauern erfolgreich Landwirtschaft betrieben. Das weckte in “Klimakrisen” (ich denke CO² Mangel) und Heuschreckenplage Begehrlichkeiten bei den Hereros. Die Tradition für Nasen und Ohren existierte noch und so mancher Bauer wurde ohne selbige ins Jenseits befördert. Dann gab es jemand, der waffentechnisch stärker war und dem dieses Herero Gebahren nicht gefallen hat. 1915 kamen dann wieder mal zahlen- und waffentechnisch Stärkere samt Apartheidspolitik in das Land und nahmen es bis 1972 in Besitz. Aktuell, nach Mitteilung aus erster Hand sind Deutsche in Namibia hoch anerkannt.

HaJo Wolf / 19.03.2024

OMG

Christine Holzner / 19.03.2024

Wenn Du Dir mit jedem neuen Tag denkst: Was für ein absurder Film. Um dann festzustellen, dass es - bittere - Realität ist.

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