Gastautor / 06.06.2018 / 06:25 / Foto: Niels de Wit / 37 / Seite ausdrucken

DSGVO legt Bundestags-Abgeordnete lahm

Von Klaus-Peter Willsch.

Der CDU-Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Willsch hat an Angela Merkel, Wolfgang Schäuble und Volker Kauder folgenden Brief zur Datenschutz-Grundverordnung  (DSGVO)  geschrieben:

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrter Herr Bundestagspräsident, lieber Volker,

im jüngst veröffentlichten Bericht der Bundesregierung „Bessere Rechtsetzung 2017: Die Bürokratiebremse wirkt“ heißt es: „Der Vorwurf, die EU sei ein bürokratisches Monster und produziere Überregulierung in großem Stil, ist fast so alt wie das Bündnis selbst. Deshalb genießt das Thema Bessere Rechtsetzung auf europäischer Ebene seit mehreren Jahren hohe Priorität.“ Am 25. Mai ist die Datenschutz-Grundverordnung  (DSGVO) in Kraft getreten. Seit 1998 gehöre ich ununterbrochen dem Deutschen Bundestag an. Mir ist in den 20 Jahren meiner Abgeordnetentätigkeit kein Rechtsakt – weder auf nationaler noch auf EU-Ebene – in Erinnerung, der so viel Rechtsunsicherheit und – das Wort wähle ich bewusst – Chaos angerichtet hat.

In den letzten Tagen wurde ich beruflich und privat mit einer Vielzahl von E-Mails überhäuft. Mal sollte ich mein Interesse bestätigen, in einem Verteiler zu bleiben, ansonsten würde ich automatisch daraus gelöscht. Mal sollte ich aktiv widersprechen, ansonsten würde ich im Verteiler bleiben. Ein anderes Mal wurde ich nur über den Status quo unterrichtet. Ab und zu waren die E-Mails auch mit einer Deadline versehen. Vereine, in denen man gerade deshalb Mitglied ist, um via E-Mailverteiler über Veranstaltungen etc. informiert zu werden, rückversicherten sich genauso wie Unternehmen, zu dessen Kundenstamm man gehört. Das alles zeigt: Die Unternehmen, Verbände, Vereine und Bürger unseres Landes möchten sich rechtskonform verhalten. Doch über die Auswirkungen der DSGVO herrscht große Unsicherheit. Die vielen E-Mails sind auch Ausdruck einer großen Angst vor Abmahnanwälten.

Auch wir Abgeordnete des Deutschen Bundestages wurden von Seiten des Wissenschaftlichen Dienstes mit etlichen Dokumenten überhäuft, ohne am Ende klar und deutlich zu wissen, was genau zu tun ist. Die DSGVO ist das genaue Gegenteil von guter Rechtsetzung. Gut daran ist vielleicht nur eines: Die Verordnung lässt auch uns Abgeordnete am eigenen Leib spüren, mit welchen bürokratischen Bürden wir die Wirtschaft und die Bürger unseres Landes überziehen. Diese Sensibilisierung halte ich auch für dringend angebracht. 

Man muss sich aber nur einmal das angehängte Formular des wissenschaftlichen Dienstes zur schriftlichen Einverständniserklärung für das Tätigwerden als Abgeordneter für einen aus freien Stücken bei seinem Abgeordneten um Rat oder Hilfe nachsuchenden Bürger anschauen, um nachvollziehen zu können, dass diese Regulierungsorgie den Kernbereich der Abgeordnetentätigkeit lahmzulegen droht. Auch die Bestellung eigener Datenschutzbeauftragter in Abgeordnetenbüros ist – wenn es nicht nur deklaratorischer Natur sein soll – mit den vorhandenen Mitarbeiterbudgets nicht zu bewältigen.

Wie Sie vielleicht wissen, bin ich seit dieser Legislaturperiode für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion Berichterstatter für Bürokratieabbau im Ausschuss für Wirtschaft und Energie und zugleich Vorsitzender der PKM-Arbeitsgruppe Bürokratieabbau. Auch in dieser Funktion möchte ich eindringlich dafür werben, den Vollzug der DSGVO bis auf weiteres auszusetzen. Es darf nicht passieren, dass Abmahnanwälte systematisch Homepages von Vereinen, Unternehmen, Selbstständigen usw. abklappern. Vage Äußerungen wie die unserer Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Katharina Barley, („Gefahr von Abmahnungen, die viele Betroffenen fürchten, […] gering.“) reichen in keinem Fall aus, wenn die Bevölkerung derart verunsichert ist.

Gesetze müssen einfach, klar und für jedermann verständlich sein. Das gilt gerade für solche Gesetze, die jedermann direkt und indirekt betreffen. Ich hätte mir gewünscht, dass uns die Bundesregierung besser darauf vorbereitet, wenn ein solcher Bürokratiemoloch von Brüssel auf uns zukommt. Nun ist das Kind leider schon in den Brunnen gefallen. Dort darf es aber nicht liegen bleiben. Die DSGVO steht leider pars pro toto für all das, was der EU – zurecht oder nicht – vorgeworfen wird. Wenn die DSGVO nicht praxistauglich ist, muss man den Ball zurück zum Europaparlament spielen. Wenn es an schlechter deutscher Umsetzung liegt, müssen wir auf nationaler Ebene ran. Liebe Kollegin Merkel, Sie hatten ja auf der Kreisvorsitzendenkonferenz angedeutet, dass wir uns die DSGVO nochmal genauer ansehen müssten. Dafür plädiere ich eindringlich!

Bitte lassen Sie mich kurzfristig wissen, was Sie in der Angelegenheit unternehmen werden. 

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Nico Schmidt / 06.06.2018

Sehr geehrter Herr Willsch, das DSGVO wurde von Menschen verabschiedet, die offensichtlich noch nie gearbeitet haben. Wieder ein Papiertiger mit stumpfen Zähnen und mächtig Übergewicht. Ihr Brief hört sich vernünftig an, ändern wird er nichts. Es wird kein Politiker zurückrudern, aus Angst vor einem Gesichtsverlust. Wieder werden mehr Menschen immer verdrossener über die Politikerkaste. Da nehme ich Sie nicht aus, Brandbriefe zu schreiben ist eine Sache, etwas wirklich zu bewegen eine andere Sache. Es wird seit Monate nvor dem Ungeheuer DSGVO gewarnt. Alle Politiker sind mit Tränen in den Augen zu den Kameras gelaufen und haben den großen DSGVO-Wurf gefeiert. Na, jetzt wird sich facebook aber einmal umgucken! MfG Nico Schmidt

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