Der Zaun bleibt. Selbst wenn das teure Ungetüm längst abgebaut ist, wird es als Symbol des G-8-Gipfels 2007 in Erinnerung bleiben. Damit verstärkt ausgerechnet das Objekt, das dem Treffen der wichtigsten Industriestaaten Sicherheit verleihen sollte, jenes Vorurteil, das Tausende auf die Straße treibt: dass der Kapitalismus eine Verschwörung habgieriger Finsterlinge gegen die Völker der Welt sei. Aber es gibt ein paar Wahrheiten, die jenseits reiner Symbolik liegen.
Dass der Gipfel in das Ostseebad vergeben wurde, hat bereits die rot-grüne Regierung im Jahr 2004 beschlossen - weil sich der Ort so gut abriegeln lässt. Erstaunlich, dass sich Politiker von SPD und Grünen daran gar nicht mehr erinnern, während sie auf der Empörungswelle mitschwimmen. Erstaunlich auch, dass sich fast nur Anwohner empörten, als beim europäischen G-6-Gipfel 2006 am selben Ort ähnliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden. Aber damals nahm ja auch kein US-Präsident an dem Treffen teil.
Die Frage, wie viele Demonstranten sich ohne das Feindbild USA in einem ostdeutschen Provinznest zusammentrommeln ließen, drängt sich auf. Denn die Abschottung in Heiligendamm kommt nicht nur von der Innenseite des Zauns. Entwicklungshilfe, Klimaschutz und Afrika sind die Themen des Gipfels - und genau jene, um die sich die meisten G-8-Gegner sorgen. Warum also Blockaden?
Wer sich die Parolen der Protestierer von ganz links bis ganz rechts anschaut, muss den Eindruck bekommen, dass die Staats- und Regierungschefs der G 8 schlipstragende Totengräber sind, die die Vernichtung der Erde vorantreiben. Draußen dagegen stehen Robin Hoods in Kapuzenpullis, getrieben vom Mitleid mit den Armen. Das ist ein eingängiges Bild, vom Zaun verstärkt - nur hat es mit einer konstruktiven Debatte über Chancen und Risiken der Globalisierung nichts zu tun. So eine Debatte aber gibt es in Deutschland kaum. Das ist schade, denn deutscher Agrarprotektionismus passt besonders gut zu Krokodilstränen über die ausgebeutete Dritte Welt.
Die Globalisierung ist nicht schuld an Afrikas Elend. Die ärmsten Länder der Welt sind Opfer von Bürgerkriegen, von geographischen Bedingungen, korrupten Regierungen, fehlender Bildung. Dagegen bräuchte Afrika nicht weniger Globalisierung, sondern eher mehr - faire Globalisierung allerdings. Wie die aussieht, darüber lässt sich streiten. Mit der G 8, nicht gegen sie.
Jagdish Bhagwani, einer der führenden Ökonomen der Welt, fordert von den Gipfelteilnehmern, gezielt sinnvolle Projekte in Afrika zu fördern, statt „Geld in Empfängerländer zu pumpen, nur weil man eine bestimmte Zahlenvorgabe erfüllen will“. Die Vorschläge zu vieler Globalisierungskritiker sind von solchem Pragmatismus weit entfernt. Sie bieten nur Ressentiments gegen ein allmächtiges Gespenst namens (Neo-)Liberalismus. Und die ideologisch-theoretischen Diskussionspapiere von Attac sind so überzeugend wie die Idee, man könnte von Heiligendamm mit dem Zug zum Mond fahren.
Am Zaun reagiert sich zumindest zu einem beträchtlichen Teil ritualisierter Protest ab. Protest, der das Wohl der Armen als Schild vor sich herträgt, um die gähnende politische Leere zu verbergen. Draußen, vor dem Zaun.
Leitartikel im Kölner Stadt-Anzeiger, 2./3. Juni 2007