Thomas Rietzschel / 05.11.2019 / 13:00 / Foto: Thomas Bresson / 31 / Seite ausdrucken

Dresden wehrt sich gegen die Touristen

Um den anschwellenden Strom der Touristen zu drosseln, will Dresden seinen eigenen Weg gehen. Während Reisende demnächst drei Euro Eintritt zahlen müssen, wenn sie Venedig besuchen wollen, man sich in Salzburg und Prag mit ähnlichen Gedanken trägt, setzen die Sachsen auf Abschreckung. Statt sich organisatorisch mehr Arbeit zu machen, indem sie die Gäste (2,2 Millionen im Jahr 2018) zur Kasse bitten, haben die Dresdner Stadträte in der vorigen Woche den „Nazi-Notstand“ ausgerufen. Mit 39 gegen 29 Stimmen wurde die „Grundsatzerklärung“ beschlossen. 

Am Erfolg dieser besonderen Form der Touristenabwehr ist nicht zu zweifeln. Zumal die von weither Kommenden sich fragen mögen, ob sie nicht lieber einen weiten Bogen um die Kunstmetropole machen. Sollen sie sich noch in den Zwinger, die Frauenkirche, die Semperoper wagen, wenn dort „menschenfeindliche, extrem rechte Einstellungen und Taten bis hin zur Gewalt immer stärker offen zutage treten“? 

Patrouillieren schon wieder Schlägertrupps wie Hitlers SA über den Altmarkt und auf der Brühlschen Terrasse, dem einstigen „Balkon Europas“? Müssen die Fremden fürchten, angepöbelt, bespuckt, womöglich verprügelt zu werden?

Für die Stadträte scheint das keine Frage zu sein. Sie halten das Schlimmste für möglich. Damit es den kunstsinnig verträumten Dresdnern und ihren Gästen endlich wie Schuppen von den Augen fällt, haben sie den „Nazi-Notstand“ konstatiert. Denn ist das Wort erst einmal in der Welt, der Begriff geprägt, muss sich das Weitere finden. 

Ohne Not kein Notstand

Gibt es doch keinen Notstand, erst recht keinen politischen ohne eine Not, die zum Handeln zwingt. Ihre Ursachen oder Verursacher sind auszuschalten. Niemand weiß das besser als jene, die den Notstand feststellen. Mit seiner Ausrufung beanspruchen sie politische Handlungsfreiheit jenseits der demokratischen Spielregeln. Im Laufe der Geschichte kam das öfter vor. Hitler tat es 1933 mit dem „Ermächtigungsgesetz“, angeblich „zur Behebung der Not von Volk und Reich“. 

Nun ist das Dresdner Stadtparlament nicht das, was der Reichstag war. Auch ist es kein maßgeblicher Politiker gewesen, der sich den „Nazi-Notstand“ ausdachte, sondern ein gewisser Max Aschenbach, seines Zeichens Komiker und Abgeordneter einer Spaßpartei, die sich schlicht „Die Partei“ nennt. Stark gemacht hat er sich zunächst für ein „Schnarchverbot im Rat“; außerdem stellte er den Antrag „Sächsisch als Amtssprache“ einzuführen.

Beides konnte noch als Witz durchgehen. Für dumme Späße war der Narr immer gut. Ernstgenommen wurde er nicht. Erst mit seiner nächsten Posse, der Initiative zur Ausrufung des „Nazi-Notstands“, brachte er die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich. Tagelang diskutierten sie darüber, um sich schließlich auf ihre „Grundsatzerklärung“ zu verständigen. 

Weg mit den Gefährdern!

Eine Provinz-Klamotte, über die wir ungläubig den Kopf schütteln würden, würde dabei nicht mit Worten gespielt, die zu Taten anstiften. Schließlich sind politische Tendenzen keine Naturkatastrophen. Sie fallen weder mit dem Regen vom Himmel noch werden sie vom Sturm angeweht. Sie sind allemal das Werk von Menschen.

Und das wiederum heißt, wer gegen politische, in dem Fall „rechte Tendenzen“ vorgehen will, muss deren Verursacher „verfolgen“, wie es in der „Grundsatzerklärung“ heißt. Zumal dann, wenn sich die Gesellschaft bereits im Notstand befindet, sind ihre Gefährder auszuschalten. Das ist die logische Konsequenz des Verfahrens. 

Ob sich der Dresdner Stadtrat dessen bewusst war, ob Grüne, Linke, SPD und FDP auch nur ahnten, welche Büchse der Pandora sie aufmachten, als sie sich verführen ließen, mit der Warnung vor dem „Nazi-Notstand“ auf die Propaganda-Pauke zu schlagen, wissen wir nicht. Auf jeden Fall aber sind sie damit selbst in die den sprachlichen Duktus und die totalitäre Denkweise der Nationalsozialsten zurückgefallen. Und darin allein besteht denn auch die Gefahr: in der fortwirkenden Faszination eines politischen Totalitarismus, dem die Androhung der Gefahr genügt, um sich selbst über die Regeln der Demokratie hinwegzusetzen. 

Dummdreist tappten die sächsischen Antifaschisten in die Falle, die sie sich selbst stellten. Mehr als ihren eigenen, den Dresdner Notstand konnten sie nicht ausrufen. Immerhin genug, um die Touristen zu vergraulen.

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Leserpost

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Wilfried Kaiser / 05.11.2019

Nazinotstand? Vielleicht haben die einfach nicht genug Nazis.

Bernhard Maxara / 05.11.2019

Dem Dresden Tourismus wird das eher nütze: In einigen Gegenden Italiens liefen noch in den Fünfziger Jahren die Dörfler zusammen, als es hieß, ein Deutscher sei im Ort, und zwar ein echter Protestant - non catolico!!”  - Wer wird sich als Deutschlandtourist schon die Attraktion entgehen lassen, einen echten deutschen Nazi zu besichtigen?!

Klaus Peter / 05.11.2019

Der einzig auszumachende “Notstand” herrscht offensichtlich zwischen den Ohren bei denen, die dafür gestimmt haben.

Axel Gojowy / 05.11.2019

Lange Sommer ohne Regen führen mancherorts zu Verknappung des Grundwassers.  Gemeinden rufen dann schon mal, wegen Wassermangels den Notstand aus. In Dresden wurden offenbar die Nazis knapp - also schnell den Nazi-Notstand ausgerufen, obs hilft???

Andreas Rühl / 05.11.2019

>>Dresden solle eine Stadt werden, “die die Verbreitung von antidemokratischen, antipluralistischen, menschenfeindlichen und rechtsextremistischen Einstellungen auf ihren zentralen Plätzen nicht weiter unwidersprochen zulässt”.>> Das ist ein glasklarer Verfassungsbruch durch das Stadtparlament. Wenn Dresden ein “Demokratiedefizit” hat, dann verorte ich das derzeit eher im Stadtparlament selbst als anderswo. Und mich beschleicht das Gefühl, dass es durchaus bedenklich ist, wenn die selbsternannten Hüter der Demokratie und Repäsentanten derselben gefährlicher werden als jede dummbackige Bierbauchglatze mit einem “88” Tatoo, die in der Martiniklause rumgrölt. Was geht bloß in den Köpfen dieser Menschen vor? Wie konnte es so weit kommen, dass demokratische Grundregeln derart missachtet werden - kann es sein, dass man diese Grundregeln nicht mehr kennt? Oder ist es die schiere Angst - nicht vor den rechten Gewalttätern, sondern vor dem Wähler, der sich nicht mehr länger verarschen lassen wollen?

Karla Kuhn / 05.11.2019

Herr Uwe Schäfer : “WOHLSTANDSVERBLÖDUNGSNOTSTAND”  GENIAL und SOOOO treffend !! Der Typ, der das in die Welt gestetzt hat MUß !! vom Tourismus Verband verklagt werden. Ich glaube zwar nicht, daß sich ausländische Touristen davon einschüchtern lassen , vor allem weil es bei vielen in ihren eigenen Ländern,  genug schlimme Straftaten gibt   ist für sie gerade DRESDEN eine KUSCHELZONE und fühlen sich wohl und sicher ! Zu DDR Zeiten hatte vor allem Dresden und die wunderschöne Umgebung von der Sächsischen Schweiz und dem Erzgebirge viele ausländische Touristen, auch aus dem westlichen Ausland und das, obwohl immer wieder vor der “ROTEN GEFAHR” gewarnt wurde. (Der Westen war der imperialstische Klassenfeind ) JEDER MENSCH, der ins Ausland fährt und nicht sicher ist, ob dort eine Gefährdung vorliegt, kann sich bei der jeweiligen Botschaft wegen der Sicherheit erkundigen. DAS, was von den TYPEN hier in die Welt gesetzt wurde, ist in meinen AUGEN PURE HETZE und wahrscheinlich NEID auf die ERFOLGE der AfD, weil einige Unterzeichner zu den Verliererparteien gehören. außerdem hatte PEGIDA jetzt ihren fünften Geburtstag und ist, trotz aller Hetze nicht kleinzukriegen, warum ?? WEIL die allermeisten Anhänger FRIEDLICH spazieren und singen ! WER bei Pegida Veranstaltungen für Randale sorgt, sind die ANTIFAS, von denen ich den Eindruck habe,daß sie ORGANISIERT werden. Vor zwei, drei Jahren wurde ja mal ein junger Antifant gefragt, WARUM er hier mit für Randale sorgt, er hat gesagt, ich bekomme 40 Euro und wenn ich zehnmal mitgemacht habe, kann ich mir ein neues Handy kaufen, er wurde mit anderen aus Leipzig (glaube ich) hergekarrt.  Die SATIRE Partei ist ja ein Lacher !! Jedenfalls mit dieser Aktion, haben sich die UNTERZEICHNER (teils Wahlverlierer aber ALLE weit weg vom grandiosen AfD Ergebnis) ins eigene Knie geschossen. Jetzt bekommt DRESDEN die AUFMERKSAMKEIT,  die ein Touristenverband gar nicht erreichen kann und die Dresden als eine wunderschöne Stadt verdient !!

Catherina Formiglio / 05.11.2019

Ich war dieses Jahr als Touri in Dresden, und werde auch nochmal im Advent hinfahren, weil es eine wunderschöne Stadt ist. Man fühlt sich wohl im historischen Stadtkern, und ich gehe gerne Kirchen besichtigen, obwohl ich sagen muss, dass die Frauenkirche die bisher lauteste war, die ich je besucht habe. Unglaublich viele mittelalte bis alte Menschen,  die sich lautstark unterhalten haben. Das einzig radikale,  das mir in meinem ersten Urlaub aufgefallen ist, waren 3 Jungs im Teeniealter, die ein Plakat von der AFD erst am Laternenmast runtergeschoben und dann so lange mit dem Fahrrad angefahren haben, und das richtig gemächlich mit Anlauf und Anfeuern des Fahrradfahrerd, bis es kaputt genug war um es wegzuschmeißen. Diese Szene hat mich damals sehr irritiert,  weil die Jungs, die aussahen (sorry) wie die nicht ganz so hellen Kumpels von den Strebern am Gymnasium, so viel Energie aufwenden, um ein lebloses Objekt zu zerstören….

Hagen Müller / 05.11.2019

Die Sache mit dem Notstand müssen Sie anders sehen, gerade und besonders in Sachsen und in Dresden sowieso. Einen Facharbeiternotstand behebt man doch auch nicht, indem man die Facharbeiter verfolgt! Nein, man wirbt welche an, bzw. bildet sie aus! Gern darf dann auch der geneigte ...ääääh… aufrechte Tourist zur Behebung des Notstandes einreisen, es sind keine weiteren Nachweispflichten erforderlich, ordentliches Funtionieren des rechten Schultergelenks und fehlende RAF- Tätowierungen auf den Fingergliedern vorausgesetzt. Satire aus. Gilt immer, auch für Dresdner Stadträte: Man kann sich durchaus zum Affen machen, ist aber noch nicht gezwungen dazu!

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