Anfang März machten wir uns Sorgen um Italien, nachdem die Italiener ein Parlament ohne klare Mehrheiten gewählt hatten. Ende März fürchteten wir um Zypern, weil das fehlgeleitete Krisenmanagement der Europäischen Union das Vertrauen in die Sicherheit von Bankeinlagen in der gesamten Eurozone erschüttert hatte.
Nun, Anfang April, müssen wir wegen Portugal nervös werden, da das Verfassungsgericht des Landes große Teile des von der Regierung vorgelegten Haushalts 2013 für verfassungswidrig erklärte. Wir müssen überdies um Frankreich bangen, da die Regierung von Präsident François Hollande, in politische Skandale verwickelt, sich als unfähig erweist, sinnvolle Reformen umzusetzen.
Wenn Ihnen das immer noch nicht den Schlaf raubt, können Sie sich Gedanken darüber machen, ob Malta möglicherweise eines der nächsten Opfer der Eurozone sein wird. Der frühere Chefvolkswirt der Deutschen Bank Thomas Mayer wies kürzlich darauf hin, dass der Bankensektor Maltas im Verhältnis zur Größe der Wirtschaft noch umfangreicher war als der Finanzsektor in Zypern und dass Malta beträchtliche Handelsbilanz-, Leistungsbilanz- und Haushaltsdefizite aufwies. Zugegeben, Malta ist sogar noch kleiner als Zypern. Aber mangelnde Größe hat die Europäer noch nie davon abgehalten, einen kapitalen politischen Scherbenhaufen anzurichten.
Ist also Malta das nächste Zypern? Ist Italien das nächste Griechenland? Ist Frankreich das nächste Portugal? Oder war es umgekehrt?
Bei einem Blick quer durch das Euro-Währungsgebiet brauchen Sie kein Schwarzmaler zu sein, um seine wirtschaftlichen und politischen Aussichten pessimistisch zu beurteilen. Realist zu sein, reicht vollkommen aus, um trübsinnig zu werden. Drei Jahre voll von verpfuschtem Krisenmanagement, offenen und verdeckten Bailouts und aufgezwungenen Sparhaushalten, um eine ‘interne Abwertung’ durchzusetzen, haben es nicht vermocht, die Eurokrise zu beenden.
Das Einzige, das etwas zurückgegangen ist, ist eine akute Panik der Märkte wegen Europa – und sei es nur deshalb, weil wir uns alle an einen ständigen Strom schlechter Nachrichten aus Europa gewöhnt haben. Europas Krise ist die neue Normalität und das scheint allgemein akzeptiert zu werden. Zumindest von den europäischen Politikern, denn die bezeichnen die derzeitige Strategie als „alternativlos“.
Wie hoffnungslos starrsinnig und arrogant Europas regierende Elite geworden ist, war wunderbar an der Pressemitteilung der Europäischen Kommission nach der Entscheidung des portugiesischen Gerichts abzulesen. Das Gericht hatte erläutert, warum der von der Troika EU-EZB-IWF verhängte Sparhaushalt Portugals nicht mit der portugiesischen Verfassung vereinbar ist. ‘Kein Problem’, war die Antwort der Kommission:
„Die Kommission weist erneut darauf hin, dass ein breiter Konsens hinsichtlich des Programms zu seiner erfolgreichen Umsetzung beitragen wird. Daher ist es von großer Bedeutung, dass die wichtigsten politischen Institutionen Portugals dieses geschlossen unterstützen.”
Mit anderen, weniger diplomatischen Worten: Die Kommission mahnte die portugiesische Regierung, dafür zu sorgen, dass Richter auf Linie gebracht werden, damit sie die Fiskalpolitik nicht mehr stören können. Das zeigt ein fragwürdiges Verständnis der Gewaltenteilung und der nationalen Souveränität. Es zeigt auch, wie wenig bereit Brüssel ist, legitimen Bedenken seiner Mitgliedstaaten und ihrer Bevölkerungen zuzuhören.
Wenn etwas alternativlos erscheint, beweist das meist nur, dass es nicht gut genug durchdacht wurde. Es gibt sehr wohl eine Alternative dazu, sich auf absehbare Zeit in einem politischen Teufelskreis zu bewegen. Es gibt eine Alternative zu dem unendlichen zeitlichen und finanziellen Aufwand, der betrieben wird, um Europas gemeinsame Währung vor dem Zusammenbruch zu bewahren.
Die Alternative besteht darin, keine gemeinsame Währung zu haben.
Es war ein Fehler, den Euro einzuführen, bevor Europa darauf vorbereitet war. Das wird heute selbst von einigen der begeistertsten Anhänger des Euro eingeräumt. Ein noch größerer Fehler ist jedoch die Behauptung, diese schlecht geplante Währungsunion müsse nun um jeden Preis verteidigt werden. Es wäre weit besser für die Europäer, ihren Verlusten ein Ende zu machen und den Euro aufzugeben.
Würde Europa seine aktuelle Politik einfach fortsetzen, wäre das Ergebnis für alle Beteiligten katastrophal. Die Krisenländer zu zwingen, ihre interne Abwertung durch Kürzung von Löhnen, Renten und Preisen fortzusetzen, würde ihre schon jetzt hohe Arbeitslosigkeit noch weiter steigen lassen. Es würde ihre jüngeren Generationen ins Elend stürzen und ihre politischen Systeme destabilisieren – und dabei gibt es nicht einmal eine Garantie, dass dieses Rezept eine Wende ihrer wirtschaftlichen Lage mit sich bringen und ihre Produkte letztlich international wettbewerbsfähig machen würde. Demgegenüber werden in den Ländern, die die Bailout-Bürgschaften absichern, die finanziellen Verpflichtungen schon bald ihre Fähigkeit, geschweige denn ihre Bereitschaft übersteigen, für ihre Nachbarn zu zahlen.
Natürlich ist jeder Weg zum Ausstieg aus der Währungsunion steinig. Zumindest aber besteht die Hoffnung, dass die Länder Europas in der Lage wären, wieder Wachstum und Beschäftigung zu generieren, nachdem sie zu Währungen zurückgekehrt sind, die sich für ihre jeweiligen Volkswirtschaften eignen. Eine Auflösung der Eurozone würde auch zur Bewältigung des anhaltenden Ungleichgewichts der Handelsbilanzen in Europa beitragen. Sie würde es ermöglichen, dass die Krisenländer mehr exportieren und die anderen, vor allem Deutschland, mehr importieren.
Früher erfolgten solche Äquilibrierungen durch Anpassungen der Wechselkurse der zahlreichen Währungen Europas. Die Eurokrise lässt keinen Zweifel daran, dass ein solcher Wechselkursmechanismus zwischen europäischen Ländern nach wie vor dringend erforderlich ist.
Das Ende des Euro könnte durch eine Rückkehr zu nationalen Währungen herbeigeführt werden. Aus politischen Gründen ist dies höchst unwahrscheinlich. Europas politische Führung würde das Gesicht verlieren, wenn sie nach jahrzehntelanger Propaganda für die Vorteile einer Währungsunion eine neue monetäre Vielfalt in Europa zulassen würden – so wünschenswert das auch wäre.
Als zweitbeste Lösung könnte die Eurozone sich in zwei Teile aufspalten: Eine schwächere Währung für die angeschlagene Peripherie und eine stärkere für einen Länderblock unter der Führung Deutschlands. Dies ist keine neue Teilung Europas, denn diese Teilung ist bereits im heutigen Europa sichtbar. Europa ist deutlich in die Euro-Kernländer hier und die Euro-Krisenländer dort gespalten. Den Euro in zwei Währungen aufzuteilen – eine Maßnahme, die vom früheren BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel seit langem vorgeschlagen wird – würde lediglich die Anerkennung einer wirtschaftlichen und politischen Realität bedeuten.
Es wird höchste Zeit, dass die Europäer eine Entscheidung fällen. Entschließen sie sich lieber zu einem Euro-Ende mit Schrecken oder wollen sie Euro-Schrecken ohne Ende?
Wenn sie gerne von einem Krisensymptom zum nächsten stolpern – gestern Griechenland und Portugal, heute Spanien und Zypern, morgen vielleicht Italien, Frankreich und nicht zu vergessen Malta – dann sollten sie den Euro behalten. Wenn sie jemals wieder zu normalen wirtschaftlichen Bedingungen zurückkehren wollen, sollten sie ernsthaft nach Möglichkeiten suchen, das katastrophale Euro-Experiment zu beenden.
Dr. Oliver Marc Hartwich ist Executive Director der The New Zealand Initiative.
‘Double or nothing: the euro solution’ erschien zuerst in Business Spectator (Melbourne), 11. April 2013. Aus dem Englischen von Cornelia Kähler (Fachübersetzungen - Wirtschaft, Recht, Finanzen).