Manfred Haferburg / 05.08.2019 / 16:15 / 92 / Seite ausdrucken

Drei Monate Meinungsfreiheitsentzug 

Von allen Qualitätsmedien in Deutschland ist nach meiner persönlichen Ansicht die „Welt“ am ausgewogensten, eine Zeitung, wo man ein Meinungsspektrum von Schmidt bis Broder findet. Daher beteilige ich mich hin und wieder an der Leserdiskussion von Welt-Online. 

Dass dieser oder jener regierungskritische Beitrag bei den Qualitätsmedien ohne Begründung nicht veröffentlicht (lohnende 58 min) wird, daran haben uns die journalistischen Sittenwächter inzwischen gewöhnt, auch wenn sich die Leser niemals mit dieser oft willkürlichen Zensur abfinden werden. Aber es geht auch drastischer: am 25.7. widerfuhr mir nunmehr die außergewöhnliche Ehre, dass mein Profil für Leserkommentare bei Welt-Online komplett gesperrt wurde: 

Ihr Profil für Leserkommentare auf WELT.de wurde aufgrund von Verstößen gegen die Nutzungsregeln am 2019-07-25 18:17:56 gesperrt.

Unsere Nutzungsregeln finden Sie hier: https://www.welt.de/nutzungsregeln-fuer-leserkommentare."

Verdutzt, war ich mir doch gar keiner Schuld bewusst, fragte am ersten August bei der „Welt.de“ Redaktion an: 

Bin gesperrt? Was habe ich mir denn diesmal zu Schulden kommen lassen? Bin mir gar keiner politischen Unkorrektheit bewusst. Und wie lange wird denn eine abweichende Meinung gesperrt?“

Daraufhin schrieb mir das Community Management/Leserservice WeltN24 äußerst höflich. Zitat:

Sie sind für den Kommentar „Das passt ins Bild: in Leipzig haben gestern zwei Vermummte in der Mensa einen lesenden Studenten angegriffen und ihm unter den Rufen: "Das ist ein Nazi" die Nase gebrochen“ gesperrt worden, eine entsprechende Mitteilung müsste bei Ihnen eingegangen sein. Falls nicht, ist sie vermutlich im Spam-Ordner gelandet. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass bei derartigen Beiträgen, die rundheraus erfunden sein können oder auch nicht, keine sachliche Diskussion mehr gewährleistet werden kann. Auch pseudoironische Beiträge wie „Erinnere mich, die wollten Terror mit einem Luftgewehr und kristall-Handschuhen verbreiten“ drücken ein geringes Interesse an Diskussionen unserer Artikel aus, sondern nutzen unser Forum lediglich zu polemischen wie plakativen Unmutsbekundungen. 

Wir möchten unseren Kommentatoren allerdings sachliche und konstruktive Debatten zu den Artikelinhalten ermöglichen: Pauschalisierungen, Verallgemeinerungen, bloße Spekulationen und „Prophezeiungen“, unbewiesene Behauptungen, provokative Polemik, inhaltslose Einzeiler, Einlassungen ohne konkreten Zusammenhang zum Artikel oder auch die Generalverurteilung einzelner Bevölkerungsgruppen werden von uns nicht veröffentlicht.

Gerne können sie nach Ablauf einer angemessenen Frist (ca. 3 Monate) noch einmal die Freischaltung Ihres Profils erfragen.

Ich bin jetzt aber irritiert. Wie denn nun? Kommentare, die „rundheraus erfunden sein können oder auch nicht (sic)“ gewährleisten keine sachliche Diskussion? Auch, wenn sie gar nicht erfunden sind? Und was ein „pseudoironischer Beitrag“ ist, drückt „geringes Interesse an Diskussion“ der Artikel aus? 5.500 Likes (lt. Profil) unter den Kommentaren drücken geringes Interesse an einer Diskussion aus?

Plakative Unmutsbekundungen sind bei Welt.de den Lesern nicht erlaubt. Gut so, dass ist deren Blatt und sie können veröffentlichen oder sperren, was sie für richtig halten. Das ist ihr gutes Recht. Dann dürfen sie sich aber auch nicht über Leserschwund wundern, hat sich doch die Leserzahl der Welt innerhalb von acht Jahren halbiert. 

Ich habe mir nochmal die https://www.welt.de/nutzungsregeln-fuer-leserkommentare angesehen. Mit den zwei kurzen Kommentaren habe ich gegen keine der Regeln verstoßen. Und beide Kommentare entsprechen Tatsachen – aber das ist bei Welt.de ja eh egal. 

Nun, liebe DIE WELT, nach einer angemessenen Frist von etwa drei Monaten werde ich sicher nicht bei Ihnen die Freischaltung meines Profils erfragen. Schauen Sie sich mal Ihre Kundenbewertungen bei Trustpilot an, die sich fast ausschließlich auf den Kommentarbereich beziehen. Dann wissen Sie, warum selbst der ausgewogenen Welt die Leser in hellen Scharen davonlaufen.

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netiquette:

Andreas Rochow / 05.08.2019

Ich bin vor 5 Jahren Ex-Abonnent der Welt geworden. Es war wie ein Befreiungsschlag. Ich habe es nie bereut. Jetzt suche ich nach einem Modus, mich von der “Demokratieabgabe” für Kleber, Gniffke, Reschke, Restle & Co. zu befreien. Zensur findet statt und die Zensoren werden von meinem Geld bezahlt und arbeiten mit Journalisten unter einem Dach. Verkehrte Welt? Alles Elche? Verehrter Manfred Haferburg, ich teile Ihre Irritation, nehme Sie Ihnen “pseudoironisch” aber nicht ganz ab. Der Welt-Zensor und Welt-Exekutor der unverschämten Vierteljahressperre hat Sie erkannt! Ich stimme mit ihm in seinem Urteil überein, dass Sie zur unterwürfigen, dämlichen, messer-im-kopfigen Anpassung unfähig sind. Sowas passt nicht ins Welt-online-Forum. Keine Widerrede bitte.

Gerhard Küster / 05.08.2019

Willkommen im Club der Gesperrten. Bei mir war es die Meinung, dass wir Gesetze von Schafen für Schafe gemacht haben und dass das für Wölfe nicht ausreicht. Da hatte ich aber sicher schon 3 rote Markierungen im WO-internen Kataster und die suchten dann nur noch einen Anlass, um mich endgültig zu feuern. Macht nichts, ich habe mein Abo dort gekündigt und die können mich - nicht leiden ;)

Andreas Wolpert / 05.08.2019

Obwohl ich zugeben muß, das ich gerne Artikel der Welt gelesen habe, ist sie leider gerade in meiner Hostdatei 0.0.0.0 zugewiesen worden. Ich habe genug von Schwachen….. Köpfen!

Sabine Drewes / 05.08.2019

Liebe WELT: Axel Springer sagte einmal zu seinen Redakteuren “Ja, seid nett zu Euren Lesern!” Stand 1985 in der FUNK UHR unter “Worte des verstorben Verlegers Axel Springer, die wir FUNK UHR-Redakteure nie vergessen werden”. Tempi passati!

Detlef Jung / 05.08.2019

Zu Foren, deren Moderation und der Kommentarzensur hat sich Wolfgang Röhl in seinem Beitrag sehr schön eingelassen. Nix neues also im Westen. Dennoch finde ich die Begründung der “Welt” des Meinungsausschlusses bei Ihnen bemerkenswert. Als zuständiger Bearbeiter hätte ich an Stelle des Ramon Buckelbieger aka Rasmus Blum einfach mal dezent weitergeleitet und mich bei weiteren Anfragen Ihrerseits in Allgemeinplätzen vergangen. Aber DIE Antwort ist an Chuzpe schwer zu übertrumpfen. Aber gut, logische Entscheidungen treffen liegt den Wesen irgendwo zwischen eierlosem Dreibein und zuwenig Holz vor der Hüttn-TrägerinX halt nicht, ist ja gesellschaftlich auch eher hinderlich, wenn man in den virtuellen Welten der Social Media Aufmerksamkeit erreichen will. Heißt also im Klartext: Relotius darf nicht umsonst gegangen sein, die Springerpresse muss auf erfundene Gschichten noch eimerweise Lügen obendrauf packen, damit´s ordentlich klickt. Bravo, “Welt”-Redaktöre, ihr könnt´s einpacken und ab kommendem Jahr die Flure fegen gehen, haha! In den Büros werdet´s eher nicht mehr gebraucht. Wo anders eh nicht…

Raimund Hirschinger / 05.08.2019

Man wundert sich immer wieder, welche Kommentare freigeschaltet werden und welche nicht. Manche Kommentare werden nach 12 Stunden oder erst am nächsten Tag freigeschaltet. Es fällt immer wieder auf, dass die Anzahl der Kommentare stundenlang gleich bleibt, oder dass von z.B. 100 Kommentaren nach ein bis zwei Stunden gerade noch mal 5 bis 10 übrig bleiben. Jeder langt mal daneben. Keine Frage. Jede Zeitung hat auch ihre Tabuthemen, z.B. die Äußerungen von Deniz Yücel über Thilo Sarrazin. Versteht man auch. Was man aber nicht versteht ist, welche Kommentare freigeschaltet oder gelöscht werden. Manchmal hat man den Eindruck, dass da Werkstudenten am Schalter sitzen, die keine Ahnung haben. Schade um das gute Konzept: Mit Schwung und Schmackes an die Wand gefahren.

B. Zorell / 05.08.2019

Ich bin alle MSM durch. Und wer mich einmal sperrt, der ist für alle Mal für mich Luft.

H. Meier / 05.08.2019

Die Phase, in der die Kommentar-Funktionen der Online-Redaktionen von Tageszeitungen, eine muntere Diskussion ermöglichten, findet nur noch in einigen alternativen Blogs ihre Fortsetzung, die das neue System-Horch und Guck z. Z. noch nicht stumm geschaltet hat. Ich habe es lange genossen, es war eine digitale, demokratische Stimmung, in der argumentiert und verlinkt wurde, um mehr Wissen zu tauschen. Aber es gab auch die Fanatischen, diese hysterischen Hüpfer, die ihr Kotzen als Markenzeichen der Merkel-Ära anbieten. Da die Auflagenzahlen der Zeitungen durch vereinnahmte Journalisten so drastisch wegbrechen, gibt es offensichtlich auch Geldgeber, die den Ton ihres Geschäftsmodells hören und sehen wollen. Dabei zeigt sich schierer Opportunismus bzw. totale System-Abhängigkeit, in dem Zensur rächend ausgeübt wird, um totalitär auf diesem politisch bösen Merkel-Kurs zu sein.

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