Ein „Mob“ greift Rettungskräfte an, „Männer im Ausnahmezustand“ messern in Zügen oder vor der Shisha-Bar, „Wohnungsnot“ entsteht durch alte weiße Privilegierte – beim Verschleiern von Sachverhalten halten deutsche Journalisten Spitzenniveau. Sie sind nämlich „woke“. Aber wehe, jemand veräppelt die Erweckten!
Native, bodenständige, genuine Dummheit kann erfrischend sein. Wenn sie viral geht, wie im Fall der Bundestagsabgeordneten Emilia Fester („Bismarck? Der war Kanzler? Witzig!“), vermag sie ein Heer von YouTube-Nutzern zu bespaßen. Ja, reine Doofheit, die aus einem völlig unverbildeten Köpfchen brabbelt, dargeboten mit der giggernden Arglosigkeit einer Hohlnuss, kann dem geneigten Betrachter das Herz erwärmen. Dummheit ist eine Gabe.
Anders verhält es sich mit einem Typus, der sich im politisch-medialen Komplex ausbreitet wie Dämmschaum. Der Dummsteller (auch Frauen mitgemeint, und wie!) beackert die Disziplin, grüne und linke Utopien, Halluzinationen, Phantasmagorien gegen die Wirklichkeit zu imprägnieren. Elefanten im Raum zu ignorieren, evidente Zusammenhänge zu verschleiern, darin ist er Profi. Im Politik- und Kulturbetrieb gibt er immer öfter den Ton vor. Den Mainstreammediensektor beherrscht der Dummsteller fast vollständig.
Beispiel Wohnungsmarkt. Dass mittlerweile auf jede angebotene Mietwohnung, egal welcher Preisklasse, ein Rattenschwanz von Bewerbern kommt – how come? Nach Ansicht des Stern oder des Focus oder vieler anderer Sprechtüten liegt es daran, dass „alte Menschen“ zu viel Wohnraum belegen. Ihn den Jüngeren vorenthalten, sozusagen stehlen.
Wohnungsnot störrischen Greisen angelastet
Dass die Bevölkerung der Republik seit Merkels Grenzenflutung im Jahre 2015 von 82,18 Millionen auf 84,3 Millionen in 2022 angewachsen ist – und zwar zuallerletzt durch verschärfte Vermehrung der schon länger hier Lebenden –, wird von den meisten Medienschaffenden unter den Tisch gefeudelt. Ebenso, dass die Zuwanderung nach kurzzeitiger Abschwächung jetzt wieder volle Kanne läuft, selbst wenn man die ukrainischen Flüchtlinge ausklammert.
Nein, das ist mitnichten Dummheit. Das ist Dummstellerei. Journalisten sind ja rein fachlich gesehen keine Blödiane. Wer heutzutage im schrumpfenden Medienmarkt einen festen oder wenigstens befristeten Job ergattern konnte, hat in aller Regel eine Journalistenschule absolviert. Dort wurden ihm Basisfähigkeiten beigebracht – zum Beispiel Statistiken zu lesen und zu evaluieren.
Dass der Druck am Wohnungsmarkt zuvörderst mit einer ungebremsten Migration zu tun hat und nicht mit störrischen Greisen, die an ihren 160 Quadratmetern Parkett kleben, weiß der gewöhnliche Journo sehr gut. Passt aber nicht ins Bild von einer quietschfidelen Zuwanderergesellschaft, wie Medien sie malen. Und zwar vom kleinsten und gemeinsten Käseblatt bis zur achtmillionenfach geguckten „Friesland“-Krimischmonzette.
Mediale Vernebelungsarbeit in Sachen Migration
Tatsächlich wird in den Bereichen Migration/Randale/Kriminalität/Antisemitismus ein großer Teil der medialen Vernebelungsarbeit geleistet. Zum Beispiel „Rocker“. So werden Mitglieder von überwiegend migrantisch geprägten Brachialbanden etikettiert, die mit den Rockern aus Klaus Lemkes gleichnamigem Spielfilm von anno 1972 so viel zu tun haben wie Till Lindemann mit Herman van Veen. Zu Lindemann später noch ein Wort.
Ein Bericht des Weser Kurier über einen Polizeikongress zur Szene der „Rocker ohne Führerschein“ erwähnt nicht mit einem Sterbenswörtchen, dass Gruppen wie die „Mongols“ ohne ein einziges kriminelles Element biodeutscher Herkunft auskommen. Wenn „eine Schlägerei eskaliert“, hernach „ein Mann in einer Shisha-Bar erstochen“ wird, erfahren die Leser des Focus („Fakten, Fakten, Fakten“) darüber nicht viel mehr als dies: „Die Hintergründe des Tötungsdeliktes sind momentan noch unklar.“ Was natürlich so nicht stimmt. Wurde in einer Shisha-Bar gemessert, liegen Hintergründe meist auf der Hand. Entweder ging es um Drogen oder um Frauen oder um die Ehre. Mehr muss kein Mensch wirklich wissen.
Ganze Tuschkästen gehen jeden Tag drauf, um Vorgänge undeutlich bis unkenntlich zu machen. „Familienfeiern“ eskalieren, der „Mob“ greift Rettungskräfte an, „ein Mann“ greift eine Frau an. Selbst Bild, die öfter Klartext liefert, wenn es um Täter geht, schwurbelt schon mal was von „Jugendlichen“, die in Berliner Freibädern „aneinandergeraten“. Jugendliche. Mittlerweile eine Art N-Wort, bei dem jeder gleich weiß, wer gemeint ist. Vergleichbar mit der Marke „EinMann©“, aus der inzwischen ein Gattungsbegriff wurde, wie Pattex für Klebstoffe.
Wie kommt es bloß zur Bildungskatastrophe?
Die Poser, Raser, Brüllauspuffaffen in den Innenstädten – ja, wer sind die denn? „Keiner versteht, wie sich so junge Männer solche Autos leisten können.“ Glaubt die Zeit und cruist mit einigen „AMG-Chabos“ durch Berlin-Kreuzberg. Hätte aber nicht notgetan. Wer diese scharf frisierten Jungs sind, erkennt der flüchtige Blick durchs Wagenfenster.
Kommt eine aktuelle Iglu-Studie mit dem Ergebnis raus, dass 25 Prozent der Viertklässler nicht das Mindestniveau beim Lesen erreichen, welches für ihre weitere Schulzeit nötig wäre (sechs Prozent mehr als bei der letzten Erhebung 2017), dann werden alle möglichen Gründe herbeigekramt. Defizite durch die Corona-Zeit, geringerer Bildungserfolg bei Schülern aus armen Familien und so weiter.
Schließlich zitiert die Website t-online.de noch eine Frau namens Bettina Stark-Watzinger von der FDP, die offenbar Deutschlands Bildungsministerin darstellt, mit der Forderung nach einer „bildungspolitischen Trendwende.“ Eine Drohung wie alles, was auf -wende endet.
Unerwähnt lässt das Stück, zusammengeschrubbt aus dpa- und AFP-Quellen, den Hauptgrund des Schul-Desasters. Nämlich der stark gestiegene Anteil von Kindern, die aus – nett gesagt – bildungsfernen Zugereistenfamilien stammen, wo kaum oder gar kein Deutsch gesprochen wird.
„Woke“ – was ist denn das?!
Gelegentlich kostümiert sich Dummstellerei als bedeutungsmäßig aufgerüschte Analyse. Eine Polit-Influencerin, die für ihre Autorenfotos wohl nicht mit Kosmetika geizt, hat sich des Kunstwortes „woke“ angenommen. In einem linken Mediendienst fragt die Dame, die auch für den Spiegel kolumniert: „Immer, wenn ich diesen Ausdruck höre, frage ich mich: wer eigentlich soll damit gemeint sein?“ Um sodann eine begriffshistorische Betrachtung vom Stapel zu lassen, die zum vernichtenden Urteil kommt, das ursprünglich von geknechteten US-Schwarzen benutzte „woke“ würde inzwischen von den Rechten „ridikülisiert“ und als „gesellschaftspolitischer Kampfbegriff missbraucht.“
Freilich, schlaumeierische Rekurse auf die 1960er sind obsolet. Was „woke“ hier und heute bedeutet, ist umgangssprachlich längst gesetzt. Und so, wie „woke“ von „Rechten“ in der Tat eher abwertend benutzt wird, ist auch die Einordnung „rechts“ nicht geradezu schmeichelhaft, jedenfalls für Wokis.
Unschwer zu kapieren, sofern man sich nicht künstlich blöd macht, oder? Heinrich Mann begründete 1938 seine Ablehnung, sich mit Gestalten wie Walter Ulbricht beim Kampf gegen die Nazis zusammenzutun, wie folgt: „Ich kann mich nicht mit einem Mann an einen Tisch setzen, der plötzlich behauptet, der Tisch, an dem wir sitzen, sei kein Tisch, sondern ein Ententeich, und der mich zwingen will, dem zuzustimmen.“
Ein Hochamt des Nichtwahrhabenwollens
Zu den profiliertesten Ententeichlern zählt der ehemalige Bundesrichter Thomas Fischer, auch er ein Kanonier an der Spiegel-Haubitze. Es ist Michael Klonovsky zu verdanken, diesem etwas anderen Querdenker schon 2016 ein Denkmal gesetzt zu haben.
Damals hatte ein junger Afghane in Freiburg eine 19-Jährige vergewaltigt und ermordet. Die Leiche wies Bissspuren auf. Selbst im Refugees-welcome-seligen Freiburg erbitterte das Verbrechen viele Bürger. Einige warfen die Frage auf, ob man Menschen aus Gebieten, die für ihre hohe, seit vielen Jahrhunderten quasi kulturell tradierte Gewalt gegen Frauen bei Menschenrechtsorganisationen berüchtigt sind, ohne Aufsicht auf die sogenannte deutsche Zivilgesellschaft loslassen dürfe.
Für den Ex-Richter Fischer ein Hochamt des Nichtwahrhabenwollens:
„Was ich verstehe: Der Afghane als solcher hat nicht selten ein so genanntes ‚archaisches Frauenbild‘. Er kommt, sozusagen, vom Lande in die große Stadt, sieht dort Tabledance und Sexmesse, Silikon und Glitzernails, und all diesen Kram. Er ist geschockt. Aber wie? Freut er sich? Ekelt er sich? Oder will er auch so sein wie die neuen Anderen oder die anderen Neuen? Anders gefragt: Was ist das Afghanische am Afghanen in Germanistan? Was ich nicht verstehe: Warum sollte der Afghane als solcher nun denken, die Frauen in diesem schockierenden Wunderland dürfe, müsse oder solle man vergewaltigen? Darf man das in Afghanistan? Ich glaube nicht. Welche ‚migrantische‘ Kultur soll sich hier Bahn gebrochen haben? Springen jugendliche Afghanen in Kabul Radfahrerinnen an und finden nichts dabei, weil das dort üblich oder erlaubt ist? Gibt es, allgemeiner gefragt, irgendein Flüchtlings-Herkunftsland, in dem die Vergewaltigung oder Tötung von zufällig des Wegs einher gehenden Frauen kulturell verankert ist?“
So klingt es, schrieb Klonovsky 2016, „wenn der Zynismus der Macht sich mit der Impertinenz und dem Gemüt eines Fleischerhundes verschränkt, zugleich aber die Larve des Wohlmeinens trägt.“ Heute, eine lange Reihe von Frauenleichen später, erscheint das Verdikt noch plausibler.
Vom falschen Amtsarzt im Gebüsch untersucht
Möglicherweise gibt es auch Menschen, die sich in bestimmten Situationen gar nicht doof stellen, sondern es wirklich sind. Ich erinnere mich an kaum glaubliche Meldungen, die ich einst in meiner Raschelzeitung gelesen hatte (sie müssen also schon eine ganze Weile her sein). Darin ging es – mehrfach, an unterschiedlichen Orten, über Jahre hinweg – um falsche Amtsärzte, die Frauen im Büro oder zu Hause anriefen. Die Sexganoven gaben vor, eine Untersuchung machen zu müssen, weil eine bakterielle Infektion in der Stadt grassiere. Die Frauen sollten zu diesem Zweck in den Stadtpark kommen und dort ein bestimmtes Gebüsch aufsuchen, vorher unbedingt das Höschen ausziehen.
Bei der Polizei gingen in der Sache Anzeigen ein. Darunter auch solche von Frauen, die tatsächlich zu dem angegebenen Gebüsch gegangen waren, denen die ganze „Untersuchung“ hinterher jedoch sonderbar vorkam. Als unsere Lachtränen getrocknet waren, guckten meine Frau und ich uns dann doch irgendwie perplex an. Wie war so etwas möglich, im 20. Jahrhundert, mitten in Europa? Und was sollte man tun? Wahlrecht entziehen?
Mir ist auch schleierhaft, was es mit der jüngsten #metoo-Nummer bei Rammstein auf sich hat. Reisende Enthusiastinnen dieser Combo, die bass erstaunt sind, wenn auf Aftershowpartys des Kinderschrecks Lindemann unter Umständen eher Sex angesagt ist als poptheoretische Diskurse? Nie von Led Zeppelin gehört, Sex, Drugs, Rock´n´Roll und so?
Dumm oder dummgestellt, das ist hier die Frage. Ich, für meinen Teil, verzichte gern auf Details.
Wolfgang Röhl, geboren 1947 in Stade, studierte Literatur, Romanistik und Anglistik. Ab 1968 Journalist für unterschiedliche Publikationen, unter anderem 30 Jahre Redakteur und Reporter beim „Stern”. Intensive Reisetätigkeit mit Schwerpunkt Südostasien und Lateinamerika. Autor mehrerer Krimis.