Die einschlägig Verdächtigen aus der Coronazeit toben sich jetzt im "ExpertInnenrat ‚Gesundheit und Resilienz‘“ aus. Rettungsdienst mit elektrifizierter Fahrzeugflotte und recycletes Narkosegas?
Vor wenigen Tagen haben sich Christian Drosten und Alena Buyx wieder zu Wort gemeldet. Und zwar als ständige Mitglieder des ExpertInnenrats „Gesundheit und Resilienz“, der im März 2024 als Nachfolgegremium des „Corona-ExpertInnenrats“ seine Arbeit aufgenommen hat und seitdem regelmäßig Stellungnahmen abgibt.
Auf der Website der Bundesregierung wird erklärt, dass der Corona-ExpertInnenrat während der Corona-Pandemie eine wichtige wissenschaftliche Expertise geliefert habe, auf deren Grundlage komplexe politische Entscheidungen getroffen worden seien. Um auch auf zukünftige Herausforderungen bestmöglich vorbereitet zu sein, habe das Bundeskanzleramt den Nachfolgerat eingerichtet. Und Bundeskanzler Scholz wird mit der Aussage zitiert, dass „als Lehre aus der Pandemie“ das Gesundheitswesen widerstandsfähiger und robuster aufgestellt sein müsse – auch im Hinblick auf die Folgen des Klimawandels.
Der ExpertInnenrat „Gesundheit und Resilienz“ soll sich nun Zukunftsfragen widmen, die „auf unsere Gesellschaft zukommen und bisher nicht oder nicht ausreichend diskutiert werden“. Brisant ist: Bei aktuellen Fragestellungen zur öffentlichen Gesundheit kann der ExpertInnenrat die Bundesregierung ad hoc beraten. Das kennen wir schon aus der Corona-Zeit.
Der Rat ist in fünf thematisch ausgerichtete Arbeitsgruppen aufgeteilt, verabschiedet seine Stellungnahmen jedoch im Plenum. Die Schwerpunkte der Arbeitsgruppen sind: Public Health, Prävention, Innovation und Teilhabe, Health Security sowie Klimawandel. Während Christian Drosten bei der Gruppe „Health Security“ mitwirkt, ist die ehemalige Ethikratsvorsitzende Alena Buyx Koordinatorin der Gruppe „Innovation und Teilhabe“.
Wir erinnern uns: Buyx hatte sich 2021 lautstark dafür eingesetzt, dass geimpft werden müsse, „was die Spritze hergibt“. Auf der Website des ExpertInnenrats sind insgesamt 21 Mitglieder aufgeführt, auf der Website der Arbeitsgruppen jedoch über 30. Dazu kommen noch Gäste wie etwa RKI-Chef Lars Schaade und der vor allem durch die RKI-Protokolle bekannt gewordene Generalstabsarzt Dr. Hans-Ulrich Holtherm in den Arbeitsgruppen „Public Health“ und „Health Security“.
Bekannte Scharfmacher und Vernebler an Bord
Auch die Jenaer Ärztin Petra Dickmann ist mit von der Partie und ebenfalls noch gut aus der Corona-Zeit in Erinnerung geblieben: Behauptete sie doch, dass Corona „eine Pandemie der Ungeimpften“ sei. Leif-Erik Sander, der an der Charité Berlin die Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung leitet, drängte ebenso auf eine höhere Impfqote und versicherte die Unbedenklichkeit der neuen modRNA-Genimpfstoffe.
Und der Physiker und Modellierer Dirk Brockmann leitete als Vertreter der „No-COVID“-Strategie mit dem Projekt „Corona-Datenspende“ das bislang größte Datenspende-Projekt weltweit. Sie alle sind wieder mit an Bord – um nur einige Mitglieder des ExpertInnenrat „Gesundheit und Resilienz“ zu nennen. Ausgerechnet die „Experten“ also, die durch ihre Expertise für die katatrophalen Corona-Maßnahmen mitverantwortlich waren, sitzen auch jetzt wieder in einflussreichen Positionen.
Den Vorsitz des Rats hat Professor Heyo Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité, inne. Er hatte im November 2021 an alle „Ungeimpften“ appelliert, sich den Pieks in den Arm zu holen, gab aber später zu, dass er über die Wirkung der Spritze nicht genügend gewusst habe. Co-Vorsitzende ist Professorin Susanne Moebus von der Universitätsmedizin Essen, die zum Beispiel fordert, dass ungesunde Lebensmittel im Supermarkt teurer und schwerer erreichbar sein müssten als gesunde.
Nach Erklärungen zu Themen wie „Stärkung der Resilienz durch Impfen und Hygiene“ oder „Resilienz und Gesundheitssicherheit im Krisen- und Bündnisfall“ veröffentlichte der ExpertInnenrat am 19. Februar nun seine einstimmig beschlossene zwölfte Stellungnahme. Diesmal zum Thema: „Das Gesundheitswesen: Mitverursacher des Klimawandels – und Teil der Lösung“. Darin wird der Klimawandel als die größte globale Gefahr für die menschliche Gesundheit im 21. Jahrhundert bezeichnet. Hier greift der Rat allerdings lediglich eine Vorgabe der WHO und auch des RKI auf (achgut berichtete).
Weltweit sei das Gesundheitssystem für 4,4 Prozent der gesamten klimaschädlichen Emissionen verantwortlich. Wäre es eine eigenständige Nation, würde es Rang fünf der weltweit stärksten Treibhausgasemitter belegen. Die höchsten Emissionen verursachten die Gesundheitssysteme der USA, Chinas und der EU, die zusammen 56 Prozent der Gesamtemissionen aller Gesundheitssysteme beitrügen. In Deutschland sei das Gesundheitssystem für etwa 5 Prozent der nationalen Emissionen verantwortlich. Das entspreche knapp 35 Millionen Tonnen pro Jahr und damit etwa den Gesamtemissionen der Schweiz. Neben den Treibhausgasen verzeichne der Krankenhaussektor auch ein hohes Abfallaufkommen, das mit rund 1.500 Kilogramm pro Krankenhausbett und Jahr fast dreimal so hoch ausfalle wie das einer Person eines Privathaushaltes. Ziel der Stellungnahme sei es, das Gesundheitssystem als bedeutenden Mitverursacher des Klimawandels zu beleuchten und gleichzeitig CO2-Reduktionspotenziale aufzuzeigen.
Klimabewusster Einsatz von Inhalativa
Jede Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen, jeder Anfahrtsweg zur Arztpraxis und jedes verschriebene Medikament verursache Treibhausgasemissionen, Abfälle und weitere Klima- und Umweltbelastungen. Der ExpertInnenrat fordert daher eine deutliche Stärkung von klimaverträglicher Prävention und Gesundheitsförderung. Neben einer „ressourcenschonenden“ Bauweise von Gesundheitseinrichtungen und dem vom Bundesumweltministerium geförderten Projekt „Klimaneutrale Praxis“ für Arztpraxen schlägt der Rat beispielsweise ein erhöhtes Angebot an telemedizinischen Leistungen zur Vermeidung von Anfahrten vor. Auch die Anwendung von Inhalativa bei Atemwegserkrankungen und Narkosegase berge noch großes Potenzial für die Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Empfohlen wird ein klimabewusster Einsatz von Inhalativa und das Auffangen und die Wiederaufbereitung von Narkosegasen.
Das Gesundheitswesen als Arbeitgeber müsse zudem gesunde und das Klima schützende Arbeitsmöglichkeiten schaffen wie zum Beispiel Angebote für eine klimafreundliche Mobilität (Fahrradleasing, ÖPNV) und Essensangebote im Sinne einer „Planetary Health Diet“ mit Schwerpunkt auf Gemüse und Obst. Dies könne auch einen günstigen Einfluss auf den relativ hohen Methanausstoß des Gesundheitswesens haben. Darüber hinaus gelte es abzuwägen, inwieweit Mehrweggüter (zum Beispiel nach Sterilisation) umweltverträglicher sein könnten als Einweggüter. Aber auch die Sensibilisierung der Mitarbeiter im Hinblick auf sparsamen Materialverbrauch habe Einsparpotenziale und könne Müll vermeiden.
Bei Rettungsdiensten, Krankentransport und ambulanter Pflege könnte eine stärker elektrifizierte Fahrzeugflotte einen Beitrag zur Dekarbonisierung liefern. Der größte Anteil des CO2-Footprints stamme jedoch aus dem Warentransport. Hier könne „multiples Sourcing“ und „globale Diversifikation“ die Abhängigkeit von einem Produktionsort oder Hersteller reduzieren. Produkte sollten generell möglichst aus der Nähe bezogen werden. Dazu müssten die Produktionskapazitäten in Europa gesteigert werden, wie es etwa von der EU-Behörde für Krisenvorsorge und -reaktion (Health Emergency Preparedness and Response Authority, kurz: HERA) in Bezug auf notwendige medizinische Güter für Krisenfälle schon etabliert worden sei.
Noch mehr Gesundheitsbürokratie wagen!
Immerhin betont der Rat, dass die Fachexpertise aus den Bereichen Qualitätsmanagement, Krankenhaushygiene und Patientensicherheit handlungsleitend bleiben müsse, um bei der Abwägung zwischen Umwelt- und Klimaaspekten und der Sicherheit der Patienten die Qualität der Versorgung nicht zu gefährden.
Die Herausforderung liege darin, eine Balance zwischen bestmöglicher Versorgung von Patienten und nachhaltigem Handeln zu finden. Bereits am 5. Januar 2023 ist übrigens die Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie der EU (Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz: CSRD) in Kraft getreten, nach der Unternehmen jährlich ihre Kennzahlen zur Treibhausgasemission berichten müssen.
Betroffen davon sind Unternehmen ab einer bestimmten Größe, die sich aus der Mitarbeiterzahl (ab 250) ergibt oder sich an der Bilanzsumme (ab 25 Millionen Euro) oder den Umsatzzahlen (ab 50 Millionen Euro) orientiert. Bis Mitte 2024 hatten allerdings erst 11 Prozent der deutschen Krankenhäuser ab einer Bettenzahl von mindestens 100 einen Nachhaltigkeitsbericht verfasst. 70 Prozent der Krankenhäuser müssen nun wahrscheinlich für 2025 einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen. Der Aufwand zur Erfassung von Daten ist dabei hoch: Im Schnitt sind ein bis zwei Vollzeitkräfte über zehn Monate lang mit einem solchen Bericht beschäftigt.
Zusammenfassend stellt der Rat fest:
„Der notwendige Weg zu Netto-Null- Emissionen im Gesundheitswesen ist nicht nur entscheidend zur Eindämmung des Klimawandels, sondern auch ein zentraler Eckpfeiler eines gesellschaftlichen Wandels hin zu Gesundheit und Wohlbefinden für alle.“
Netto-Null-Emissionen seien nur durch einen Wandel hin zur Kreislaufwirtschaft erreichbar, bei der zum Beispiel medizinische Geräte für die Wiederverwendung konzipiert werden. Eine Gesundheitsreform, die Umwelt-, Finanz- und Leistungsaspekte kombiniere, könne den ökologischen Fußabdruck weiter verringern und Gesundheit und Resilienz aller langfristig stärken.
So weit die Stellungnahme des ExpertInnenrats „Gesundheit und Resilienz“. Wenn Sie also in nächster Zeit einmal in die Situation kommen sollten, einen Rettungswagen rufen zu müssen, erkundigen Sie sich am besten, ob dieser mit Elektromotor betrieben wird. Und falls bei Ihnen eine OP ansteht, fragen Sie sicherheitshalber nach, ob das Narkosegas, das dafür verwendet wird, recycelt worden ist. So tragen Sie dazu bei, den Verantwortlichen zu signalisieren, wie dringlich das Bedürfnis der Bevölkerung nach Dekarbonisierung des Gesundheitswesens schon ist.
Quellen:
ExpertInnenrat „Gesundheit und Resilienz“:
Zwölfte Stellungnahme des Rats
Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.